Das Glück ist ein Vogerl.....
Das Glück is a Vogerl, gar liab, aber scheu,
es laßt si' schwer fangen, aber fortg'flog'n is glei'.
Das Herz is der Käfig, und schaus d'net dazua,
so hast auf amal dann ka Glück und ka Ruah.
Altes Wienerlied, Carl Kratzl (1852-1904)
Was ist Glück?
Vielleicht ist es von Vorteil, sich gerade in einer leicht melancholischen
Stimmung zu befinden, wenn man dieses Thema in Angriff nimmt -
vielleicht ist sie sogar Voraussetzung dafür, dass man es überhaupt
aufgreift. Fast unbehaglich nahe scheint hier die Frage nach dem Sinn
des Lebens zu sein, möglicherweise ist sie mit der Frage nach dem
"Glück" in unserem Leben, sogar untrennbar verbunden.
Denn ich denke, wir sprechen hier nicht vom Glück im Spiel, auch nicht
vom Glück, grade noch den Bus erwischt zu haben; einen Schirm gehabt
zu haben und nicht im Regen nass geworden zu sein; vom Polizisten
nur verwarnt worden zu sein und keine Strafe gezahlt zu haben - wir
sprechen nicht von den vielen kleinen Begebenheiten, die unseren Tag
angenehmer gestalten können, wenn uns das Glück für den Moment
wohlgesonnen ist, sondern von dem Gefühl des Glücklichseins, tief in
unserem Innersten - von dem Glück, das wir in einem Atemzug mit
Zufriedenheit, Lebensfreude, Partnerschaft und Liebe nennen.
Doch lässt sich dieses Glück weder messen noch wiegen - es gibt keine
Skala die uns sagen kann, ab wann wir uns glücklich fühlen sollen -
uns glücklich fühlen dürfen. Zu unterschiedlich sind die Wünsche, Träume
und Bedürfnisse der Menschen, zu unterschiedlich ihre Bestrebungen.
Glück ist nichts Vorgefertigtes, nichts das von außen auf uns trifft,
sondern Glück entsteht in uns - indem wir es als Glück ansehen.
Wir selbst sind es also, die die Höhe der Latte bestimmen, die es zu
überqueren gilt, um unser erhofftes Glück zu erlangen - vielleicht ist es
gerade dieser verhängnisvolle Umstand, der das Glücklichsein oft so schwer
macht. Ist es der dem Menschen anhaftende Drang nach immer Neuerem,
Besserem, Schönerem, der uns anspornt, die Latte immer noch ein Stück
höher zu legen - die Unfähigkeit mit etwas Bestehendem zufrieden zu sein?
Eine Eigenschaft, die uns aus Krisen führt, uns hilft, die tiefsten Täler zu
überwinden und uns ständig Neues entdecken lässt - aber gleichzeitig auch
das größte Hindernis zwischen uns und unserer Glückseeligkeit darstellt.
Ist es unsere Bestimmung, rastlos auf der Suche nach Neuem, unserem
Glück hinterherzulaufen, unterbrochen von flüchtigen Momenten, in denen
wir es kurz berühren dürfen, unfähig es festzuhalten?
Oftmals sind wir nur, wenn wir gezwungen sind, bereit unsere Ansprüche
zu senken, unseren Blick auf das Wesentliche zu lenken - plötzlich wird
eine vermeintliche Selbstverständlichkeit, die wir kaum beachtet haben,
zum einzig Glückbringenden, alles andere rückt in den Hintergrund, wird
unwichtig und banal.
"Ein gesunder Mensch hat tausend Wünsche, ein Kranker nur einen....."
Wenn wir uns diesen Blick auf das Wesentliche aneignen, ihn beibehalten,
auch wenn wir nicht dazu gezwungen sind - wenn wir den Weg zu innerer
Ruhe und Zufriedenheit gefunden haben - vielleicht ist es uns dann möglich
das Glück nicht nur kurz zu berühren, sondern es ein wenig festzuhalten.
Festzuhalten, weil wir uns seiner Anwesenheit bewusst sind und in ihm
keine Selbstverständlichkeit sehen, aber auch in der Gewissheit, dass es
uns trotz aller Bemühungen jederzeit wieder entgleiten kann.
Darum genieße den Augenblick - nicht weil er dein letzter sein könnte,
aber vielleicht bist du nie wieder glücklicher, als gerade in diesem Moment.
lg raider