„Im Radio gehört:
"Eifersucht ist erstmal das Gefühl,
die Angst etwas zu verlieren,
was man meint zu besitzen."
Ich finde den Satz sehr interessant.
Das Wort 'erstmal', vor allem.
Der allererster Impuls ist physisch. Irgendwo in der Herzregion detoniert das Adrenalin und man fühlt sich nicht mehr wie selbst. Es ist rein körperlich, als würde ein Gedanke, eine abstrakte Idee, die man nicht greifen kann, sich mit unserem Körper verlinken und dort alle Schalter umlegen, den Stift ausziehen, und die Bombe explodieren lassen. Überflutung von Hormonen, eine fight-or-flight response, ein getriggertes Verhalten. Denken? Undenkbar.
Der Körper speichert über Jahrzehnten diese Erfahrungen, und sobald ein winzig kleiner Hauch von Erinnerung an die Oberfläche gelingt, löst sich die Saite und zack, zerschlägt er den ganzen Konstrukt. Weil Eifersucht tief verankert ist.
Das Gefühl, die Angst, sogar, etwas zu verlieren, was man vermeintlich zu besitzen denkt.
Meinen, denken, glauben - alles Verben, Worte, Schubladen: Konstrukte des Hirns. Und dadurch angreifbar. Der Körper reagiert auf Instinkt, das Hirn auf Erfahrung. Er hat es gerne, immer wieder dasselbe zu wiederholen, sich hineinzusteigern. Er liebt die Erinnerung, speichert alles ab, und speist von der Wiederholung einer längst vergessenen Wunde, um uns davor zu warnen, den gleichen Fehler immer und immer wieder zu machen. Er fühlt sich dadurch bestätigt, in seiner Tätigkeit als Beschützer.
Doch wovor? Schmerz? Enttäuschung? Oder geht es tiefer?
Ich habe vor einiger Zeit jetzt eine sehr intensive und einleuchtende Erfahrung machen dürfen. Ich verliebte mich in eine Frau, die schon vergeben war, und wurde auf deren Partnerin eifersüchtig. Ich kannte diese Frau gar nicht, habe sie nie getroffen und auch als meine Herzensdame mehr Zeit mit mir verbrachte, und die Partnerin dadurch auf mich eifersüchtig wurde, hörte meine Eifersucht nicht auf. Schlimmer noch, der Mensch dazwischen litt darunter. Und geholfen wurde keiner.
Ich stellte fest, dass ich das haben wollte, was die Partnerin hatte, nämlich ihre Stellung als Partnerin. Ging es mir also um Prestige? Ich ging weiter und fand heraus, dass ich eigentlich mehr haben wollte, als das, was ich hatte. Meine Eifersucht beruhte also nicht mehr darauf, dass es mir potentiell wehtat, meine Herzensdame mit einer anderen zu wissen, ich wollte die Qualität ihrer Beziehung in Form von Ressourcen. Ich war süchtig nach mehr, obwohl ich schon gar nicht zu schätzen wusste, was ich hatte.
Dann stieg ich weiter hinab. Denn ich wollte dem auf den Grund gehen und ich ertrug es auch nicht mehr, meine Herzensdame leiden zu sehen. Ich zog mich zurück, brach den Kontakt ab, kommunizierte nicht mehr, doch musste ich noch schneller als meine Eifersuchtskrise feststellen, dass ich die Dame meines Herzens ziemlich arg und rasch vermisste. Und dann schlich bei mir der Verdacht, dass sie es auch vielleicht war, auch wenn sie mein Schweigen respektierte. Ich war sturzunglücklich.
Doch dann legte sich der Schalter um. Meine Herzensdame lebt polyamor. Eifersucht meinerseits war okay, aber sie konnte nicht übertrieben sein. Denn ehrlich gesagt, ich musste damit leben, dass ich meine Herzensdame nie für mich alleine haben würde.
Akzeptanz. Und Toleranz. Und Offenheit.
Für den Menschen, den ich in meine kleine Schublade quetschen wollte.
Ich wurde eifersüchtig, nicht, weil ich sie hätte verlieren können, sondern weil ich die Illusion der Kontrolle eines vermutlichen Hirnkonstrukts verlieren konnte. Ich hatte ja Zeit, wir trafen uns ja, und es wurde immer schöner. Doch ich hatte Angst, das zu verlieren, was ich potentiell hätte aufbauen können. Und dann - verlor ich alles, was ich jemals hatte. In dem ich mich selbst herauszog.
Doch dann verschwand die Eifersucht auf einmal. Ich hörte auf zu wollen, und konzentrierte mich statt dessen auf ihre Wünsche. Ich war weggegangen, weil ich damit bezwecken wollte, dass ihre Partnerin sich beruhigen würde. Doch das machte meine HD nicht glücklich, das wusste ich, sie wollte mich ja weiter sehen. Dann dachte ich profunder und überlegte, ob ich meine HD wirklich respektierte. In ihrem Lebensstil. Sie lebt poly, ich kam aus der mono Ecke. Ich hatte keine Rechte, denn sie hatte ihr Lebensstil gewählt. Ich ging mit mir ins Gericht und fand heraus, dass ich sie gar nicht allumfänglich lieben konnte, wenn ich diese Seite von ihr nicht akzeptierte. Sie wird sich immer eine andere anlachen, und immer weniger Zeit für mich haben. Da konnte ich doch direkt damit anfangen, mich mit weniger zufriedenzustellen, und die kleinen Gesten und den Austausch zu geniessen.
Und dann stellte ich fest, dass ich auf einmal genau das bekommen hatte, was ich immer befürchtet hatte, zu verlieren. Einst von Ungeduld geplagt wurde ich geduldig. Von unruhig wurde ich entspannt. Ich ließ los. Ich vertraute vor allem auch darauf, dass sie auf mich zukommen würde, wenn sie mich treffen wollte. Und das tat sie.
Was ist passiert?
Ganz einfach. Meine Eifersucht hat mich auf meinen Mangel aufmerksam gemacht. Ja, ich bin intens und habe mich mein Leben lang dafür geschämt und verstellt, um nicht zu viel zu sein. Dabei geriet ich aber immer an den falschen Leuten, da ich mich verstellte und nie ich war. Ich stand nicht zu mir. Ich habe mich selbst verleugnet und das Vakuum meiner Seele in Jahrzehnten langen Sabotagearbeit genährt. Ich habe Masken getragen, um die Wahrheit zu übertünchen. Dabei habe ich nur mich selbst geschadet, weil ich davon überzeugt war, nicht liebenswert zu sein. Mein Ego hörte dennoch auf, mich zu quälen, als ich mir selbst annahm.
Eifersucht ist für mich nicht die Angst, etwas zu verlieren, was ich habe, sondern etwas zu verlieren, was ich bekommen könnte. In Ziehharmonika-Fassong springe ich in die Zukunft, male mir was aus, bekomme es in meiner Vision und will es behalten. Dabei ist es eine Lüge, weil sie nicht das ist, was ich will und habe, jetzt.
Schlussendlich half mir die Eifersucht, weil sie die letzten Restriktionen sprengte. Ich habe mir selbst diesen Konstrukt mit einer polyamorösen Frau ausgesucht, und sollte ihn auch respektieren. Ohne Kommunikation und Offenheit zu mir selbst entsteht keine Authentizität, keine Klarheit, und diese ist enorm wichtig für das Funktionieren in egal welcher Beziehung aber besonders dort, wo ein Mensch seine Ressourcen aufteilt.
Eifersucht ist auch die Angst zu kurz zu kommen, dass das Objekt unserer Begierde uns fallen lässt, dass wir nicht gut genug sind.
Die Lösung liegt doch also auf der Hand: Selbstliebe. Wenn wir uns gut genug sind, dann findet das Objekt unserer Begierde uns doch auch attraktiv und sucht uns auf. Aber er kann uns nicht beruhigen, und uns vermeintlich damit helfen, in dem er uns wiederholend klar macht, dass er uns liebt und wir ihm was bedeuten - wenn wir es selbst nicht glauben - weil wir davon überzeugt sind, dass wir nicht gut genug sind. Doch in diesem Fall verschwand meine Eifersucht, weil ich auf natürlicher Weise ganz ohne nachzudenken ihr Glück über meins stellte.
Ich bin immer noch eifersüchtig. Weil ich durch meine konservative Erziehung auch so geprägt bin. Ja sicher ist es unangenehm, wenn ich weiß, dass sie sich für andere Menschen interessiert. Aber ich schaue nicht mehr nach außen, und lasse mich davon nicht mehr beirren, sondern konzentriere mich lieber auf das, was ich noch aufbauen kann, zwischen uns. Und das macht mich eigentlich glücklich.
Ah - und ihre Partnerin? Tja, ich lasse sie genau dort, wo sie ist. Es hat einen Grund, dass sie dort ist. Punkt. Alles andere ist nur noch Hirngespinst, um die wahren Tatsachen zu vertuschen. Dass wir Angst haben, uns selbst mit uns selbst auseinanderzusetzen, durch den heilsamen Prozess der Selbstakzeptanz zu gehen und für eine Weile zu leiden. Doch perverser Weise akzeptieren wir wie ein Hund zu leiden, und betrauern den Verlust von etwas, das rein theoretisch nicht einmal da ist.