Online: Nur ein Teil der Wirklichkeit
Ich denke, LoveandPain hat recht, es ist (wie immer), was man daraus macht.
Und das kann bei BDSM genauso passieren wie in der Esoterik, der Kleintierzucht, der Politik… das Missionarische scheint vielen Menschen eigen zu sein. Und wer das Licht gesehen hat, muss es hochnotdringlich der Umwelt aufs Auge drücken.
Glücklicherweise begegnen mir solche Menschen nur sehr selten, es fällt auch mir eher auf, wenn ich entsprechende Profile oder Beiträge lese.
Für mich, der ich nun gar nicht religiös bin, ist guter Sex (und da sicher auch oft BDSM) ein Weg Erfahrungen zu machen, die für mich weit über das Alltägliche weit hinausgehen. Es gibt kaum etwas, das so an mein Innerstes rührt. Wer will, kann das durchaus als spirituelle Erfahrung deuten, obwohl mir „Mystik“ der falsche Begriff erscheint. Mir selbst gefällt „Transzendenz“ ganz gut – und auch „Extase“ kann passen sein, wenn man sich mit dem Wort beschäftigt.
Allerdings bringt es mich nicht dazu, jetzt das Heilige Wort zu verkünden und jedem die Freuden des BDSM zu preisen. Also lassen wir stehen, dass BDSM vermutlich auch andere Menschen sehr berührt.
Was mich dann allerdings massiv irritiert sind die Formalitäten. Gut, sicher mag jeder es ausleben, wie er/sie es will. Aber warum ist es fast immer verbunden mit Mittelalter, Kerker, Fackeln, Ketten, Eisen und Leder, warum ist außer Schwarz höchstens noch Rot als Farbe verfügbar, und warum wird es so gerne mit finsterem Blick und von Chorälen untermalt zelebriert?
Es erinnert mich an Tango-Salons. Da wird tendenziell auch wenig gelacht, da wird mit ernstem Blick gelitten, geschmachtet und getanzt (Ay, mi corazon!), die Röcke sind geschlitzt, die Schuhe hoch, alle tragen Sachen, die sie sonst nie anziehen (aber Hauptsache Schwarz!) - alles ist sehr dramatisch… dabei sehen die meisten Tänzer aus, als bekämen sie zu wenig Sonne und nicht genügend Vitamine.
Vermutlich sind es in beiden Fällen Rituale, die den Betreffenden gefallen und Ihnen erlauben, sich anders zu geben als im Alltag. Soweit kann man das auch stehen lassen. Wem es gelingt, den Schritt ohne Ritual zu machen: Umso besser.
Der Eindruck, es gäbe Online zu viele Apostel entsteht vermutlich dadurch, dass hier immer nur ein Teil des ganzen Menschen gezeigt wird. Denn auch ich als Leser will ja im Profil von Fred Fröhlich nichts von seinen Lieblingsfilmen, den Haustieren und seinen Erfolgen im Hallenfußball hören: Mich interessieren hier seine (sexuellen) Interessen und was er daraus macht.
Und so sehen wir hier halt die Meister, Engel und Sklavinnen… ich denke, man muss das nicht ZU ernst nehmen. Wir alle haben auch ein Leben drumherum, das uns beschäftigt, aber wollen uns nicht auch noch im JC damit herumschlagen.