Ok, es ist im Frauenforum gestellt, aber nicht ausdrücklich ausschließlich an Frauen gerichtet. Daher erlaube ich mir mal, weil es so ein spannendes Thema ist, meine Sicht zu beschreiben. Da es mal wieder so extrem lang geworden ist, verspreche ich auch, dass ich ich mich sonst nicht mehr äußere wenn ich nicht direkt angesprochen werde. Gut?
Von der Jäger und Sammler Zeit 12.000 BC (ich weiß, stay with me!) bis in die 70er!, sind die Männer, die vermeintlich dieses Patriarchat erfunden haben sollen, fast ausschließlich von Frauen aufgezogen wurden. Mit nichten wurden diese Strukturen den Frauen aufgezwungen. Sie haben sie aktiv, im eigenen Interesse, mitgestaltet. Damals! (Noch da?)
Heute leben wir ja in vergleichbar sicheren Zeiten. Selten werden wir heute von wilden Tieren oder marodierenden Banden bedroht und haben Maschinen die schwere Arbeit verrichten. Das war ja nicht immer so.
Warum damals der Mann überhaupt an Bedeutung gewann, lag an zwei Faktoren:
1. Wir sind durchschnittlich körperlich stärker.
2. Wir sind als Individuum, hat man erst mal unser Sperma, absolut entbehrlich.
Weil wir stärker sind und nicht alle 9 Monate für mehrere Monate schutzbedürftig, (Letzte Wochen der Schwangerschaft+Stillzeit) kamen uns bestimmte Aufgaben zu. Verteidigung hauptsächlich.
Ernährung war schon immer, Aufgabe beider Geschlechter.
Wir sind entbehrlich, weil wir keine Multiplikatoren sind.
Darum auch, "Frauen und Kinder zuerst!"und "Männer an die Front!"
Wenn die Frauen sterben, ist der Fortbestand der Gruppe/Stamm/Gemeinde/Menschheit bedroht.
Es braucht einfach nicht viele Männer, um viele Frauen schwanger zu halten. Aber eine Vielzahl an Männer machen wenige Frauen nicht produktiver. Mehr als 1 bis 2 Nachkommen, alle 9 Monate, ist pro Frau einfach nicht drin, egal wie viel Sperma wir ihr geben können.
Diese Schutzbedürftigkeit erzeugte eine Notwendigkeit, die Männer zu motivieren sich aufzuopfern. Was ist da besser geeignet als die existierenden oder potenziellen eigenen genetischen Nachkommen?!
Das führte dazu, dass die männliche Erblinie überhaupt an Bedeutung gewinnen konnte, obwohl sie für den Fortbestand der Gruppe biologisch absolut unbedeutend war und immer noch ist (mal von inzestuösen Überlegungen abgesehen).
Um ihm jedoch zu vergewissern, dass er da SEINE Brut, und nicht bloß die eines anderen verteidigt, war es nötig, etwaige Fremdkopulation zumindest heimlich zu erledigen.
Die Bindung eines Mannes an eine Frau durch scheinbare "Treue" war ihre EIGENE Überlebensstrategie. Sie brauchte jemanden, auf den sie zählen konnte, sich dem Bären oder Fremden entgegen zu stellen und, wenn nötig, dabei zu sterben während sie mit dickem Bauch, Säugling auf dem Arm und Kleinkind am Bein auf Schutz angewiesen war.
Auch wenn das alles archaisch anmutet, wirkt es heute noch in unsere Zeit.
Mädchen werden angehalten mit Puppen zu "trainieren" und den Jungs werden Waffen und Gewalt aufgedrückt.
Ich habe zwei Jungs und als der erste ca. 2 war, war er von Glitzer und süßen, lieben Tieren fasziniert wie jedes Kind in dem Alter.
Allerdings fiel es mir wie Schuppen von den Augen, als ich versucht habe passendes Spielzeug zu finden. "Jungsspielzeuge" (anderes durfte er sowieso nicht anfassen ohne Kommentare von wildfremden!!! Personen im Laden
) hatten nur ein übergreifendes Thema : "Lebensgefahr"
Ob Starwars-Krieger, Superheld, Rennfahrer, Polizist, Feuerwehrmann, Cowboy oder Pirat, immer ging es um die Gefahr am eigenen Leib und Leben, Aufopferung und körperliche Gewalt. Ich fand das eine erschreckende Erkenntnis.
Obwohl ich ihm so gerne noch die friedliche Zeit gönnen wollte, hat sich spätestens im Kindergarten die weniger bewusste Gesellschaft auf ihn geworfen. Selbst im spielzeuglosen Waldkindergarten haben seine Altersgenossen Stöcke und Steine nur noch als Gewehre, Laserschwerte und Granaten interpretieren können.
Mein Unwillen ihm männliche Gewaltvorbilder zu kredenzen (Starwars o.ä. gabs bei uns bis dato einfach nicht, Statt dessen Pettersson und Findus und Peter Lustig) hat ihn da kurzzeitig zum Außenseiter in den Jungsgruppen gemacht.
Er kochte noch lange mit den Mädchen und liebte es den Tisch zu schmücken weil ihm "Piu,Piu, aahrg, ha, du bist tot!" einfach nichts sagte.
Aber die Gesellschaft, das Patriarchat, hat sich schnell seiner bemächtigt und versuchte ihn "zum Mann" zu machen. Ich empfand das geradezu Eckelhaft und mißbräuchlich. Er war doch noch so zart und unschuldig im Wesen. Und für mein dafürhalten Mann genug.
Während seine weiblichen Spielkameraden noch lange in liebevollen Glitzerwelten und mit Pferden spielen durften, wurde er quasi "an die Front" geschickt. Ich bin da heute noch Sauer.
Das ließ mich auch meine eigene Kindheit und meine Geschlechtsvorbilder hinterfrage.
Die medialen männlichen Vorbilder, die die Gesellschaft mir offerierte, waren entweder wild schießende Cowboys und Indianer (Western von Gestern, Winnetou hatte auch immer ein Gewehr) oder alles mit Gewalt lösende Haudrauf-Typen (Bud Spencer, Asterix und Obelix oder James Bond).
Weil ich mich nun mal männlich identifizierte, habe ich das angenommen und habe auch diese Phantasie des unsterblichen, starken, sich aufopfernden Helden gerne gespielt. Es vermittelte einem eine gewisse Freiheit von Angst, das fühlte sich gut an. Aber auch In Ermangelung anderer Angebote. Ich mochte auch Meister Eder und Peter Lustig, aber das war schon die Spitze an fürsorglichen Mannsbilder die es für mich damals gab.
Abweichungen von der vom Patriarchat mir zugedachten Rolle, Angst, Traurigkeit, Verletzlichkeit und zärtliche Liebe, werden, teilweise bis heute, als unmännlich deklariert. Weil diese Eigenschaften im Verteidigungsfall eben damals hinderlich waren.
Fürsorge ist heute leider noch "Frauensache". Gewaltanwendung und Lebens gefährdendes Verhalten ist während der Stillzeit und Kindsfürsorge eben auch hinderlich.
Die vermeindliche "Notwendigkeit" der weiblichen Treue, führt dazu, die Sexualität der Frau kontrollieren zu wollen als sie nicht mehr ohnehin seit ihrem 14. Lebensjahr Dauerschwanger war. Mit Scham meistens(Siehe Slut-shaming und die "unbefleckte" Empfängnis). Aber auch mit Einschränkungen der Freiheit (physisch sowie finanziell) und natürlich der Bindung ans Haus. Allzu selbstständige und sozial aktive Frauen bilden ja eine Gefahr in diesem veralteten Konstrukt. Ich glaube das ist der Quell vieler Misogyny.
Das das Patriachat eine rein männliche Erfindung wäre und nur dem Mann zugute kam,kann ich darum nicht Nachvollziehen.
Zu groß sind darin die Gefahren, Opfer und Nachteile, die Männern zugemutet werden.
Es scheint heute nur so einseitig bevorteilend weil sich inzwischen unsere Werte verändert haben.
An Stelle von "Sicherheit" als höchstem Gut, ist in unserer heutigen Welt "Freiheit" getreten. "Sicher" waren die ach so freien Männer nie.
Aber da sind die Frauen im Patriachat heute eindeutig im Nachteil! Das zieht sich durch alles. Ob physisch hemmende Kleidung, wie Absätze und enge Röcke, oder sozial hemmende wie die Burka. Entfaltungsfreiheiten wie höhere Schulbildung, freie Berufswahl und eigenes Konto, sind ja erschreckender Weise erst Errungenschaften der letzten Dekaden.
Das Gleichberechtigungsgesetz gibt es erst seit 65 Jahre. Noch bis 1977 durfte eine Frau in Westdeutschland nur dann berufstätig sein, wenn das „mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar war". (Da war ich schon in der Schule!!!) Erst seit 1994 müssen Stellenausschreibungen auch an Frauen gerichtet werden. (Da habe ich schon studiert!!!)
Ist ja alles quasi noch "Neuland"(um unsere erste und bis heute einzige Bundeskanzlerin zu zitieren) gemessen an gesellschaftlicher Agilität zumindest.
Das alles soll erklären wie es dazu kam, wie das Patriachat von beiden Geschlechter entwickelt wurde. Aber es ist hoffnungsloß veraltet und nicht mehr Zeitgemäß. Es wird auf jeden Fall Zeit es einzureißen.
Die männliche Befreiung aus den Patriachart hat mir als Mann das Erlebnis beschert, dass ich meine Kinder aufziehen durfte, 90% der Windel wechseln und eine tiefe Bindung zu meinen Kinder zu entwickeln. Wie es eben nur geht wenn man die Zeit hat auch in den prägenden Jahren anwesend zu sein.
Meine Frau war Angestellt und ich konnte von zuhause, weil selbstständiger Industriedesigner, arbeiten, ohne dem Druck Alleinverdiener zu sein. Das ist für mich derart erfüllend gewesen und wirkt bis heute im Verhältnis zu meinen Kindern nach, dass ich das jedem Mann wünsche in seinem Leben haben zu dürfen. Nein, ich weine dem Patriarchat keine Träne nach.
Als Kind einer alternativ denkenden, feministisch angehauchten und alleinerziehenden Mutter der frühen 70er Jahre, habe ich auch eher Misandrie als Misogynie internalisiert.
"Der Mann" war immer der "Täter", der für die Unfreiheit der Frau verantwortlich gemachte, der sexuell Übergriffige Schwerenöter. Mein Männerbild konnte ich erst viel später mit Adjektiven wie "liebevoll" und "fürsorglich" wieder aufbauen. Noch heute denke ich spontan, wenn ich frauenfeindliche Anekdoten höre "Typisch!" Dabei würde ich lieber denken "Ach echt? Krass!"