Zu lieben ohne einzuengen. Ich glaube, dass viele Menschen einige ihrer Gefühle für Liebe halten. Sie scheinen sich zu lieben. Tun sie es wirklich? Tatsächlich streben sie (frei nach Erich Fromm) eine Form des Egoismus zu zweit an, wie ich glaube. Oder sie lieben den Partner wie einen Besitz, etwas, über das sie Verfügungsgewalt haben wollen. Für mich hat das aber nichts mit Liebe zu tun.
Man sagt gerne, dass man als Paar Probleme löst, die man als Single gar nicht hätte. Die fragliche Einengung, die bei manchen Paaren in Kontrollwahn ausartet, gehört sicher zu diesen Problemen.
Einengung bedeutet ein Weniger. Wenn zwei Menschen eine Beziehung eingehen, dann soll das ein Mehr darstellen. Es soll eine Vereinigungsmenge sein, nicht eine Schnittmenge. Es soll eine Möglichkeit und gemeinsamen persönlichen Wachstums sein, nicht ein Ausbremsen des Partners und ein starres Verharren in bekannten Mustern. Wenn ich die Bücher von David Schnarch lese, dann resultiert Langeweile im Sex in langjährigen Beziehungen daraus, dass "man" sich nur noch auf einen Minimalkonsens verständigen kann. Für viele ist das ca. 10 Minuten aufeinander Liegen und herum rutschen. "Man" redet nur noch über das Notwendigste, dann reichtn 15 Minuten pro Tag.
Einfach nur das Glück des Anderen wollen. Ich denke, jeder sollte auch Selbstfürsorge betreiben und nicht nur das Glück das Partners (zu Lasten der eigenen Bedürfnisse und Wünsche) im Blickfeld haben sondern auch sein eigenes. Eine Partnerschaft ist stets ein Geben und Nehmen. Es ist aber nicht so, dass nur der eine gibt und nur der andere Partner nimmt. Dabei kann der Nehmende den Gebenden aussaugen (=es geht nur um den Nehmenden und seine Bedürfnisse, die Bedürfnisse des Gebenden bleiben auf der Strecke). Das andere Extrem ist, dass der Gebende den Nehmenden erdrückt (=es geht nur um den Gebenden, die Grenzen des Nehmenden bleiben auf der Strecke).
Ist der Mensch dafür gemacht, bis ans Lebensende mit dem gleichen Partner zusammen zu sein? Ich halte das für die falsche Frage. Ich bin mit meiner Partnerin seit über 30 Jahren zusammen und ich will mit ihr zusammen bleiben, bis der erste von uns beiden stirbt. Nur: Gibt es eine Garantie dafür? Warum sollte mich meine Partnerin ertragen oder ich sie, wenn wir uns miteinander nicht mehr gut fühlen? Meine Liebe zu meiner Partnerin ist exklusiv. Aber alle anderen Gefühle inkl. tiefer Zuneigung, Zugewandtheit, Vertrauen und großer Leidenschaft sind nicht exklusiv.
Ich glaube, dass die Möglichkeit einer Trennung immer im Raum stehen muss. Wenn Aussagen kommen wie: "Du liebst mich nicht, wenn du..." oder "Wenn du mich lieben würdest, dann würdest du...", dann sagt mir das etwas darüber, was die Person für Liebe hält. Es sagt mir auch, dass sie die Forderung hat, dass ihr Partner genau so zu fühlen und zu denken hat, wie sie sich das vorstellt. Ob ihr Partner diese Sichtweise teilt ist damit nicht ausgesagt. Niemand kann über die Bedürfnisse eines anderen Menschen bestimmen ("das brauchst du nicht"), niemand kann bestimmen, wie ein anderer Mensch und damit auch der Partner zu denken oder zu fühlen hat ("dir geht es gut", aber er oder sie fühlt sich schlecht). Sehr wohl wird aber oft versucht, das zu tun, im Extremfall geht das bis zur emotionalen Erpressung ("ich bringe mich um, wenn du..." als massivste Form) oder Gewalt ("ich bringe dich um, wenn...").
Ich glaube, man kann in einer Beziehung nur dann frei sein, wenn man eine Trennung als valide Option zulässt und ggf. auch realisiert. Wenn man um jeden Preis in einer Beziehung bleiben will, dann bezahlt man auch jeden Preis. Ist das dann eine glückliche Beziehung? Eine Trennung sollte m.E. aber nicht deshalb stattfinden, weil man den anderen nicht mehr erträgt. Sie sollte deshalb stattfinden, weil man zur Einsicht gekommen ist, dass der weitere Lebensweg getrennt zu mehr Lebensglück und Zufriedenheit führt. Den anderen gehen zu lassen kann auch ein Akt der Liebe sein. Der Tod eines Partners ist sicher die härteste Form des verlassen Werdens, nach dieser Trennung kommt er oder sie bestimmt nicht mehr zurück. Ist deshalb das eigene Leben vorbei?
Ein Mensch kann nur etwas für sich selbst ändern, nicht für den Partner. Auch hier gilt: Eine Trennung ist eine Änderung. Die Forderung: "Du musst xy tun oder lassen, sonst trenne ich mich" ist dagegen der Versuch, den Partner zu ändern. Eine Trennung ist legitim, allerdings sollte man dann auch gleich die Koffer packen und gehen.
Ich glaube, gerade mit diesen Gedanken an die immer vorhandene Möglichkeit einer Trennung und die Sicherheit des eigenen Todes und dem des Partner, kann man sehr befreit eine lebenslange Partnerschaft leben, in dem man selbst wahrhaft bleiben kann. Wenn es der richtige Partner und die richtige Partnerin ist, der die gleiche Sichtweise mitbringt. Ein wenig emotionale Reife gehört zu so etwas natürlich auch.
Eine Partnerschaft, in der man über alles reden kann. Ich glaube, dass das eine Grundvoraussetzung für eine gute und auch lebenslange Partnerschaft ist. Der Autor und Paartherapeut David Schnarch hat einmal die Frage in den Raum gestellt, warum (ältere) Paare nicht mehr miteinander reden. Die erste Antwort, an die viele denken ist: Sie haben sich nichts mehr zu sagen. Aber gerade diese Paare habe sich sehr viel zu sagen. Sie sprechen es aber nicht aus, weil sie wissen (oder zu wissen glauben), dass es der Partner nicht hören will.
Was würde nun passieren, wenn sie etwas sagen, was der Partner nicht hören will? Es wird eine Reaktion kommen (offensichtlich eher eine aggressive und abweisende) und mit dieser Reaktion müsste man dann leben. Vor so einer Reaktion haben viele Menschen Angst. Ich glaube, dass Fremdgehen (im Kontrast zuum Bekanntgehen) auch hier eine Ursache hat. Wie würde der Partner reagieren, wenn ich ihm oder ihr sage: "Ich habe mich mit XY verabredet. Wir wollen miteinander ein Wochenende verbringen und dabei Sex haben." Die schöne Reaktion wäre: "Dann macht mal. Nicht am nächsten WE, da hat unsere Tochter Geburtstag. Und bringe mir keine sexuell übertragbare Krankheit nach Hause." - "Wird nicht passieren, wir lassen uns vorher auf alle STDs testen und nehmen Kondome und Lecktücher, falls uns die BDSM-Spiele nicht ausreichen." Die weniger schöne Reaktion wäre ein großes Beziehungsdrama samt einem: "Wenn du das tust, lasse ich mich scheiden." Was nun? Man tut es dennoch, sagt es aber nicht. Man ist nicht bereit, mit den Konsequenzen seiner Handlungen (die wiederum die Realisierung eigener Bedürfnisse und Wünsche sind) zu leben. Man ist nicht bereit, sich zu trennen oder eine Trennung in Kauf zu nehmen.
Um über alles reden zu können bedarf es einer angstfreien Atmosphäre. Angst ist immer ein Problem, das jeder selbst hat und jeder für sich selbst lösen muss. Wenn ich Angst vor der Reaktion meines Partners habe, kann ich mich nicht frei äußern und auch nicht frei entscheiden. Ich muss also mit meiner Angst klar kommen.
Man kann es dem Partner aber auch schwer machen. Anstatt ihn anzuhören, seine Wünsche und Bedürfnisse erst einmal ohne zu werten und ohne Angst zu haben zu Kenntnis und den Partner mit diesen Bedürfnissen anzunehmen, kann man ihn auch ablehnen und verurteilen. Man kann das Gespräch abbrechen ("ich will das nicht hören"). Man kann den Partner ablehnen. Wohlgemerkt: Man kann den Partner als Persönlichkeit ablehnen, nicht nur den Wunsch oder das Bedürfnis des Partners für sich. In irgendeinem Thread im JC habe ich einmal gelesen, dass ein Partner Itimrasur vorgeschlagen hat, der andere hat das abgelehnt mit den Worten: "Ich mache nicht jede Pornomode mit." Damit wurde der wünschende Partner in die Pornoecke gestellt (=ich will das nicht tun, du hast ein Porno-Problem mit dir). Es hätte gereicht zu sagen: "Das will ich nicht für mich." (=ich will das nicht tun, vielleicht, weil ich ein Problem mit mir habe). Weder muss ein "Nein" begründet werden, das muss der Partner akzeptieren. Ein "warum nicht?" ist m.E. keine legitime Frage. Noch muss man alles mitmachen.
Wie kann nun dennoch eine Lösung gefunden werden, damit der wünschende Partner seinen Wunsch erfüllt bekommt? Vom ablehnenden Partner zu verlangen, dass er oder sie sich nun doch rasieren müsste ist wieder ein: Du sollst etwas ändern, damit es mir gut geht. Der wünschende Partner kann wieder nur etwas für sich selbst ändern. Das ist sein konkretes Problem, und was auch immer er ändert, er muss mit den Konsequenzen leben.
Man kann es dem (geliebten) Partner auch leicht machen. Motto: Reden können wir über alles. Ich muss meinen Partner ertragen können. Das heißt auch, dass ich alles aushalten können muss, was er oder sie mir sagt. Das heißt aber nicht, dass man auch alles mitmachen muss. Es darf keine Redeverbote geben. Denn: Aus dem Redeverbot folgt ein Denkverbot. Ich darf es nicht sagen, darum darf ich es nicht denken. Ich darf es nicht wünschen, sonst denke ich darüber nach. Es darf nicht sein. Mein Bedürfnis ist falsch. Ich bin falsch. - Das klingt nach Selbstverleugnung und nicht nach der Grundlage für eine gute Beziehung.
Wenn ich sage, dass ich meine Frau liebe, dann sage ich: Ich mag sie mit allem in dem Sinne, dass ich sie annehme, wie sie ist. Das heißt aber nicht, dass ich alles an ihr mag. Manche Dinge toleriere ich (nur). Die Toleranz fände aber dort ein Ende, wo ich nicht mehr ich selbst sein könnte.
Die Freiheit geben, sich außerhalb alles zu holen, was der Partner möchte. Ich denke, das ist ein Stück Liebe! Ich will meinen Partner fördern, nicht einschränken. Jeder kann einen Realitätscheck machen. Mein Partner will etwas, was ich ihm oder ihr nicht geben kann. Was vermisse ich denn, wenn sich mein Partner das woanders holt? Der Partner will gerne eine gute Partie Schach spielen und ich bin ein lausiger Schachspieler. Der Partner will BDSM-Spiele spielen, aber ich will will Vanillasex. Der Partner ist bi, aber ich habe nur ein Geschlecht.
Dort sortiere ich auch Probleme mit Eifersucht sein. Worauf sollte ich eifersüchtig sein? Mein Partner tut etwas mit jemand anderen, was ich nicht mit ihm tun will oder kann. Was fehlt mir dann? Mir fehlt nichts, außer die Zeit, die mein Partner mit jemand anderem verbringt. Lebt ein Paar nicht zusammen, fehlt nicht einmal diese Zeit.
Ich denke, dass hier eher Verlustängste im Spiel sind. Man kann eine Szene der Art "du hast XY getan" (z.B. Sex mit dem Nachbarn, und der "Betrogene" dreht total durch) auch sehen als: "Ich habe Angst, dich zu verlieren. Ich kann ohne dich nicht leben." Und nicht als ein: "Ich hasse dich, weil du mich verletzt hast."
Ich glaube auch, dass Verlustängste der beste Weg sind, eine Beziehung zu ruinieren. Wenn "man" sich seiner selbst nicht sicher ist, nicht sicher ist, dass man ohne den Partner leben und überleben kann, dann ist man ungefähr da wo ein (tatsächlich abhängiges) kleines Kind ist, das seine Mutter zum Überleben braucht. Die Mutter ist für die Bedürfnisse des Kindes zuständig: angefangen von der Ernährung bis dorthin, dass sie dem Kind die Angst nehmen muss. Ein Erwachsener (und damit meine ich emotional erwachsen und nicht nur nach Jahren volljährig) muss selber mit seiner Angst klar kommen. Und das ist wiederum ein Wachstumsprozess.
In einer Partnerschaft kann man entweder miteinander wachsen oder miteinander stagnieren. Du klingst so, als ob du eine Beziehung suchst, in der du miteinander wachsen willst.