Szenenwechsel:
Wir befinden uns in einem Supermarkt. Mittagszeit, es sind recht wenige Kunden im Laden.
Was auffällt: Vergleichsweise viel Personal stromert geschäftig durch die Gänge, aber vor allem findet man zahlreiche Mitarbeitergrüppchen, die sich in gedämpftem Ton unterhalten. Die Stimmung ist im Keller, hier stimmt irgendwas nicht.
Okay, heben wir uns diesen Eindruck auf für später... tätigen unseren Einkauf und steuern den Kassenbereich an.
Wir sind beim Einkaufen, nicht im Blitzkrieg, deswegen haben wir es auch nicht ZU eilig, lassen eben noch jemanden vor, der nur einen kleinen Warenberg erstehen will.
Wir stehen in der Kassenschlange, warten, schiebenuns weiter, warten. Warten noch ein bisschen länger: es geht heute ein wenig schleppend voran. Nur in gemäßigtem Tempo piepen die Scanner an allen geöffneten Kassen. Auch das kommt vor - Probleme mit dem Strichcode oder Auszubildende... wer weiß!
Wir schaufeln also unsere Einkäufe aufs Band, da trifft unser Blick auf den der Kassiererin... die Frau ist fix und fertig: verquollene Augen, das Weinen mühsam zurückgehalten, erschöpft und verzweifelt wirkt sie. Und fällt die Grundstimmung wieder ein, die wir vorhin schon bemerkt haben.
Wir hören hin und erfahren, dass es einen Todesfall im Kreis der Mitarbeiter gab: eine junge Frau verstarb plötzlich und unerwartet.
Uns stockt der Atem, wir fühlen mit, nehmen Anteil, zeigen Verständnis, finden persönliche Worte. Empathie in ihrer für uns natürlichen Form.
Aber wir haben wohl nicht bedacht, wie arg der Kunde hinter uns unter Zeitdruck steht, weil er zu seinem Meeting will oder die Parkuhr abläuft oder er vielleicht auch nur Nikotinentzug verspürt. So können wir natürlich verstehen, dass er barsch und harsch die Situation mit einer Handbewegung wegwischt. Darum drängt, dass es doch schneller gehen muss. Weil er keine Zeit hat. Drängt mit Worten und mit Gesten, die Kunden um ihn und das Personal finden kaum Worte. Uns ist klar, dass er in seiner Lage kein Mitgefühl hat. Habenkann. Haben darf.
Weil schließlich die Leistung zählt. Die Stärke. Hart und kalt musst du sein, eilen und hetzen musst du, schaffen schaffen schaffen. Lass dich bloß nicht auf Schwäche oder Müßiggang ein.
Zeit für Scheuklappen. Für emotionale Blindheit, für Rohheit, für egozentrische, verkopfte Verbissenheit. Für impulsive, rücksichtslose, beschränkte Entgleisung.
Während uns fassungslos der Atem stockt, wenden wir unsere Aufmerksamkeit wieder der Kassiererin zu. Und nehmen sie mit unserem Blick, mit einem leichten Lächeln, mit einem tiefen Stimmton symbolisch in den Arm.
Und treten vor dem Verlassen der Kassenzone dem Idioten mit einem giftig-bösen Blicksymbolisch, aber kräftig in den Arsch!