Ich lese immer wieder die Frage nach dem "Warum will die Frau des TE keinen Sex?"
Ich denke, ein Nein muss nicht begründet werden. Wenn sie nicht will, dann will sie nicht. Dieses Nein ist eine Entscheidung gefolgt von einer Tat bzw. hier eher Nicht-Tat.
Wenn jemand diese Frage stellen darf, dann nur die Dame selbst. Relevant wird die Frage nur dann, wenn sie etwas verändern will. Konkreter: sie muss schon einen neuen bzw. anderen Zugang zu ihrer eigenen Sexualität finden wollen.
Die Frage nach dem Warum impliziert zwangsläufig, dass sie sich mit sich selbst auseinandersetzen muss. Die Auseinandersetzung ist schnell vorbei, wenn es Schmerzen beim Sex gibt, die sich nicht behandeln lassen, wenn es hormonelle oder andere körperlichen Gründe gibt. Die Auseinandersetzung ist auch rasch vorbei, wenn der Partner jede sexuelle Attraktivität für sie verloren hat.
Die Auseinandersetzung wird allerdings heftig, wenn sie feststellt, dass sie irgendwelche psychischen Blockaden hat. Thematisiert wurde ja schon ein möglicherweise religiöser oder sexuell konservativer Hintergrund. Merkwürdige niemals hinterfragte Überzeugungen dazu, was man im Bett tut oder gar tun muss oder eigentlich nur über sich ergehen lässt (Pflichtsex oder das, was man bei David Schnarchs Büchern als "Gnadensex" findet) gibt es viele. Sich z.B. einzugestehen, dass man genauso verklemmt wie die eigenen Eltern ist, muss man erst einmal bringen.
Die Auseinandersetzung kann auch heftig werden, wenn sie feststellt, dass das, was ihr "abverlangt" wird, nichts mit der eigenen Sexualität zu tun hat. Mir hat mal eine Frau den Begriff "outercourse" beigebracht, der Partner will aber immer nur penetrieren. Oder sich einzugestehen, dass sie z.B. BDSM-Fantasien hat. Erst einmal für sich selbst festzustellen, was man überhaupt will und das dann auch noch klar auszusprechen und im nächsten Schritt zu leben erfordert u.U. sehr viel Mut.
An erster Stelle steht allerdings immer das Wollen. Wenn sie zufrieden ist mit der sexlosen Situation und nichts ändern will, wird sich auch nichts ändern - bis der TE etwas ändert.
Ich lese auch viel Pessimismus zur Frage des Öffnens der Ehe.
Ich kenne mehrere Paare bei denen die Initiative zur Öffnung nicht von dem Partner kam, der sexuell aktiv(er) sein wollte, sondern von dem, der keinen Sex mehr wollte. In Situationen wie dieser müssen manchmal Gedanken gedacht werden, die die Partner vorher noch nie gedacht haben. Womöglich kam die Frau des TE bislang nur noch nicht auf die Idee, diese "lästige Pflicht" auszulagern.
Die Prognose, dass die Partnerin eine vom TE vorgeschlagene Öffnung abschlägig beantworten wird, halte ich für wenig relevant. Sie kann vom TE nicht verlangen, mit einer Nonne mit Keuschheitsgelübte verheiratet zu sein. Im Forum wurde auch von einer Art stillschweigendem Vertrag gesprochen. Jeder Vertrag, der das Intimleben berühren würde, wäre sittenwidrig. Sex in der Ehe kann niemand einklagen, Enthaltsamkeit des Partners außerhalb der Ehe auch nicht. Und (un-) moralisch ist immer nur das, was die Leute, die davon reden, dafür halten.
Die Möglichkeiten, die der TE hat, seine Situation zu ändern, sind limitiert. Sie sind allerdings nicht auf das "entweder du lieferst oder ich hole es mir anderswo" limitiert. Das mag am Ende stehen, steht aber nicht am Anfang der Möglichkeiten. Wer will auch schon ein "Liefern" im Sinne von Pflichtsex? Sie hält hin, lässt "es" über sich ergehen, sie ist lustlos dabei. Ich kenne Fälle, bei denen ein Partner den Akt abgebrochen hat. Ich formuliere es gerne so: Ich will nicht mit einem Stein schlafen.
Aus meiner Sicht ist die erste Aussage, die der TE machen muss (und hier im Forum auch schon gemacht hat): "So will ich nicht weiter leben. Ich werde etwas verändern."
Eine erste Veränderung kann sein, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, was hier ja auch schon mehrmals angesprochen wurde. Ein valides "Ultimatum" kann dabei sein: "Ich komme mit der Situation nicht mehr klar. Ich werde jetzt einen Sexual- und Paartherapeuten besuchen. Willst du das mit mir tun?" Auch hier gilt, dass sie ja oder nein sagen kann und das Nein muss sie nicht begründen. Sie kann aber dem TE nicht den Besuch beim Psychologen verbieten. Zum Paartherapeuten kann man auch alleine gehen.
Vielleicht kommt die Frage der Öffnung tatsächlich einseitig vom TE auf den Tisch. Seine Frau hat kein Recht und auch keine Möglichkeit über seine Bedürfnisse zu bestimmen. Insofern will ich an Stelle des TE fremdgehen tatsächlich verneinen sondern stattdessen offen kommunizieren: "Ich kann meine Sexualität nicht mit dir leben. Also werde ich sie anderswo leben. Und ja, diese Frau wird mich auch hier zuhause anrufen um das nächste Date zu vereinbaren." Jeder kann seinem Partner auch etwas zumuten. Ich würde das in dem Wissen tun, dass ich nun auch mit dem leben muss, was meine Frau verändern wird.
Jeder Mensch muss mit den Konsequenzen seiner Handlungen und Entscheidungen leben. Wir müssen mit dem leben, was wir tun und mit dem, was uns angetan wird. Tun bedeutet dabei aktives Handeln oder aktives Unterlassen. Ein aktives Unterlassen der Partnerin kann sein, nicht auf die Bedürfnisse des Partners einzugehen und nicht an einer Lösung aktiv mitzuwirken, z.B., indem sie ihn alleine zum Psychologen gehen lässt (=Ok, du hast ein Problem, nicht ich, ich wirke nicht mit und lebe dann mit den Konsequenzen; nicht aber: du hast ein Problem nicht ich, ich wirke nicht mit und du lässt die Dinge, wie sie sind, weil ich nicht mit den Konsequenzen leben will). Eine der Konsequenzen kann sein, dass er sagt: "Du hast nicht über meine Sexualität zu bestimmen. Ich lebe sie jetzt ohne dich." Mal Klartext: Wäre er Schachspieler, sie aber nicht, wird er einmal oder zweimal die Woche in einen Schachverein gehen und seine Leidenschaft ohne sie leben. Wo ist der Unterschied? Sie interessiert sich nicht dafür, er verbringt die Zeit mit anderen Leuten.
Er verändert etwas, er muss mit den Konsequenzen leben. Es kann sein, dass sie die Scheidung einreicht, sei es nun wegen einer anderen Frau oder eines Schachvereins.