Durch den langen Abend mit dem vielen Alkohol wurde ich erst ungewöhnlich spät wach, die Sonne stand schon hoch am Himmel, ich versuchte, meine Gedanken zu sortieren, hatte ich gestern wirklich Sex mit Janine und diesem Mario? Und, hatten die das tatsächlich gefilmt? Alles kam mir unwirklich vor, wie in einem dichten Nebel, ich konnte mich nicht mehr an Details erinnern, das Einzige, was wirklich präsent war, war das unglaublich intensive Gefühl, dass ich aus dem Abend mitgenommen hatte und das noch immer mein Herz bis zum Hals schlagen ließ.
Ich raffte mich auf, so viel Alkohol hatte ich seit Unizeiten nicht mehr getrunken, ich machte mir einen starken Kaffee und sprang ausgiebig unter die Dusche, was endlich meine Gedanken wieder klarer werden ließ. Hatte ich wirklich einen Porno gedreht? Ich schüttelte den Kopf, das konnte nicht sein, dafür war ich ein viel zu braves Mädchen und vor allem, viel zu zielstrebig, aber leider auch zu neugierig, so dass es für mich immer eindeutiger wurde, dass genau das gestern passiert war. Schnell zog ich mir etwas an und klingelte bei Janine an der Tür.
Leider schien sie nicht zu Hause zu sein, so ging ich zurück in meine Wohnung, überlegte, ob ich erst bügelte oder erst die Einkäufe erledigte, ich entschied mich für Letzteres und verließ mit meiner Tasche die Wohnung, ich kam an einem Schuhladen vorbei, der so ähnliche Stiefel, wie Janine sie gestern trug, als Eyecatcher im Schaufenster ausgestellt hatte, allerdings konnte ich mich nicht mehr an so viele Details erinnern, glaubte aber, dass Janines Absätze noch ein wenig höher gewesen waren. Eine ganze Weile blieb ich davor stehen, ich hatte ja nichts weiter vor an diesem Tag, ich trank noch einen doppelten Espresso in einem Cafe, erledigte dann meine Einkäufe, schlenderte nach Hause, doch als ich an Janines Wohnungstür vorbeikam, schoss mir der gestrige Abend wieder durch den Kopf und ich klingelte erneut.
„Hallo, na, wie geht es dir heute?“ bat sie mich höflich herein.
„Inzwischen geht es, das war echt zu viel Alkohol gestern.“ lachte ich.
„Aber es war doch eine heiße Aktion, oder findest du nicht, der Film ist echt geil geworden.“
„Deswegen bin ich ja hier.“ lächelte ich ein wenig schüchtern. „Ich würde dich gerne bitten, das Video zu löschen, es war ein spannendes Erlebnis, so etwas mal zu machen, vor so einer Kamera, aber ich möchte das eigentlich gar nicht erst sehen und erst recht möchte ich nicht, dass andere das sehen könnten.“
Dabei dachte ich vor allem an meine Eltern, die aus allen Wolken fallen würden.
„Da kommst du etwas spät, ich habe das noch gestern Abend auf meiner Seite hochgeladen und es kommt wahnsinnig gut an, ich hatte selten so viele Downloads.“
Vor Schreck zuckte ich zusammen.
„Kannst du das denn irgendwie noch löschen?“
„Dafür müsste ich den Betreiber der Seite anschreiben und um eine Ausnahme bitten, mit dem Upload erkläre ich mich bereit, die Rechte an dem Film ihm zu übertragen und im Gegenzug den entsprechenden Anteil bei den Kunden zu erhalten.“
„Das heißt, es gibt keine Möglichkeit?“
„So gut wie keine, aber mach dir keine Sorgen, die Wahrscheinlichkeit, dass das jemand findet, der dich kennt, ist verschwindend gering, ich habe noch keinen einzigen Zuschauer getroffen, zumindest nicht außerhalb von Veranstaltungen.“
Trotzdem war mir mulmig zu Mute.
„Willst du vielleicht einen Whisky zur Beruhigung?“
Dankend lehnte ich ab und brachte meine Einkäufe in meine Wohnung.
In den folgenden Tagen verblasste die Erinnerung an den Abend immer mehr, auch, weil wirklich niemand davon etwas mitbekommen hatte, zunächst schaute ich mich immer noch aufgeregt und nervös um, ob mich irgendjemand beobachtete oder anstarrte, aber mit zunehmendem Misserfolg bei der Suche nach derartigen Leuten, ließ auch mein Drang nach, meine gesamte Umgebung so intensiv zu inspizieren.
Natürlich fühlte es sich schon ein wenig komisch an, wenn ich Janine im Treppenhaus traf, schließlich hatten wir Sex miteinander gehabt, aber auch das legte sich nach und nach und unsere Beziehung normalisierte sich. Sehr überrascht war ich, als sie eines Tages an meiner Tür klingelte und mir einen Umschlag überreichte: „Wenn ich schon den Film nicht mehr löschen kann, steht dir wenigstens ein Teil der Einnahmen zu.“ lächelte sie mich an und kurzzeitig wusste ich wieder, was mich an diesem Abend verzaubert hatte.
Nachdem ich die Tür wieder geschlossen hatte, öffnete ich neugierig und dennoch vorsichtig den Umschlag, ich riss die Augen auf, als ich mehrere große Geldscheine in der Hand hielt, 380 Euro, damit hätte ich niemals gerechnet, natürlich hatte ich überhaupt nicht mit Geld gerechnet, aber ich überschlug als Betriebswirtin sofort, dass sie sicherlich noch einmal das Gleiche hatte, vielleicht bekam auch Mario noch einen Teil, ich schüttelte den Kopf bei dem Gedanken, dass sie sagte, sie machte so drei bis vier Filme in der Woche, da mussten ja Unsummen zusammenkommen. Damit wurde mir auch ihr Lebenswandel schlagartig klar.
All das änderte sich schlagartig an diesem einen Tag, etwa dreieinhalb Wochen nach dem denkwürdigen Abend, als mich mein Chef morgens sofort zu sich ins Büro beorderte. Noch nie hatte er mich mit einem derart ernsten Gesicht angesehen, ganz im Gegenteil, er hatte mich immer unterstützt, mich protegiert und ohne ihn wäre ich sicher nicht so unkompliziert in diese Position gekommen, jetzt aber blickte er mich ernst und auch deutlich enttäuscht an.
„Was hast du dir denn dabei gedacht?“
Ich wusste nicht, was er meinte.
„Ich bin ja durchaus tolerant, das weißt du ja und was Mitarbeiter in ihrer Freizeit anstellen, ist mir im Großen und Ganzen auch egal, es hat mich auch nichts anzugehen, aber du, in deiner Position, was hast du dir dabei gedacht?“
Langsam schwante mir, was kommen würde, dennoch traute ich mich nicht, es anzusprechen oder mich zu rechtfertigen, vielleicht meinte er ja doch etwas ganz anderes.
„Es ist für unser Unternehmen nicht tragbar, absolut untragbar, dass eine Repräsentantin der Firma und das bist du als Vertriebsleiterin zweifellos, du bist unser Gesicht zum Kunden, in derartigen Filmen mitspielt und diese auch noch im Internet kommerziell vertrieben werden. Das Image unseres Unternehmens steht auf dem Spiel, daher bleibt mir nichts anderes übrig, als dir fristlos zu kündigen, auch, um dich selbst zu schützen, es wird sicherlich Kunden geben, die Frauen, die sowas machen, als Freiwild ansehen würden.
Du hast jetzt eine halbe Stunde Zeit, deine persönlichen Sachen aus deinem Büro zu räumen, die Kündigung geht dir in den nächsten Tagen zu. Den Schlüssel für den Dienstwagen kannst du hier auf das Board legen.“
Er senkte den Kopf, drehte sich wortlos um, kurz wollte ich mich rechtfertigen, dass ich betrunken war, unterließ es aber und schlich so leise ich konnte zu meinem Büro, packte meine Sachen und fuhr mit dem Bus nach Hause, was bereits einer Demütigung gleichkam, kaufte mir auf den letzten Metern noch ein paar Dosen Bier, schloss mich in meiner Wohnung ein und war viel zu enttäuscht, um auch nur eine Träne vergießen zu können.