„Will man Gleichberechtigung, muss Patriarchat und Feminismus überwunden werden. Beides steht dann im Weg.
Will man eine von der gesellschaftlichen Breite anerkannte allgemeine Gleichberechtigung, bedarf es auch einer Gleichverpflichtung. Menschen, die per se weniger Risiken eingehen wollen oder nicht anerkennen möchten, dass gewisse Handlungen oder Nicht-Handlungen Konsequenzen haben (müssen), werden von anderen, die hingegen affirmativ dazu stehen, eben nicht als ebenbürtig und gleichberechtigt oder gar satisfaktionsfähig erachtet. Wenn Max Mustermann die Gruppenarbeit fast alleine erledigt, hält er in der Regel überhaupt nichts davon, dass die anderen Gruppenmitglieder bezüglich seiner hervorragenden Bewertung gleichberechtigt sein sollten, ihnen also dieselbe Note zustehe.
Wenn in der Vergangenheit Rechte an Personen vergeben bzw. diese ihnen eingeräumt wurden, dann geschah das in der Regel nur mit gleichzeitiger Übernahme von Pflichten. Um es besonders bildlich darzustellen: der Lehnsherr, der dem Lehnsmann Land, Titel und gewisse Gewalten überreicht, von diesem aber zugleich verlangt, dass er das Land bestellt, Buch führt, für die dort lebenden Menschen sorgt und auch bereit ist, diese mit dem Schwert zu verteidigen, selbst wenn es das eigene Leben kostet.
Die ganze Diskussion bezüglich Gleichberechtigung verläuft im Sande, weil wir Rechte von Pflichten losgelöst haben, diese schon qua bloßem Menschsein dem individuellen Menschen zustehen.
Diese tatsächliche Loskoppelung der Rechte von jeglicher Leistung führt aber dazu, dass viele Menschen, die glauben, etwas Bestimmtes zu leisten, niemals anerkennen werden, dass Anderen, die diese Leistung nicht erbringen, dieselben Privilegien zustehen sollten.
Um es mal wieder bildlich darzustellen: Politische Privilegien waren in der Vergangenheit oft an beispielsweise Land oder Leistung gebunden. Wer im antiken Rom dem Militärdienst ferngeblieben ist und sein Leben nicht riskiert hat, der wird in der Regel auch keine politische Karriere gemacht haben.
Und dann frage ich ganz provokant und sexistisch, um den Gedankengang zu verdeutlichen: im Jahr 2024 sind Frauen in der BRD im militärischen Ausnahmezustand vom verpflichteten Militärdienst ausgenommen. Wieso sollten sie also dieselben politischen Privilegien haben, wenn sie die Konsequenzen für politische (Krieg ist nur die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln) Entscheidungen nicht vollumfänglich mittragen müssen? Wieso sollten Männern nicht privilegiert sein, wenn sie die Suppe mit dem eigenen Leben auslöffeln müssen und somit deutlich mehr riskieren, deutlich gefährdeter sind?
Oder andersrum: Frauen sind es, die schwanger werden und die Kinder austragen, mit jeglichen Konsequenzen. Weshalb sollte Männern ein Mitspracherecht oder eine Diskussionsfähigkeit jeglicher Art diesbezüglich zustehen?
Wie man an diesen bekannten Beispielen aus gewissen politischen "Szenen" erkennt, geht es immer darum, dem Anderen ein bestimmtes Recht aufgrund mangelnder gleichzeitiger Gegenverpflichtung abzusprechen. Man sieht sich in gewisser Weise privilegiert, und will es auch bleiben.
Ich denke deshalb, dass absolute Gleichberechtigung eine Utopie bleibt, weil sie eine politische Entscheidung voraussetzt, bei der der situativ Mächtige und Handelnde (der Mann, der Soldat werden kann; die werdende Mutter etc. etc. ) bewusst auf seine eigenen Privilegien verzichten müsste. Er ist ja aber in der Situation gerade der Mächtige und Handelnde, weil er gewisse Privilegien für sich in Anspruch nimmt und situativ gegen den Anderen durchsetzt, die Anerkennung ihrer Geltung verlangen kann.
"Das Patriarchat" wird sich genauso wenig wie "der Feminismus" bestrebt zeigen, endgültige und allgemeine Gleichberechtigung zu erlangen, weil dies zugleich bedeutet, niemals gegenüber dem Anderen geltend zu machen, dass man aufgrund gewisser Leistungen auch gewisse Privilegien habe, die man einfordern könne.
Und das ist dann doch sehr abwegig. Denn der Mensch als Individuum und gruppenbezogenes Wesen will auch immer etwas Besonderes sein, und diese Besonderheit auch privilegiert wissen.