„Reden vs. Meinen in der Beziehung
"Zwischen dem, was gesagt, aber nicht gemeint ist, und dem, was gemeint, aber nicht gesagt ist, geht die meiste Liebe verloren.“
(Khalil Gibran)
...
Für mich beginnen die Probleme öfters wesentlich früher:
Zwischen dem, was gewollt wird und zwischen dem, was gelebt wird, gibt es oft zu große Unterschiede - auch im Miteinander.
Die Probleme bei Reden vs. Meinen sind dann "nur" die Auswirkungen davon.
„...
Was zwingt uns, Dinge zu sagen, die wir nicht meinen und warum beteiligen wir den anderen nicht an unseren inneren Prozessen, wenn seine Beteiligung doch so wichtig wäre?
...
Eher: Was bringt uns dazu - aber weniger: was zwingt uns dazu.
Wie oft werden Unterschiede in den Zielen, Erwartungen, Vorgehensweisen usw. vermutet oder erkannt - und dann versucht, das Ganze eher zu "managen", als zu lösen?
Wie oft versuchen wir scheinbar kleinere Probleme nicht zum Stolperstein für das Miteinander werden zu lassen, finden aber auch keine Lösung - und schieben das Ganze dann vor uns her?
Wie ist unser Beziehungs-Baustellen-Mangement?
Je mehr diese oder ähnliche Fragen hervorbringen, desto mehr werden wir im Reden-versus-Meinen-Modus leben.
Weil wir dann eher mit dem Verteidigen, keine-klare-Lösung-wissen, mehr-um-uns-selbst-kreisen, Abwägen, Vermuten, Begrenzen usw. beschäftigt sind.
Je mehr Krampf und Konflikte es in Beziehungen gibt, desto mehr und öfters habe ich zunehmende Unterschiede zwischen Reden und Meinen im Miteinander erlebt. Weil die Beteiligten sich dann weiter voneinander entfernen oder (bereits) entfernt haben - und somit dann oft (wieder) weniger eine gemeinsame Sprache finden.
(Möglicherweise gab es bereits vorher Schwierigkeiten, möglichst zu dieser gemeinsamem Sprache zu kommen.)
Es gibt für mich aber auch noch einen weiteren, wichtigen Punkt:
Je mehr die Beteiligten am Miteinander selbst mit sich nicht im Reinen und Klaren sind, desto größer ist auch die Gefahr, dass sie größere Unterschiede zwischen Reden und Meinen zeigen.
„Es gibt ja immer noch den traditionellen Wortsinn, den m.E. die meisten Menschen verstehen.
Ich kann auch sagen, ich liebe dich, ich würde gerne mit dir zusammenleben. Was hindert mich daran, es so zu sagen?
Auf einen traditionellen Wortsinn greife ich nur dann zu, wenn ich die vermutete Gedankenwelt des Gegenüber noch nicht bzw. zu wenig kenne. Ansonsten versuche ich mit Hilfe meiner zwischenzeitlichen Feststellungen das Ganze zu "übersetzen".
„„"Zwischen dem, was gesagt, aber nicht gemeint ist, und dem, was gemeint, aber nicht gesagt ist, geht die meiste Liebe verloren.“
(Khalil Gibran)
Zwischen Khalil Gibran und mir scheint ein unterschiedliches Verständnis von Liebe zu bestehen.
Ein naiver Mensch beurteilt einen anderen nach seinen Worten, ein intelligenter Mensch nach seinen Taten und weiser Mensch nach seinen Absichten. Meine Liebe beruht auf die Absichten eines anderen, die ich über seine Gedanken für mich ableite und ihn damit in seinem Menschsein erkenne. Die Gedanken stehen nicht in den Worten. Die Worte transportieren die Gedanken.
Wer den anderen im Menschsein erkennt, weiß was er meint, egal was er sagt.
Wer versucht, ein bisschen weise zu sein, wird bereits erkannt haben, dass er die Absichten des Gegenüber nie wirklich genau kennt, sondern nur mehr oder weniger gut einschätzen - also vermuten kann.
Aber ja, nicht nur die Taten sind von Bedeutung, sondern auch das was sie - möglicherweise - auch alles aussagen können. Das kann dann durchaus zu mehreren möglichen, unterschiedlichen Ergebnissen führen. Von denen sich dann vielleicht ein Ergebnis als passend herausstellt.
„Haben wir die Aufgabe, ständig die Worte und Weglassungen eines Partners zu deuten, um nicht verletzt zu werden, oder haben wir vielleicht die Aufgabe, uns unverletzbar zu machen, egal, was ein Partner sagt oder meinen könnte? Können wir ohne Risiko überhaupt lieben?
Wenn das Miteinander auf dem Punkt angekommen ist, dass ich alles erst noch in alle Richtungen hinterfragen muss, bin ich wohl von Beziehungs-Baustellen "umzingelt".
Es ist gut und richtig, Äußerungen des Gegenübers durchaus immer mal wieder auch in verschiedenen Richtungen zu deuten. Ein gutes Miteinander sollte es aber auch aushalten, dass ich mal etwas falsch verstanden habe, ohne dabei schlechte/unschöne Absichten gehabt zu haben.
Wer mir da in der Beziehung gezielt versucht, einen "Strick" daraus zu drehen, hat die Beziehung damit - zumindest teilweise - bereits ins Jenseits befördert. Denn ohne gegenseitiges Wohlwollen gibt es keine vernünftige Basis.
„Alles nur eine Frage der Intelligenz. Je intelligenter ein Mensch ist, desto präziser, unmissverständlicher und zielführender kann er kommunizieren. Sobald einer der zwei Kommunizierenden eine geringere Genauigkeit hat, haben wir es mit dem Schroteffekt zu tun und das Meiste geht daneben.
Nicht der, welcher ein Werkzeug hat, kommt zu guten Ergebnissen, sondern der, welcher seine vorhandenen Werkzeuge gut nutzt und sich auch deren Grenzen bewusst ist.