Ich halte das ähnlich wie Kaiserschmarrn ...
Meines Erachtens ist das "Das Ziel ist, alleine vollständig zu sein und niemanden zu brauchen" aus einer wie mir scheint ursprünglich amerikanischen "spirituellen" Ideologie schlichtweg ... aus Unsicherheit geboren.
Der Mensch ist ein soziales Wesen und daher alleine NIE vollständig. Wir brauchen Zuspruch und Widerspruch und Anzweiflung durch andere machen uns fertig, selbst wenn es um Fakten geht. Da gibt es interessante kleine "Tests", fordere mal jemanden auf, 10 weiße Dinge zu benennen und dann runzele ständig die Stirn und schüttle den Kopf entrüstet, wenn er das macht. Das Ergebnis ist verblüffend und absolut eindeutig: wir sind immer offen für andere und wir werden durch ihr Verhalten beeinflußt.
Und das kann pathologisch, selbstzerstörrerisch werden, wenn wir sagen "Tu mir gut, ich brauche dich, Du machst mich glücklich". Nämlich genau dann, wenn ich an den Gegenüber die Verantwortung für mein Glück abgebe, meine Souveränität und Selbstachtung ihm überlasse.
Wie ich denke, ist, weil gerade Frauen aus dem alten Rollenbild heraus gerne mal darin übertreiben und sich abhängig machen, dieses "es ist Macht, weniger zu wollen" entstanden. Was ich für genauso pathologisch halte.
Man kann sich einreden, daß Liebe = Wunsch/Offenheit = Schwäche ist und sofort hat man die - wie ich finde - gefühlsmäßig total verklemmte Gesellschaft erhalten, die wir heute haben ... Wer Macht interpretiert in Empfindungen und Beziehungen, der fängt doch an, nach Haltepunkten, Hebelpunkten, Wertungen zu suchen. Und dann wird es prekär.
Ich kann einem Menschen Macht geben und nehmen, indem ich mich ihm ausliefere. Aber: nur weil ich liebe und gerne etwas von ihm MÖCHTE, heißt das nicht, daß ich mich ihm ausliefern muß. Auch hierbei kann man auf Augenhöhe bleiben und (tatsächlich laut) sagen "Hör zu, ich liebe Dich, das heißt für mich, daß ich Dir x geben möchte, das für Dich empfinde. Und ich wünsche mir von Dir y, sonst geht es mir nicht gut, wenn ich mich Dir zuwende. Möchtest Du mir das geben?". Und der Gegenüber kann dann - auf Augenhöhe - erwidern "Ich empfinde das und möchte es Dir geben, weiß aber nicht, ob ich das kann und wir da ähnlich Nähe brauchen, gib mir bescheid, wenn Du mehr möchtest, ich achte Deine Gefühle und versuche, dem gerecht zu werden. Aber ich verbiege mich auch nicht dafür, denn auch ich möchte glücklich sein, wenn ich mich Dir zuwende. Und wenn ich Dir das nicht geben kann, laß uns herausfinden, ob wir einen anderen Weg finden oder uns besser nicht mehr aufeinander beziehen." oder er sagt "Nein, das kann oder möchte ich nicht.".
An dem Punkt, wenn letzteres passiert, ist es ganz normal, traurig zu sein, unglücklich vielleicht sogar. Aber auch DAS muß einen Menschen nicht dazu führen, seine Selbstachtung und Selbstliebe aufzugeben und zu sagen "Ok, dann, damit Du Dich mir weiter zu wendest, obwohl mir das nicht reicht, was Du mir gibts, ignoriere ich meine Bedürfnisse lieber - oder hänge mich an die Hoffnung, daß es irgendwann anders sein wird und so lange tue ich, was Du möchtest, damit Du Dich mir weiterhin zuwendest.".
DAS ist schlichtweg Unterwerfung ... Und dazu habe ich mich dann bewußt entschieden. Wenn ich so (nicht böse gemeint) schön blöd bin, mich selbst so wenig zu achten ... Oder bereit bin zu diesem Opfer mit dem Wissen, daß ich mich einfach nur Hollywood romantisiert an eine Hoffnung hänge als Begründung für die Aufgabe oder Zurückstellung meiner Bedürfnisse - ist eine bewußte, informierte Entscheidung und jedem selbst überlassen und zugestanden. Sich dann aber zu beschweren oder zu klagen, daß der andere einem nicht gibt, was man möchte oder zu behaupten, der andere wäre stärker, weil er ja weniger will - ist Quatsch.
Der andere ist nicht stärker, weil er weniger will, der andere ist stärker, weil ich meine Selbstachtung und Bedürfnisse seinen Wünschen freiwillig unterwerfe. Und das ist nicht das Selbe.
Zu empfinden ist wertneutral und zwingt zu garnichts. Ich bin kein Opfer meiner Gefühle und Liebe ist (für mich jedenfalls) ein Wunsch, zu geben, Nähe zu teilen, aber eben nur ein WUNSCH. Der Wunsch, mein Gefühl, macht mich nicht schwach. Wie ich damit umgehe, was ich mich dadurch tun lasse - das entscheidet, was der Wunsch bedeutet.
Wie sehr ich mich hinein steigere, den erfüllt zu sehen, was ich bereit bin, dafür aufzugeben oder ... curieuse mal zu zitieren, wieviel "maßvoll schlechte Behandlung" ich zu akzeptieren bereit bin, weil ich immernoch nicht einsehen will, daß der Gegenüber mir meine Bedürfnisse nicht erfüllen möchte oder kann (oder ich sie gar nicht deutlich - für ihn - geäußert habe), das kann ich frei entscheiden.
Ich mir z.B. auch sagen "Es tut verdammt weh, diesen Wunsch aufzugeben, nicht zu leben, aber ich bin kein Sklave meiner Wünsche und kann das Gefühl bejahen und trotzdem in Frieden meiner Wege gehen", hängt einzig und allein von mir ab.