So, jetzt muss ich doch noch mal nachfragen, was das mit dem Begriff Reden/Kommunikation auf sich hat? - Ich komme da ehrlich gesagt überhaupt nicht klar mit. Es verschließt sich mir komplett, warum Reden in diesem Kontext als eine Art Heilmittel dargestellt wird. Oft lese ich hier lange Artikel mit großen Einlassungen, und dann kommt der banale Ratschlag: „Ihr müsst reden!“
Nehmen wir mal an, eine Person fühlt völlig monogam, eine andere sehnt sich nach nicht mehr und nicht weniger als ein bisschen fremder Haut. Da treffen also zwei Gefühlswelten aufeinander, die nicht kompatibel sind. Was aber soll dann Reden bewirken?
a) den anderen missionieren? (er/sie fühlt plötzlich völlig anders)
b) den anderen überreden? (er/sie fühlt immer noch dasselbe, will sich aber am Ende nicht mehr quer stellen)
Wenn Reden im obigen Fall überhaupt etwas bewegen müsste, dann müsste entweder einer der Partner seine Grundüberzeugung wirklich aufgeben oder sich so bequatschen lassen, dass er es (wider seiner eigenen Gefühlswelt zulässt). Ich finde nicht, dass damit irgendetwas auch nur andeutungsweise besser wäre.
Genauso abstrus is für mich das Argument „man muss Regeln genau festlegen, was man darf und was nicht.“ - Für mich heißt das: „wir loten aus und legen fest, wie weit für dich eine Situation/eine „Lösung“ noch erträglich ist, wie weit ich also gehen kann/darf, bis die Situation für dich unerträglich wird.“
Man kann nichts für seine Gefühle, kein monogamer und kein polyamorer Mensch. Man muss auch keine dieser oder anderer Gesinnungen verteufeln. Aber sie mit Regeln zu zähmen oder mit Absprachen zu kanalisieren erscheint mir wie Licht in einem Glas einzufangen.
Ich bin nicht gegen das Reden, nur damit man mich hier keiner falsch versteht. Reden kann schön sein, inspirierend, tröstend, aufbauend, beruhigend. Aber Reden löst keine Inkompatibilitäten, und schon gar nicht im emotionalen Bereich. Es kann keine Gefühle befrieden, es kann nur Gefühle töten.
Beim Reden scheint mir, ist der Zauber nicht die Worte, die gesagt werden, sondern die Stimmung, die diese Form des Zusammenseins erzeugt. Es fühlt sich gut an mit jemandem zu Reden (oder auch nicht). Deswegen lässt man sich manchmal auch auf etwas ein, was in dieser Stimmung besprochen oder vereinbart wurde, was, sobald der Zauber verflogen ist, einem nur noch aberwitzig und falsch erscheint, sobald man wieder nüchtern ist.
Ich könnte niemandem raten Reden als probates Mittel anzusehen. Mir scheint es so, dass der beste Rat, den ich geben könnte, wäre, dass man sich seine eigenen Gefühle wirklich bewusst macht und das Gleiche auch nach bestem Wissen und Gewissen tut mit den Gefühlen, von denen man glaubt, dass der /die andere sie hat. Ein Gefühl für die Gefühlswelt des anderen zu haben ist für mich die beste Chance, eine Situation wirklich in allen Facetten zu begreifen und einen Weg damit zu finden, der allen im größten Maße gerecht wird.