„Menschen kommunizieren über ihre Gefühle leider auch, wenn sie sich derer gar nicht sicher sind. Und statt zu sagen, ich weiß nicht, wie ich für dich empfinde, sagen sie, ich liebe dich, weil es ihnen als die unschädlichste Option erscheint.
Und manchmal möchten sie doch so sehr, dass sie das fühlen könnten, aber es ist eben nicht so.
Ich finde es übrigens gar nicht schlimm, wenn man aneinander vorbei redet und sich missversteht, so lange wir uns dafür nicht gegenseitig in Haftung nehmen und dann diese KO Sätze kommen, die gerne mit „Du hast immer” anfangen. Ich bin ein großer Fan davon, Dinge miteinander zu klären. Da lernt man sich selbst und gegenseitig sehr gut kennen und kann sich sehr nahe sein. Auch durchaus im Streit. Aber bitte eben beieinander bleiben und bei sich und mit dem Entschluss, es gemeinsam zu versuchen zu klären.
Mich treibt man zuverlässig in die Flucht, wenn man versucht, mich mir selbst zu erklären. Die Versuchung ist groß, das Klischee sagt ja, dass Autist*innen ja gefühlsblind sind, ihre Gefühle nicht verstehen und keine Empathie haben. Völliger Mumpitz.
Ich glaube, mir sind im Gegenteil viele Dinge in Sachen Kommunikation bewusster, weil ich Eindrücke anders verarbeite und mein Betriebssystem eine andere Ordnung in die Eindrücke bringt.
Was ich super schwierig bis grenzwertig manipulativ finde, sind Erwartungen bezüglich Subtexte. Ich habe das vor einiger Zeit bei einem befreundeten Paar erlebt. Das eskalierte derart, dass er sie irgendwann anschrie, sie müsse wissen, wie er es meint, weil sie ihn doch kennt.
Da steig ich aus.
Das widerspricht meiner Auffassung von Beziehung. Freiheit in einer Beziehung bedeutet für mich, anders sein zu dürfen, als der andere Part es von mir erwartet. Da geht es gar nicht um Verlässlichkeit, sondern um Vertrauen. Das Vertrauen darauf, dass wir die Zeit haben, sie uns nehmen, uns zu erklären. Dass wir uns beide bemühen zu sagen, was wir meinen und dem anderen glauben, was er sagt (dieser Maskulin fängt an mich zu nerven, aber ich lebe halt in einer weitestgehend heterosexuellen Beziehung).
Und uns selbst glauben, was wir sagen. Und wenn das bedeutet, ihn zu fragen, ob wir gemeinsam herausfinden, was wir eigentlich wollen und fühlen.
Das ist bei uns grad ein wichtiges Thema, denn es stehen berufliche Veränderungen an, die ggf bedeuten, dass wir zurück nach Deutschland kommen (was wir nicht wollen). Das ist eine hübsche Gemengelage aus Sachzwängen, Wünschen und Sehnsüchten. Und wir wollen durchaus auch unterschiedliche Dinge. Ich will näher an die Küste, er lieber Richtung Grand Est. Welche Sehnsucht ist wichtiger? Einfache Antwort: die nach einander, wir wollen unbedingt zusammenbleiben. Aber was macht die Entscheidung für die eine oder die andere Lösung leichter.
Und da kommt für mich noch etwas ins Spiel, womit sich der Kreis schließt:
Wenn ich mich äußere, eine Entscheidung treffe, meinem Gefühl Ausdruck gebe, dann tue ich das aus vollem Herzen und freien Stücken, selbst bei einem Kompromiss, den ich alleine nie so getroffen hätte. Ich werde es niemals dem anderen vorhalten und ihm die Verantwortung oder gar Schuld unterjubeln. Das ist meine Entscheidung, meine Verantwortung.
Freiheit ohne Verantwortung ist Rücksichtslosigkeit, Verantwortung ohne Freiheit ist Unterdrückung.