„Bei Caritas haben wir eine Anlaufstelle gefunden - habt ihr hierzu Erfahrungswerte bzw. auf was sollten wir unbedingt achten?
Kostenlose Beratungsstellen sind eine wunderbare Sache! Freilich ist man hier durch die Gegebenheiten natürlich insofern eingeschränkt, als man sich nicht aussuchen kann, welche:r Berater:in einen begleitet. Qualifikation, Spezialisierung und Erfahrung sind somit mehr oder weniger Glückssache. Wissen sollte man auch, dass die Arbeit in Beratungsstellen für viele Berater:innen und Psychotherapeut:innen nur eine vorübergehende Tätigkeit ist, bevor man den Sprung in die Selbstständigkeit geht (weil man fertig mit der Ausbildung ist oder genug Erfahrung und Referenzen gesammelt hat).
Und natürlich ist bei einer Beratungsstelle mit kirchlicher Anbindung davon auszugehen, dass von den Berater:innen tendenziell konservative Werte vertreten werden. Sollten z.B. Wünsche nach Polyamorie, Kink oder Swingen eine Rolle spielen, könnte die Unvoreingenommenheit schnell an ihre Grenzen kommen.
„Gibt es eventuell die Möglichkeit, die Kosten über die KK abrechnen zu lassen?
Wie bereits gesagt wurde, können a) nur Psychotherapeut:innen theoretisch über die Kasse abrechnen (Berater:innen und Coaches hingegen nicht), und b) gibt es für Paarprobleme prinzipiell keine Diagnose – also auch keine Möglichkeit der Erstattung durch die Kasse. Dazu kommt die Schwierigkeit, dass Kassenplätze extrem rar und mit langer Wartezeit verbunden sind.
Die einzige Möglichkeit für eine Kostenübernahme wäre, eine:n Psychotherapeut:in zu finden, die/der eine Einzeldiagnose stellt und abrechnet, in diesem Rahmen aber (auch) im Paarsetting arbeitet. Das ist aber an der Grenze des Legalen und insofern schwierig, als Erstattungen nur unter bestimmten Voraussetzungen und nach einer gewissen Wartezeit (bzw. Zeit der vergeblichen Suche nach einem Kassenplatz) möglich sind.
Bei Paarproblemen würde ich freilich immer dazu raten, diese so früh wie möglich anzugehen, bevor sich destruktive Muster noch mehr festsetzen!
„Könnt ihr bestimmte Podcasts und Literatur empfehlen?
Wenn es um das Verständnis von Beziehungsdynamiken geht, hier meine frischsten Empfehlungen:
• "Getriggert" von Anouk Algermissen,
• "Der kleine Eheretter" von Monika Röder
• Je nach Thematik: "Du hast Recht und ich meine Ruhe?", "Warum machst du mich nicht glücklich?", "Hoheitsgebiete", "Schöner streiten" oder "Guter Sex geht anders" von Berit Brockhausen
• "Halt mich fest" von Sue Johnson.
Sue Johnson ist die Begründerin der Emotionsfokussierten Paartherapie, eines Ansatzes, mit dem ich persönlich ebenfalls sehr gern arbeite. Davon abgeleitet noch meine letzte Empfehlung: Macht euch ein bisschen schlau über Methoden der Paartherapie (systemisch, verhaltenstherapeutisch, EFT, Imago …) und sucht euch gezielt eine Person, die die Methode eurer Wahl anbietet. Dabei gilt: Viele Wege führen nach Rom – und mit am wichtigsten ist letztendlich trotzdem der Sympathiefaktor, d.h. dass zwischen euch und der Paartherapeutin ein gutes Vertrauensverhältnis entsteht und ihr euch gut aufgehoben fühlt.
„Ich möchte noch erwähnen, dass Psychologe, Therapeut, Psychotherapeut, Coach vier unterschiedliche Sachen sind.
Hier möchte ich noch ganz kurz berichtigen/ergänzen:
• Psycholog:innen haben zwar ein abgeschlossenes Psychologiestudium, aber i.d.R. keine Therapie-/Beratungsausbildung
• (Psycho-)Therapeut:in dürfen sich nur Personen nennen, die nach abgeschlossenem Psychologiestudium (bei ärztlichen Psychotherapeut:innen: Medizinstudium) eine mehrjährige, sehr kostenintensive Psychotherapieausbildung inkl. umfangreicher Praxiserfahrung absolviert haben. Dies ist die höchste Qualifikation im deutschen Gesundheitswesen, was die Psyche angeht.
• Heilpraktiker:innen für Psychotherapie (kurz HPP; diese dürfen sich nicht Psychotherapeut:innen nennen, aber sehr wohl "Psychotherapie" anbieten) können hochqualifizierte Menschen sein, die nur nicht den offiziellen Weg der Psychotherapieausbildung beschritten haben – die Mindestqualifikation ist aber sehr niedrig und besteht lediglich im Ablegen einer theoretischen Prüfung. Hier sollte man sehr genau schauen, was die Person für Qualifikation und Erfahrung mitbringt.
• Coaches schließlich sind in Deutschland keinerlei Reglementierung unterworfen, als Coach darf also jede:r ein Gewerbe eröffnen. Hier gilt dasselbe wie bei den HPP in noch stärkerem Maß.
Ich wünsche euch alles Gute auf eurem gemeinsamen Weg!