Schreiber / Kopist / Ritzer - jemand, der während einer friedlichen Periode im frühen Mesopotamien tägliche Einnahmen und Ausgaben in Tontafeln ritzt oder kratzt. was genau aufgeschrieben werden musste, ist eigentlich zweitrangig.
wobei es für mich von besonderem Interesse wäre, mit dem Wissen und den Fragen von heute, mehr von den Quellen zu erfahren, aus denen sich die ältesten uns heute bekannten Literaturen speisen. wie beispielsweise der Gilgamesch-Epos, die Geschichte der sumerischen Flut (das Herkommen der Flutgeschichte wäre mitunter am Faszinierendsten, weil sich darüber Anhaltspunkte fürs Gemeinsame früher Menschheitskulturen ergeben müssten, die auf das Verbindende verweist. ungeachtet aller Unterschiede. Wenn ich mich richtig erinnere, kennen fast alle frühen Kulturen eigenständige Sagen und Mythen von Flutkatastrophen.)
aus welchen erzählten Geschichten und verschriftlichten Anekdoten die ältesten (bekannten) Literaturen entstanden.
wer überhaupt auf die idee kam, Geschichten nicht mehr nur mündlich wiederzugeben, vielleicht nach erfolgreicher Jagd, als Ansprache der ums Feuer gelagerten Jagdgemeinschaft. zum Zeitvertreib, als Motivation oder aus reiner Fabulierlust. Sondern sie aufzuschreiben, um Geschichten zu erhalten. Damit später einmal Menschen davon erfahren, die zur Zeit des Aufschreibens dem Schreiber selbst unbekannt sind. Ein Impuls mit selbstlosen Zügen, in meinen Augen ein faszinierendes Rätsel.
Schreibwerkzeuge und -Stil der alten Völker des Zweistromlandes zum Beispiel eigneten sich eher zur Dokumentation, zum Zählen und so was. Scharfkantige Griffel hinterließen eckige Zeichen im weichen Lehm. erinnert eher an Darstellungen anderer Völker, die Informationen von herausragender Wichtigkeit in Felsen oder an Tempelwände meißelten, als an so was wie unsere Schreibschrift, deren optische Anmutung bereits an ineinander verwobene Worte, Sätze und Seiten denken lässt.
was waren das für Gedanken und Gefühle, die einzelne Schreiberinnen oder Schreiber das erste Mal dazu brachten, die Fähigkeit schriftlicher Dokumentation für eine der damals sicherlich überwältigenden Stories zu nutzen.
Stories, voller magischer Sprechakte und geheimnisvoller Stätten, mit Spannungselementen, den großen Fragen der Ewigkeit und den vielen kleinen menschlichen Alltags. Getragen von exotischen Beschreibungen und einzelnen Figuren, die so was wie Identifikation ermöglichten. Sie waren zwar unterhaltsam, gingen aber über Unterhaltung hinaus. Befriedigten komplexere Bedürfnisse, die uns noch immer und immer wieder neue Fragen aufgeben.
letztlich führten uns solche Entwicklungen zu diesem seltsamsten aller Orte - der Wirklichket. Eine Realität, die sich als Mischung aus subjektiven Eindrücken und überprüfbarer Objektivität zeigt, als unerschöpflicher Ort zwischen Fiktionen und Virtualitäten, so rätselhaft und geheimnisvoll, dessen magisches Denken sich als Rationalität behauptet, um den Nachforschern die Lust am Nachforschen zu nehmen.
Irgendwann wurden alle uns bekannten Geschichten das erste Mal erzählt. Ich wäre gern einmal dabei gewesen und hätte erlebt, wie Erzähler und Publikum gemeinsam im Erlebnis aufgehen und mitgerissen werden.
in den Erzählungen von Menschen und Göttern, Zwitterwesen und Übernatürlichen. Katastrophen. Heldenreisen. Und die Liebe, natürlich. mitsamt ihren Lüste und Trieben, Leidenschaften und Sehnsüchten.
Liebe, die jeden bewegt und alle äußeren Hindernisse überwindet, sogar den Tod. Diese Geschichte wurde spätestens im alten Mesopotamien zuerst erzählt.