DAS KARMA
• Eine Kurzgeschichte aus meiner Trilogie "Engel, Teufel & Karma" *Das Karma
Na, du. Ja, genau du. Du schaust so unschuldig. Wie immer. Lass mich raten: du glaubst immer noch, ich bin so etwas wie ein kosmisches Belohnungssystem, nicht wahr? So ein kleines, unsichtbares Engelchen oder Teufelchen, das dir auf die Schulter tippt und sagt: "Oh, du hast etwas Gutes getan! Hier, nimm ein paar Glückspunkte!" Oder „Du warst sehr böse. Hier nimm die Haken. Links, rechts, 8,9… aus!“
Weißt du, ich werde immer falsch verstanden. Man sagt, ich sei "gerecht". Ha! Weißt du, was ich wirklich bin? Ich bin geduldig. Unendlich geduldig. Und unglaublich zynisch. Ich habe alle Zeit der Welt. Wirklich. Ich sitze hier und warte, bis ihr Menschen eure Fehler macht. Dann schlage ich zu. Und glaub mir, ich tue das nicht immer sanft. Oh nein. Ich tue es mit einem Lächeln und mit Genugtuung. Ja, ich habe durchaus eine sadistische Ader in mir. Pech für den, der üble Dinge tut. Und warum behaupte ich selber von mir, dass ich nicht immer „gerecht“ bin? Weil ich zu gerne übertreibe, die Kontrolle über mich selber verliere. Aber ich arbeite dran. Mit Karmen, einer Psychologin und ihrer Anti-Aggression Therapie.
Hör auf zu denken, dass ich so etwas wie ein guter Wächter über Gerechtigkeit bin. Das ist nicht mein Job. Ich bin kein Richter, kein Moralapostel und schon gar kein Lehrer. Ich bin eher so etwas wie der kosmische Bumerang. Du wirfst Scheiße in die Welt und ich bin da, um sie dir mit doppelter Geschwindigkeit um die Ohren zu hauen.
Was ich von euch Menschen halte? Gott, wo fange ich da an? Ihr seid so vorhersehbar. Wirklich. Ihr habt diese faszinierende Fähigkeit, dieselben Fehler immer und immer wieder zu machen, um dann überrascht zu sein, wenn ich an die Tür klopfe. „Oh, Karma, warum passiert das immer mir?“ Wirklich? Muss ich dir das ernsthaft erklären? Du hast Jahre damit verbracht, deine Freunde auszunutzen, hast gelogen, betrogen, gestohlen und jetzt wunderst du dich, warum dein Leben in Flammen steht? Putziges Dummerchen, du!
Wisst ihr, was das Lustigste ist? Ihr denkt, ich sei wählerisch. Ihr denkt, ich treffe Entscheidungen auf der Basis von Moral. Das ist die größte Lüge von allen. Moral? Die ist mir egal. Ihr könnt nach euren kleinen menschlichen Vorstellungen von „Gut“ und „Böse“ handeln, bis ihr blau im Gesicht seid. Ich arbeite nicht nach diesen Kategorien. Für mich ist das alles ein riesiges Domino-Spiel. Du stößt den ersten Stein an und ich beobachte, wie sie fallen. Und irgendwann kommst du an die Reihe. Bämm, so oder so.
Das Beste an der ganzen Sache? Ich habe keinen Zeitplan. Du kannst ein Leben voller Chaos führen und denken, du wärst sicher, weil ich gerade noch nicht bei dir vorbeigeschaut habe. Aber glaub mir, ich vergesse nichts. Vielleicht dauert es Jahre. Vielleicht Jahrzehnte. Aber ich werde kommen. Und ich komme nicht allein. Ich bringe all die Konsequenzen mit, die du so lange ignoriert hast. Und denk´ dran: ich habe diese sadistische Ader in mir. Ich würde so gut in die SM-Szene passen, die es bei euch Menschen gibt.
Was halte ich von mir selbst? Nun, ich bin ehrlich gesagt ziemlich von mir beeindruckt. Ich meine, wer sonst könnte so viele Leben ruinieren, ohne auch nur den Finger zu rühren? Ich bin überall und nirgends zugleich. Ich brauche keine große Show. Keine Zuschauer. Kein Blitz, kein Donnergetöse. Ich bin subtil. Still. Unsichtbar. Und wenn du es am wenigsten erwartest, schlage ich zu. „Pow. Peng. Pufff. Ich stelle fest: ich lese zu viele Comics.
Ich schlage also zu. Manchmal in Form eines abgelehnten Jobs. Manchmal als kaputtes Küchengerät. Und bei Frauen, gerne auch mal als kaputtes Sexspielzeug. Und dann, wenn ich wirklich in Stimmung bin, zerstöre ich auch Beziehungen oder Freundschaften. Für die ganz üblen Menschen gibt es dann auch mal die ein oder andere Krankheit, gefolgt mit einem sehr langem Leidensweg. Ja, aber das gibt´s wirklich nur für die widerlichsten Geschöpfe, ever.
Ich habe eine Aufgabe. Ja. Aber sie ist nicht das, was ihr euch vorstellt. Ich bin keine moralische Instanz, kein Wächter über Gut und Böse. Meine Aufgabe ist es, das Universum in Balance zu halten. Aber das Universum interessiert sich nicht für eure kleinen Vorstellungen von Fairness. Balance bedeutet nicht, dass alle gleich viel Glück oder Pech haben. Es bedeutet, dass alles irgendwann ausgeglichen wird. Der Mist, den ihr baut, wird immer seinen Weg zurück zu euch finden. Früher oder später. Manchmal wirklich fast schon zu spät. Das gebe ich zu. Aber ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste und ich folge keinem Zeitplan. Ich bin Selbständig tätig, habe keine Mitarbeiter und muss alles selber organisieren und dann schließlich auch umsetzen. Da müsst ihr euch Menschen auch mal in Geduld üben. Ich weiß: Geduld ist nicht eure Stärke. Aber das ist euer Problem. Und ich mache verdammt noch mal, nicht euere Probleme zu meinen. Karmen hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass ich nicht alles direkt an mich heran lassen soll. Ich muss lernen, nicht alles mit nach Hause zu nehmen. Berufliches und privates müssen hier strikt voneinander getrennt werden, sagt sie. Und daran versuche ich mich zu halten. Es ist zu meinem besten. Sagt sie.
Warum bin ich zornig? Ah, jetzt wird's spannend. Ihr denkt, mein Zorn ist etwas Persönliches. Als wäre ich wütend, weil ihr Menschen schlecht seid. Nein, nein. Ich bin nicht wütend auf euch, weil ihr moralisch versagt. Ich bin wütend, weil ihr so verdammt dumm seid. Wirklich. Ihr seid wie Kinder, die immer wieder die Hand auf die heiße Herdplatte legen und sich dann wundern, warum sie verkohlte Flossen haben und es angebrannt riecht.
Immer wieder höre ich euch jammern: "Warum passiert mir das?" Und ich sitze da, schüttel den Kopf und denke: „Weil du es dir selbst eingebrockt hast, du Volldepp.“
Versteh mich nicht falsch, ich liebe meinen Job. Ich meine, ich bekomme es ständig mit den dümmsten, selbstgerechtesten, verlogensten Kreaturen des Universums zu tun. Das ist schon irgendwie unterhaltsam. Aber es gibt Momente, da möchte ich einfach mal in den Wald gehen und schreien. Da möchte ich euch packen und euch ins Gesicht brüllen: "HÖRT IHR NICHT ZU?!"
Ihr müsst ja nicht perfekt sein. Wirklich nicht. Aber wenigstens ein bisschen selbstreflektierend? Ist das zu viel verlangt? Ihr geht durch das Leben, tretet auf die gleichen Nägel, fallt in die gleichen Löcher und dann erwartet ihr, dass ich irgendwie das Universum umstrukturiere, um euch einen bequemen Weg zu bieten? Ha! Ihr seid die Dummen, nicht ich.
Was muss sich ändern? Wenn ihr mich fragt – und ich weiß, ihr fragt mich nie, aber ich sage es trotzdem – dann müsstet ihr aufhören, euch ständig als Opfer zu sehen. Ihr habt diese seltsame Angewohnheit, zu glauben, dass das Universum gegen euch ist. Dass ich, Karma, es auf euch abgesehen habe. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Ich habe keinen persönlichen Groll gegen dich, gegen irgendwen. Du bist nicht so wichtig wie du glaubst. Keiner von euch ist es.
Was sich ändern muss, ist euer Verständnis von Ursache und Wirkung. Ihr denkt, ihr könnt die Welt wie eine Einbahnstraße behandeln. Nur nehmen, nur konsumieren, nur profitieren, ohne jemals etwas zurückzugeben. Aber so funktioniert das nicht. Es ist kein Nullsummenspiel, in dem es Gewinner und Verlierer gibt. Am Ende gleicht sich alles aus. Ihr seid nur zu blind, zu selbstsüchtig oder zu faul, um das zu sehen.
Also, hier ist mein Rat: Hört auf, euch ständig zu fragen, warum euch schlechte Dinge passieren. Schaut euch um. Denkt nach. Seht euch eure Entscheidungen an. Seht euch die Konsequenzen an. Vielleicht ist nicht nur das Universum das Problem. Vielleicht seid ihr es.
Und bevor du jetzt den Fehler machst und mich als „böse“ bezeichnest: nein, mein Freund, das bin ich nicht. Ich bin das System. Ich bin der Ausgleich. Die Konsequenz. Das Echo deiner Taten. Nenne mich, wie du willst. „Schicksal“, „Vergeltung“, „Karma“… Am Ende bin ich immer da. Früher oder später.
Also, denk mal darüber nach. Während du wieder eine deiner glänzenden, aber letztlich idiotischen Entscheidungen triffst, werde ich im Hintergrund warten. Geduldig. Lächelnd. Bereit, dir eines Tages einen Besuch abzustatten. Und glaub mir, dieser Tag wird kommen..., Spacko.
ENDE