Ich bin bei dem Thema als Frau ziemlich zwiegespalten.
Einerseits finde ich Menschen cool, die nicht so starr an den Schubladen eines Geschlechts hängen. Männer, die Make-up und Frauenkleidung tragen, Frauen, die crossdressen. Manchmal, wenn ich mit meiner besten Freundin ausgehe, spiele ich auch gern mit Crossdressing-Elementen und genieße, wie sie dann an meiner Seite noch viel femininer und weicher wird. Ich habe auch Enbys im Freundeskreis, und genderfluide Menschen, die mal so, mal anders fühlen und das dann auch entsprechend mit ihren Vibrations ausstrahlen. Deswegen ... Wenn jemand, den ich gern habe, hier auch mehr Freiheit in seinen Selbstausdruck bringen würde, würde ich immer sagen: Be welcome, das ist normal, das ist hübsch und bunt. Mitunter strahlen Männer auch noch mehr männliche Vibes aus, wenn sie beispielsweise für eine Party einen Rock anziehen, das ist seltsam, aber faszinierend. Vielleicht, weil darin so eine Form geistiger Stärke liegt, die über das System ein wenig spottet.
Allerdings ... Allerdings ...
Ich bin eine Hete. Und das heißt, dass ich sowohl sexuell wie auch romantisch auf Männer reagiere, und bei den Enbies und fluiden Menschen in meinem Umfeld genau dann, wenn sie gerade männliche Vibes auszustrahlen scheinen. Sobald es nicht mehr männlich, sondern mixed oder feminin ist, ändert sich nichts an meinem Mögen, aber schon an der romantischen und/oder sexuellen Anziehung, die jemand auf mich ausübt.
In Freundschaften ist das nicht dramatisch. Aber in einer Partnerschaft?
Ich kann mir vorstellen, dass man als Frau auch dann, wenn man grundsätzlich aufgeschlossen und wohlwollend ist, in einer Partnerschaft bei so was an genau dieser Stelle ins Stocken gerät. Auf der Ebene des Mögens und Wohlwollens wünscht man dem Partnermensch, genau der sein zu können, der er ist, und liebt vielleicht sogar die Stärke und diese besondere Ruhe, die jemand ausstrahlt, der endlich mehr er/sie/dey selbst sein kann.
Aber auf der sexuellen und romantischen Ebene gehen Vibes verloren, die immer da waren. Die Teil von dem waren, was man am anderen liebt und geliebt hat.
Natürlich ist das schwierig!
Und man will ja auch nicht hingehen und sagen "Sei so, wie ich dich haben will", wenn der Mensch in Wahrheit nie so war. Das wäre gemein und falsch. Und trotzdem ist da in einem drin vielleicht dieses beunruhigende Gefühl: So, mit diesen weiblichen Vibrations ... Da kannst du meine Freundin sein, meine beste Freundin oder eine meiner besten Freundinnen oder meine Schwester. Alles schön und wertvoll.
Aber das Männliche, was ich in einem Partnermensch brauche, um romantisch und sexuell fühlen zu können ... Das geht verloren!
Und leider ist tatsächlich nicht jeder Mensch bisexuell. Ich persönlich wäre es gern, aber für mich funktoiniert es einfach nicht. Weibliche Vibrations = Schwesternschaft, Schwesternliebe, aber nada Romantik oder Sex.
Wenn es jemandem da wie mir geht und dann entwickelt der Partner entsprechende Vibrations ... Schwierig. Das ist ein (ungewollter) Bruch des unausgesprochenen, nonverbalen Beziehungsvertrages, der darauf beruhte, als Frau heteroromantische Gefühle für einen Mann zu verspüren.
Schuld hat daran niemand. Aber es muss erlaubt sein, sich einzugestehen: Ich mag jemanden immer noch als Mensch, aber meine romantischen Gefühle sind tatsächlich auch ein Stück weit an das Mannsein eines Gegenübers gekoppelt.