Aber zurück zum Thema:
Wir sind ja auch schon sehr lange Swinger und kennen die Swingerszene noch aus den Zeiten, als man sich per Happy Weekend Kleinanzeige verabreden musste. Damals waren die Partys viel kleiner. Eine Runde mit 25-30 Gästen war schon fast riesig. Man traf sich heimlich, denn am Swingen hing noch eine nicht unerhebliche gesellschaftliche Ächtung. Wer also zu so einem Abend erschien, der hatte ein gehöriges Maß an Überwindung und Mut aufgebracht. Also trafen sich dort nur die, die es "ernst" meinten.
Dann wurden die Partys größer, die gesellschaftliche Verachtung für nicht standardkonforme Lebensmodelle kleiner und wir haben uns verwundert die Augen gerieben, wo plötzlich all die vielen Swinger herkommen.
Dann haben wir diese großen Partys besucht und festgestellt: Es sind gar keine neuen Swinger dazu gekommen. Meistens waren es wieder um die 20-30, die begeistert aktiv waren und dann gab es noch die "Zoobesucher", die mal den Duft der erotischen Wildnis schnuppern wollten.
Das soll jetzt bitte nicht als ein hinterher jammern der alten Zeiten verstanden werden. Wir möchten die alten Zustände auf keinen Fall wieder zurück.
Worauf wir hinauswollen, ist folgendes: Die Swingerszene hat einen harten Kern. Denen würde das Swingen auch nach 20 Jahren mit jedem Wochenende in irgendeinem Club nicht langweilig werden. Und dann gibt es eine große Fluktuation von Menschen, die in dieser Szene nicht zu Hause sind, aber gern einmal dort zu Gast sind.
Ich würde das mal mit einer Cosplay-Messe vergleichen. Die echten Cosplayer leben in ihrer Welt. Für sie ist das Thema Cosplay auch dann nicht vorbei, wenn sie gerade nicht auf einer Konvention sind und dann gibt es die Messegäste, die erscheinen, sich am bunten wilden Getümmel erfreuen und am Ende des Tages wieder in einen Alltag zurückgehen, der mit Cosplay nicht wirklich viele Berührungspunkte hat.
Warum wähle ich dieses Beispiel? Weil es mir so ging, dass ich zu Anfang von der Cosplayszene begeistert war und immer wieder die Veranstaltungen besucht habe.
Aber irgendwann waren es immer dieselben Charaktere, die dargestellt wurden. Es wurde eintönig. Die bunten grellen Farben war ich gewohnt, die krassen Kostüme lösten kein "Ah!" und "Oh!" mehr in meinem Inneren aus.
Dann habe ich mich mit einem Cosplayer unterhalten und gemerkt: Ihm ging es beim Cosplay um ganz andere Dinge als mir: Neue Techniken die Schaumstoff-Waffen noch realistischer und Haltbarer zu machen begeisterten ihn, neue Materialien sorgten für viel realistischer aussehendes schweres Leder und neue japanische Webseiten erlaubten die Originalzeichnungen der Kostüme noch viel detaillierter zu untersuchen.
Da habe ich für mich gemerkt, dass ich an einem Scheideweg stand:
Entweder ich bleibe weiter auf der Ebene des begeisterten, aber schon desillusionierten Betrachters der Kostüme oder ich steige ein in die tieferen Ebenen der Materie und beschäftige mich Dingen, die der oberflächliche Betrachter in diesem Hobby niemals vermuten würde. Ich habe mich für ersteres entschieden und inzwischen ist es schon mehrere Jahre her, dass ich das letzte mal eine Cosplay-Messe besucht habe.
Beim Swingen sind wir gemeinsam den anderen Weg gegangen. Wir besuchen nicht mehr immer gleiche Partys, obwohl wir noch immer zu denselben Events gehen. Wir haben die Ebene der Party verlassen. Uns interessieren Feinheiten, die andere vielleicht nicht einmal bemerken. Wir beschäftigen uns mit den Menschen, die dort erscheinen. Die sind jedes Mal individuell, einmalig und auf keinen Fall austauschbar. Die Bandbreite dessen, was wir dort erleben, wo nicht nur die Kleidung, sondern auch so manche Schale gesellschaftlicher Norm und Konvention abgelegt wird, ist so interessant, dass es uns wohl nie langweilig werden wird, selbst wenn der DJ das gleiche Lied zum 20. mal spielt.
Im Fazit: dieses Gefühl der Übersättigung ist vielleicht ein Zeichen, dass eine Entscheidung im Raum steht. Tiefer gehen oder dort bleiben, wo man ist und dieses "Hobby" langsam zu einer schönen Erinnerung verblassen zu lassen.
P.S. Leider notwendige Ergänzung: Wir unterscheiden nicht in "ECHTE" und unechte Swinger. Niemand auf einer Party ist mehr oder weniger wert. Jeder einzelne erscheint zu einem Swingerabend mit einem Mindset an Wünschen und Vorstellungen. Die müssen prinzipiell nicht kompatibel zu den anderen Gästen sein, aber daran ist nichts Schlimmes. Schön wird ein Abend immer dann, wenn sich möglichst viele der Idee und Vorstellungen in Realität verwandeln - und das wünschen wir Euch allen, die ihr das hier lest.