„Lieber
@*****ast,
ich empfinde deine Art, dich in diesem Thread einzubringen, als ziemlich penetrant und überheblich, und offenbar hast du dich bereits gestern im Chat in ähnlicher Weise zu Wort gemeldet. Weil ich aber weder abweichende Meinungen "zensieren" noch deine Einlassungen unwidersprochen stehenlassen möchte, gehe ich im Folgenden auf einige deiner Punkte ein. Ich habe allerdings nicht die Absicht, auf dieser Basis weiter mit dir zu diskutieren, und bitte dich dafür um Verständnis.
„Du kannst nicht vom „natürlichen Verhalten“ von Tieren auf
Menschen schliessen. Schau Dir mal an, wie brutal Schimpansen sind.
Geht gar nicht: Klassicher Denkfehler!
(…)
Hier ein paar Beispiel aus der Tierwelt.
Soll ich mich so verhalten? Echt jetzt?
Niemand hat gesagt, so "solle" sich irgendjemand verhalten. Aber es ist eine unglaublich arrogante menschliche Eigenschaft, zu denken, nur weil wir so intelligent sind, könnten wir unsere erste Natur völlig hinter uns lassen. Sieh dir an, was Menschen einander antun – im Krieg, im angeblichen Namen Gottes, oder einfach nur aus gekränktem Stolz.
Moralisch: Geht gar nicht.
Faktisch: Passiert.
Ich empfehle dazu dringend das Buch "Mutter Natur" von Sarah Blaffer Hrdy (Anthropologin und Primatologin), die auf über 700 Seiten sehr genau beschreibt, was Menschen heute und in der Vergangenheit tun und getan haben und wie es dazu Entsprechungen im Tierreich, evolutionsbiologische gute Gründe oder beides gibt.
„Zur Geschichte von Erotik, Liebe und Ehe das hier:
Hier kann ich nur sagen: Thema verfehlt. Der Schwerpunkt meines Vortrags lag ganz klar auf der Ur- und Frühgeschichte. Die alten Griechen und Römer lebten bereits im postneolithischen Patriarchat, und Mittelalter, Romantik und die 1968er sind davon noch ein ganzes Stück weiter entfernt.
„Liebe und Sexualität warend und sind stark an der sozialen Schicht geprägt.
Was für die Reichen galt, galt eben nicht für die armen Frauen.
Die Krux ist: In nomadischen Jäger-und-Sammler-Völkern gibt es eben keine sozialen Schichten, keine Reichen und keine armen Frauen. In Bezug auf unsere (westliche!) jüngere Geschichte haben deine Quellen mit Sicherheit recht – aber das hat eben nichts damit zu tun, wie unsere Vorfahren im Paläolithikum lebten.
„Wenn sie keine Biologin ist, sollte sie solche Dinge eben nicht erzählen.
Dass ich keine Biologin (Anthropologin, Ethnologin, Primatologin, Archäologin, Genetikerin …) bin, bedeutet nicht, dass ich keine Ahnung von wissenschaftlichem Arbeiten hätte.
Das Thema hätte genug hergegeben für eine zweite Dissertation. Aber du hast völlig recht, dass ich hier stark vereinfachen musste.
„Wer daran denkt, fremdzuvögeln der lese mal das
Clements Buch "Wenn Liebe fremdgeht" kann ich ebenfalls sehr empfehlen. Ich kann mich aber an keinen Punkt erinnern, der mit meinen gestrigen Ausführungen in ernsthaftem Widerspruch stünde. Das Schöne an Clement ist ja eben, dass er nicht moralisiert und bewertet, sondern schlicht und einfach
beschreibt, warum Affären so häufig sind, was der Reiz daran ist und wie sie sich auf die Paarbeziehung auswirken – selbstverständlich bezogen auf unsere heutige Kultur, die mit der Kultur noch vor 50 oder 100 Jahren oder der heutigen Kultur z.B. in Japan nur sehr eingeschränkt vergleichbar ist.
„Es wäre meiner Meinung seriöser gewesen , nicht erst nach kritischen Nachfrage zu betonen, dass es sich hier um die evolutionsbioglogsiche Sichtweise menschlicher Sexualität handelt.
Ich habe noch nicht verstanden, welche andere Sichtweise in Bezug auf die Entwicklung menschlicher Sexualität du vertrittst. Einige Punkte sind meines Wissens unstrittig (zumindest unter Leuten, die einen ernsthaften Diskurs zu führen imstande sind):
- Wir stammen von denselben Vorfahren ab wie Schimpansen und Bonobos (und andere Primaten), und unsere Abstammungslinie hat sich erst etwa vor 5 Mio. Jahren von diesen getrennt.
- Unter unseren Vorfahren (geh so weit zurück, wie es dir nötig erscheint) gab es kein Privateigentum, keine Sesshaftigkeit, keine Landwirtschaft, keine Vorratshaltung. Diese gibt es nicht unter Primaten – es hat sich also erst zu einem späteren Zeitpunkt entwickelt.
- Die Weibchen sehr vieler Primaten (ich bleibe bei unseren näheren Verwandten) verhalten sich promisk, haben (zumindest während des Östrus) ganz offensichtlich Spaß am Sex und setzen diesen zu verschiedenen Zwecken ein. Dasselbe lässt sich in unserer heutigen Gesellschaft beobachten, wenn auch nicht generalisieren.
- Geschlechtsdimorphismus, Penis- und Hodengröße sowie Spermienkonzentration liegen beim Menschen in etwa in demselben Bereich wie bei unseren promiskuitiven Verwandten (Schimpansen und Bonobos) und unterscheiden sich stark von den polygyn lebenden Gorillas und Orang-Utans.
- Menschen verlieben sich, Menschen gehen fremd, die Liebe geht verloren und Menschen trennen sich wieder. Moralisch: Finde das, wie du willst. Faktisch: Passiert.
Welchen Punkt stellst du in Abrede?
- Dass Frauen ebenfalls eine starke Libido haben und diese ausleben, wenn sie können und dürfen?
- Dass Menschen (allgemein – nicht jede:r einzelne) dazu neigen, sexuelle Abenteuer, Affären und Zweitbeziehungen einzugehen?
- Dass Frauen nicht zu jeder Zeit als den Männern untergeordnet galten und ihre Sexualität eingeschränkt und beherrscht werden musste?
- Denkst du, unsere Vorfahren lebten in Harems oder in monogamen Kernfamilien, die sich erst später zu größeren Gruppen zusammentaten? Beides ist – soviel kann ich auch als Nichtbiologin mit großer Sicherheit sagen – anhand der wissenschaftlichen Datenlage und im Kulturvergleich mehr als unwahrscheinlich.
„Aber Theorien der Vortragende. sind nicht meiner Meinung ich unproblematisch weil sie dem Fremdgehen eine scheinbar ;biologische Rechtfertigung geben.
Und die gibt es meiner Meinung nach nicht.
Möglicherweise ist das der Kern deiner Kritik, und in diesem Fall bekenne ich mich dazu:
Die Neigung zum Fremdgehen (extra-pair copulation) gehört zu unserer ersten Natur als Menschen – bei beiden (allen) Geschlechtern (wenngleich diese Neigung
individuell unterschiedlich stark ausgeprägt ist), in allen Zeiten und in allen Kulturen.
Umso mehr, je länger eine Beziehung andauert (dass man in den ersten 3-4 Jahren keinerlei Lust auf fremde Haut verspürt, bedeutet nicht, dass es nach 20 Jahren immer noch so wäre).
Und ebenso gehört es dazu, dass Liebe und Bindung auch wieder zu Ende gehen können.*
Nur massive Einschränkung mittels zweiter Natur (Kultur, Moral: Das darf man nicht, das ist nicht richtig!) und erster Natur (Verstand: Ich kann meine Gelüste beherrschen, ich will meine:n Partner:in nicht verletzen) führt dazu, dass diese Neigung nicht ausgelebt (u.U. auch gar nicht bewusst verspürt) wird.
Mir ist
keine einzige Abhandlung untergekommen, die über Wunschdenken hinausginge, die allen Ernstes behauptet, wir seien von Natur aus für lebenslange Monogamie und sexuelle Exklusivität gemacht oder unsere Vorfahren hätten lebenslang monogam und sexuell exklusiv gelebt. Dafür reichlich Belege aus verschiedenen Kulturen und verschiedenen Zeiten, dass EPC nun mal dazugehört und unterschiedlich gehandhabt und bewertet wird.
Gleichzeitig meine ich, im letzten Teil deutlich gemacht zu haben, dass ich eben
nicht der Ansicht bin, wir seien unserer ersten Natur völlig ausgeliefert, sondern dass wir im Gegenteil bewusst und unseren Werten entsprechend mit unseren Wünschen und Bedürfnissen umgehen können (und sollen).
*Ganz grob wird in Gesellschaften ohne gesellschaftlichen und/oder wirtschaftlichen Zwang knapp die Hälfte der geschlossenen Ehen wieder geschieden (wer an den Statistiken zweifelt: hier sind die modernen Langzeitbeziehungen ohne Heirat gar nicht eingepreist), und über die Hälfte aller Menschen geht irgendwann im Leben fremd. Die Studienergebnisse sind sehr stark abweichend (!), aber man kann eine klare Tendenz erkennen: Lebenslange Monogamie inkl. sexueller Exklusivität ist die Ausnahme und nicht die Regel. Wahrscheinlicher ist, dass die Beziehung entweder zu Ende geht, bevor jemand fremdgeht, oder dass die Beziehung zwar fortgeführt wird, aber zumindest einer der Partner untreu wird. Oder natürlich, jemand geht fremd UND die Beziehung geht zu Ende.
„Was sie Vortragende meiner Meinung nach getan hat: Sie hat die der Zielgruppe hier angepasste Argumentation vertreten, ohne die kritische Distanz , die ich bei einer Therapeutin voraussetze.
Im Gegenteil. Ich habe die meines persönlichen Erachtens schlüssigste Argumentation vertreten, die auch zu meinen Beobachtungen im therapeutischen Kontext sowie zu meiner allgemeinen Sichtweise passt: Menschen tun Dinge, die sie selbst nicht verstehen oder gutheißen, die sie bei allen anderen als "Geht gar nicht" klassifizieren würden. Sie streiten bis aufs Blut, sie gehen fremd, sie empfinden Eifersucht, sie trennen sich.
Meine Aufgabe ist es dann nicht, diese Menschen moralisch abzuwerten, sondern zunächst einmal ein wohlwollendes Verständnis für sich selbst (und füreinander) zu entwickeln. Auf dieser Basis können Lösungen gefunden werden, für die sie sich nicht selbst verbiegen, sondern die ihre tiefsten Bedürfnisse, ihr Unbewusstes und ihre körperlichen Reaktionen mitberücksichtigen.
ich empfinde deine Art, dich in diesem Thread einzubringen, als ziemlich penetrant und überheblich, und offenbar hast du dich bereits gestern im Chat in ähnlicher Weise zu Wort gemeldet. Weil ich aber weder >>>>>
Sorry dafür. Ich versuche nur, eine andere Sicht auf die Entwicklung menschlicher Sexualität als mögliche Erklärung unseres Verhaltens zur besseren Meinungsbildung' in die Diskussion zu bringen.
Was daran überheblich sein soll ,erschließt sich mir nicht. Please enlighten me! 😉
OK 🤔..penetrant bin ich. Muss ich dran arbeiten ..😉
Meine Kritik an Deinem Vortrag zielt auf die fehlenden "Dialektik".
Neue Sichtweisen gewinnt man meiner Meinung nach durch die Auseinandersetzung mit unterschiedlicher Meinungen.
Deine Darstellungen sind korrekt, durch Literatur gedeckt aber leider hochumstritten.
Diesen Hinweis hätte ich mir deutlicher für die Zuhörer gewünscht, damit Du sie in die Lage versetzt , sich selbst ihre Meinung zu bilden.
>>> .Ich habe allerdings nicht die Absicht, auf dieser Basis weiter mit dir zu diskutieren, und bitte dich dafür um Verständnis. >>>
>>>>Ich habe noch nicht verstanden, welche andere Sichtweise in Bezug auf die Entwicklung menschlicher Sexualität du vertrittst. Einige Punkte sind meines Wissens unstrittig (zumindest unter Leuten, die einen ernsthaften Diskurs zu führen imstande sind):>>>>
Sonst würde ich Dir was über Reduktionismus erzählen , dass Deine Theorie soziale und kulturelle Aspekte grob vernachlässigt und die unglaubliche Vielschichtigkeit menschlichen Verhaltens auf einen Bonobo-Steinzeit-Kern zurückzuführen versucht. Kann stimmen oder eben nicht🤷
Ich würde Dir erzählen dass die Wechselwirkungen zwischen Affen-Genen, Epigenetik und Umwelt nicht einmal im Ansatz von Wissenschaftlern, die einen ernsthaften Diskurs zu führen imstande sind, verstanden wird.
Ich würde Dir etwas über den Denkfehler des "logischen Fehlschlusses" erzählen. Dieser führt zu Schlussfolgerungen, deren Wahrheitswert undefiniert ist.
Dann würde ich mal in Deine Praxis fahren, und wir würden unsern Disput bei einem Schoppen guten Rotweins befrieden.😉
So.nun is aber echt gut.
Ich lese Deinen 700 Seitenwälzer und halte meine freche Klappe. Großes