Also gut.
Ich nehme mich mal des Versuches an, zum Thema zurückzukommen.
Neigen die BDSMler dazu, ihre sexuelle Neigung zu mystifizieren und /oder zu überhöhen?
Mir sind dazu mehrere Gedanken eingefallen.
Vor ca. 9 Jahren haben mein damaliger Freund und ich uns einen süßen kleinen Kater angeschafft. Er sah wundervoll aus, machte allerhöchst putzige Dinge 24 Stunden am Tag, schmuste, gurrte, lernte kleine Tricks und sogar seine Ausscheidungen waren herzallerliebst. Jeder Mensch, der sich damals in unsere Nähe wagte, Freunde, Familienangehörige, Busfahrer und Fleischereifachverkäuferinnen, mussten sich alles en Detail anhören, bis die Ohren bluteten...
Heute beschäftigt mich eben BDSM.
Jede Neuerung in unserem Leben, kleine und große, verändern etwas. Egal, ob ein neues Hobby, eine neue Liebe, ein Baby, ein neuer Job, ein neues großartiges Buch - immer wieder gibt es Dinge in unserem Leben, die etwas anders machen. Und ich zumindest erzähle dann gern davon. Von dem tollen Buch, das meine Sicht auf das Leben veränderte und - zumindest für mich - verbesserte. Von der neuen Sportart, die mich fitter macht. Und somit besser. Aus meiner Sicht. Eine neue Spielart des Sex, die mich ausgeglichener und zufriedener macht. Und somit ebenfalls besser.
Ich für meinen Teil missioniere nicht, ich biete an. Zeige auf, was mich weitergebracht hat. In dem vergangenen Jahr hat es mir unglaublichen Spass bereitet, mit Menschen zu schreiben und zu reden, die nach einem bißchen
mehr suchen und ihnen von meinen "Funden" zu berichten.
Für mich
IST BDSM eine Bereicherung.
Aber nur, weil der normale Sex in den Jahren zuvor so unglaublich unbefriedigend war. Und ja, ich glaube, dass ich ein besserer Mensch bin. Aber nicht im Vergleich zu anderen, seien es Vanilla oder BDSMler, sondern im Vergleich zu meinem früheren Ich. Ich habe mich weiterentwickelt und erfreue mich täglich daran. Sehe den Weg, der vor mir liegt und kann es kaum erwarten, ihn weiterzugehen.
Ein Denkansatz:
Das allzu aggressive und missionarisch wirkende Begründen und Erklären und Glorifizieren von der eigenen BDSM-Neigung anderen gegenüber kann vielleicht auch wegen einer erwarteten Ablehnung passieren.
Ein Beispiel: "Normale" Mädels schlucken nicht sonderlich gern. (Ich rede jetzt von meinem Erfahrungsbereich.) Ich habe das schon immer gern getan, also schon zu Vanilla-Zeiten. Wenn ich mich also mit Mädels darüber unterhalten habe, gab es immer zwei Fraktionen (oder Charaktere):
die einen tönten laut mit ihrer Meinung,
die anderen hielten sich bedeckt.
Die Lauten sahen sich immer gern um Beifall heischend um, die anderen eben nicht.
Es kommt mir ein bißchen so vor wie das Tragen von T-Shirts mit Aufschriften:
"Ich blase gern!"
"Ich schlucke gern!"
"Atomwaffen - nein danke!"
"Fiffi darf in meinem Bett schlafen!"
"Ich prügel mein Liebste und wir finden es geil!"
Will sagen:
Wer laut seine Meinung sagt, hat diese vielleicht einfach zu oft begründen müssen.
Das "Wir-Gefühl" wurde genannt.
Nun, ich habe meine letzten Bedenken, zu BDSM zu stehen, erst über Bord geworfen, als ich vor ca. einem Jahr im Catonium einen Bondage-Workshop besuchte. Bis dahin war ich der Auffassung, dass das alles schlimme Perverse sind und ich keinesfalls dazugehören kann und will.
Nun war ich also dort und sah die skurrilsten Paare:
Einen homosexuellen nacktärschigen Ledersklaven in der Ecke neben seinem Master kniend (ich dachte, ihm sei nicht gut und wollte ihm im ersten Impuls aufhelfen...),
eine 185cm große Domina mit ihrem 165cm großen, mundgespreizten, in ein Ballett-Tütü gekleideten Tanzsklaven,
eine Korsett tragende, nacktärschige (nie zuvor habe ich an einem Po sooo viele Falten gesehen!!!) Ü60erin mit ihrem LederDom,
eine nackte Frau in Cowboystiefeln mit Ganzkörpertattoo nebst ihrem Lover,
ein Paar, das eben aus einem BehördenBüro entschlüpft zu sein schien...
Alle unterschiedlich und alle hatten sie etwas gleich:
Jedes Paar trug einen Kokon aus gegenseitiger Liebe, Achtung und Wertschätzung für den anderen um sich. Der faltenreiche Po schien ebenso die Erfüllung aller Träume zu sein, wie der Mundgespreizte. Man schaute nach rechts und links, aber eher interessiert, denn begehrlich. Jedes Paar hatte ein deutlich spürbares "Wir-Gefühl". Und das war für mich eine wunderbare Erfahrung.
War ich doch zuvor mit Männern, Vanilla-Männern, zusammen, die sich aus anderen Gründen "umschauten", denn das, was ich zu bieten hatte, konnten sie überall sonst finden.
Sex Komma mehr oder weniger guten.
Heute bin auch ich Teil von etwas Besonderem. Gerade im BDSM gibt es mannigfaltige Vorliebensmöglichkeiten und da ein passendes Pendant zu finden, scheint fast wie ein Wunder.
Ich habe dieses Wunder gefunden und mein Leben erscheint mir großartig. Das "Wir-Gefühl" macht mich, macht uns stark.
Und dieses Gefühl möchte ich nicht mehr missen.
Und ja, am liebsten möchte ich jeden mit diesem wunderbaren Gefühl infizieren.
Aber eben nicht gegen seinen Willen.