Im Grunde ist das, was du da beschreibst ja eine Entwicklung, die auf mehr Aufklärung und Emanzipation beruht. Das Internet hat sicherlich nicht unwesentlich zu dieser Entwicklung beigetragen, je nach Sozialisation konnte man aber schon immer, auch lange vor der aktuellen Bewegung, ein entsprechendes Mindset haben. Die Hippies haben zB. schon in den 60ern freie Liebe gelebt.
So ist vieles an Ideen, auf die du dich hier beziehst (Gleichstellung, sexuelle und allgemeine persönliche Freiheit, Inklusion), in den sozialpolitisch angehauchten Jugend-Szenen schon länger präsent, mittlerweile aber eben auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Ein anderes Beispiel wären zB. Tierrechte. In der Hardcore-Szene ist beispielsweise Veganismus seit den 90ern omnipräsent, mit Bands die sich teilweise ausschließlich mit dem Thema beschäftigten. Meinem Empfinden nach ist das auch etwas, das erst seit ein paar Jahren auch im Mainstream wirklich angekommen ist.
Ja, die Welt wird diverser, offener, man kann sich besser und schneller informieren, man kann den Stuß eines jeden in sekundenschnelle Fakt-checken, das alles führt eben zu genannter Aufklärung und Emanzipation, die für viele auch den Schrecken vor dem andersartigen nimmt und für mehr Verständnis und Toleranz sorgt, bzw. sorgen kann. „Kann“, weil sich mittlerweile auch wieder etwas in die entgegengesetzte Richtung verschiebt.
Wir stehen am Anfang des Informationskriegszeitalters, das Internet ist nämlich leider auch ein gutes Tool für Populisten um Desinformation zu verbreiten, womit sie die von Krisen gebeutelten frustrierten Menschen, die dafür empfänglich sind, wie Rattenfänger unter sich versammeln. Der aktuelle Rechtsruck, in den Staaten wie bei uns in Europa, hat eben auch genau diese Diversität und Offenheit zum Feindbild erklärt und möchte das Bild der klassischen Rollenbilder wieder als das „einzig akzeptable“ forcieren. Dort kann man also eine Radikalisierung in die genau entgegengesetzte Richtung beobachten.
Aus meiner persönlichen Sicht heraus kann ich sagen, dass die Wahrnehmung zu diesem Thema eben auch viel mit den Bubbles zu tun hat, in denen man sich bewegt. Wenn ich nur mein Joy-Umfeld betrachte, könnte man meinen, dass wir als Gesellschaft die nächste Evolutionsstufe erreicht haben, auf der Arbeit sehe ich aber zB. keine große Veränderung. Insgesamt sind alle vielleicht tendenziell ein bisschen lockerer, dort sind veraltete Rollenbilder und Sexismus aber zB. immer noch Status Quo.
Ich gehe offen mit allem um, was ich so treibe, die Leute hören gespannt zu, niemand würde sich aber je auf die von mir besuchten Veranstaltungen trauen, entweder aus Scham, aus einer Homo- und/oder Transphobie heraus, oder weil ich aktiv davon abrate, weil sich die Vorstellungen der doch interessierten eben nicht mit dem gewünschten Mindset in so einem Safe Space decken („geil, da kann ich glotzen und alles wegficken, die sind ja alle willig und Frauen sowieso nur Sexobjekte“). Würde übrigens eine Frau diese Storys auf der Arbeit erzählen, wäre sie sofort eine Schlampe und „leicht zu haben“.
Unabhängig davon, waren selbstbewusste und reflektierte Menschen, ob Mann/Frau/divers, die so leben, wie sie es möchten, und nicht so wie andere es ihnen vorschreiben, in Bezug auf meinen „inneren Kreis“ schon immer alternativlos. Ich feiere jeden, der sich traut seine Vorstellungen über das eigene Leben, trotz Gegenwind, so umzusetzen und zu manifestieren, wie es ihnen gefällt, auch wenn nicht immer alles auch etwas für mich persönlich ist.