Es gab Zeiten, da traf man sich nicht im Kino, in der Kneipe oder im Café. Nein, man ging schlicht und einfach spazieren. Einfach nur spazieren. Seite an Seite - vielleicht berührten sich die Hände kurz, ganz zufällig, aber genau dieses "zufällig" jagte einem schon ein Kribbeln den Rücken hinunter. Der Klang der gemeinsamen Schritte auf dem Kiesweg, das leise Rascheln der Blätter, der Wind, der ihr Haar sanft bewegte – all das sagte mehr als tausend Nachrichten in irgendeinem Messenger. Es war eine leise Art des Kennenlernens, eine, bei der man sich Zeit ließ und die Blicke viel mehr sprachen als tausend Worte.
Damals war das Kennenlernen etwas, das mit allen Sinnen geschah. Man sah sich in die Augen, man hörte die Stimme des anderen, nahm seinen Geruch wahr, fühlte vielleicht die leichte Berührung seiner Haut. Der Spaziergang – das war die Bühne, auf der sich das Drama der ersten Annäherung abspielte. Und wie aufregend das war! Jeder Schritt, jede Pause, in der man vielleicht einen Moment verweilte, in dem alles möglich schien. Da war diese knisternde Spannung in der Luft, das Spiel von Nähe und Distanz.
Heute? Heute swipe ich links und rechts, auf der Suche nach etwas, das vielleicht schon beim nächsten Wischen wieder vergessen ist. Ein Blick auf das Profilbild, ein schneller Scan der wenigen Zeilen Profiltext / Beschreibung, und dann die Entscheidung – ganz bequem mit dem Daumen. Oberflächlichkeit hat das Ruder übernommen. Alles scheint irgendwie austauschbar, austauschbarer als je zuvor. Dating-Portale und soziale Netzwerke haben das Kommando längst übernommen, und mit einem Wisch entscheidet man über das Potenzial eines Menschen. Ein kurzer Klick und schon ist der Kontakt hergestellt. Aber was für ein Kontakt ist das? Meistens anonym und sicher, eingebettet in die Komfortzone des eigenen Zuhauses.
Damals war alles anders. Draußen sein bedeutete, sich wirklich zu begegnen. Man ging spazieren, weil das die einfachste und natürlichste Möglichkeit war, mit dem anderen allein zu sein.
Kein Chat, keine Emojis – nein - nur zwei Menschen, die den Moment teilten. Man hatte keine tausend Nachrichten vorher hin und her geschickt, man kannte vielleicht nicht einmal die Stimme des anderen – aber das machte es so spannend, so echt. Es gab keine perfekte Sicherheit, das stimmt. Man wusste nie genau, was einen erwartete, aber gerade das machte den Reiz aus.
Die Unbeschwertheit dieser Zeiten machte vieles einfacher. Man musste sich weniger Sorgen machen, man folgte seinen Instinkten.
Ja, die Instinkte – diese leisen, tiefen Stimmen in uns, die uns sagten, ob wir uns wohlfühlen, ob der andere uns gefällt. Und genau diesen Instinkten konnte man früher besser vertrauen, als es heute der Fall ist. Ohne die ständige Ablenkung durch Bildschirme und Apps war es einfacher, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: auf den Menschen, der neben einem ging. Die Erwartungen, die Hoffnungen, die Sehnsüchte – sie alle waren da, aber sie waren viel natürlicher, viel greifbarer.
Manchmal, wenn ich mich an diese Zeiten erinnere, wünsche ich mir, dass wir ein wenig von dieser Einfachheit zurückbekommen könnten. Dass wir uns wieder mehr trauen würden, uns wirklich zu begegnen – in der echten Welt, ohne Filter, ohne Swipes. Einfach nur wir selbst, auf einem Spaziergang, ganz unbeschwert und voller Vorfreude auf das, was kommen könnte.