Ich bin prinzipiell fähig zur Polyamorie. Das erlebte ich schon und liebte schon zwei Menschen parallel.
Für mich werden in dem Feld aber gerne viele Dinge vermischt.
Poly ist nicht gleich "ich habe viele parallele Sexpartner:innen". Das ist offen.
Es ist für mich dann Poly, wenn diese parallelen Menschen zu mir in ein Beziehungsgeflecht treten.
Meiner Wahrnehmung nach wird das oftmals etwas vermischt.
Ein paralleler fester Fesselpartner, mit dem es nur um Fesseln, und dabei natürlich auch die menschliche Grundsympathie, geht ist für mich keine Polybeziehung, sondern etwas offenes mit festem Nebenspielschauplatz. Aber darüber kann man sich in der Polygemeinde fröhlich streiten, weshalb ich von mir und meiner Definition ausgehe und der folgend sind Dinge, die man wirklich als "Beziehungen" bezeichnet auch nur dann tatsächlich poly-Beziehungen und keine parallelen F+, egal um welche Kinks es geht.
Wenn Liebe dazu kommt, dann frage ich zunächst:
Liebst du jemanden oder bist du verliebt?
Es ist völlig normal, dass selbst monogame Menschen irgendwann das Gefühl haben sich von anderen Menschen angezogen zu fühlen. Hormone kontrolliert man nicht, selbst wenn man an und für sich strikt monogam lebt. Das ist für mich kein Indikator dafür, dass der Monogamie abgeschworen wird. Das ist nur menschlich.
Den monogamen Menschen unterscheidet vom poly-Menschen (bzw. vom Arschloch, wenn es nicht kommuniziert wird und heimlich passiert), dass er oder sie sich dann auch darauf einlassen möchte und aus dem Gefühl des "Verliebt seins" Liebe zu kultivieren sucht. Man möchte sich darauf einlassen und weiß, dass das die Liebe zum anderen Partner nicht schmälert und nicht zu Gewissensbissen führt. Idealerweise (siehe Arschloch-Einschub) passiert dies mit Kommunikation zu allen Beteiligten.
Liebe ist eine Entscheidung, genauso wie Beziehungen es sind.
Liebe ist Arbeit. Sie erfordert, dass man einen symbolischen gemeinsamen Garten bewirtschaftet über den auch mal Stürme ziehen, der Veränderung mit sich bringen kann, bzw. Reparaturarbeiten bedingt.
Generell sollte man in Partnerschaften, egal wie sie definiert sind, über alles reden können.
Wenn ich meiner Partnerin nicht alles sagen könnte, dann hätte ich kein wirkliches Bindungsgefühl.
Eifersucht selbst ist in den meisten Fällen Verlustangst. Diese kann viele Gründe haben und wird, auch wenn sie nicht gesund ist und man ihr auf den Grund gehen sollte, zu oft mit einem Leistungsanspruch negativ geframed, der da lautet: "Das darf man nicht haben. Wenn du das Gefühl hast, dann kannst du Poly oder Offenheit nicht." Das ist Unsinn. Es kommt nicht darauf an ob man Verlustangst, bzw. sich daraus ergebende Eifersucht hat oder nicht, sondern darauf wie man mit ihr umgeht. Ob man sie ergründet, ob man sie reflektiert, ob man sie für sich einordnen und bearbeiten, damit überwinden, möchte, also an sich selbst arbeitet oder ob man nur sagt "ist so, so bin ich halt".
Es gibt dutzende Gründe, die rein gar nichts mit potentieller Beziehungsunfähigkeit oder Beziehungsmodellunfähigkeiten zutun haben, die zu internalisierten Verlustängsten führen. Das kann bei Menschen schon auftreten, die als Kind von Bezugspersonen verlassen wurden, bei Menschen mit negativen früheren Beziehungserfahrungen oder mit Traumabonding-Erlebnissen.
Ich habe etwa mit einer gewissen Form von Verlustsorgereflexen zutun, weil ich gleich alles mitgenommen habe (Kindheitsgedönse und Familiengeschichte, die durch negative Beziehungserfahrungen und Lügen, Betrügereien, etc. noch verstärkt wurden und sich mit typisch toxischem Leistungsdenken in der Sozialisation und Erziehung verbanden), dennoch bin ich kein Opfer dessen und muss das hinnehmen. Ich ordne es ein. Mir ist bewusst, dass ich deshalb gewisse Trigger habe die zu behandeln nicht Aufgabe meiner Partnerin ist, von der ich jedoch erwarten kann, dass sie diese Trigger nicht absolut bewusst drückt.
Meine derzeitige Partnerin hat wiederum aus ganz anderen Gründen ihrerseits mit Verlustängsten zu kämpfen. Die Ursachen sind da ganz anders als bei mir. Gemeinsam sorgt das für gegenseitiges Verständnis, manchmal auch für Reibereien und Konflikte, aber insgesamt schränkt es uns nicht ein, es bedingt nur gegenseitige Achtsamkeit im Handeln und in der Kommunikation, was in jeder Beziehung, in der keine Einzelperson einfach kompromisslos ihren Sexdrive durchziehen will, ohnehin selbstverständlich sein sollte.