Da die Eingangsfrage auf eigene Erfahrungen und Handlungsweisen abzielt, würde ich das auch gern so aufgreifen.
Grundsätzlich bin ich ein Mensch, der erstmal jedem einen Vertrauensvorschuss gibt, in der Hoffnung, dass dieser nicht missbraucht wird. Wir wissen alle, dass man seinem Gegenüber erstmal nur vor den Kopf und nicht hineinsehen kann. Der Mensch, der einem begegnet, hat auch eine Vergangenheit, nicht nur man selbst. Wenn man schlechte Erfahrungen (wissentlich oder unabsichtlich) übertragt auf andere, die man kennenlernt, beraubt man sich und den anderen der Möglichkeit, zu entscheiden, ob und wie man damit umgeht.
Ich hab 2 langjährige Beziehungen geführt und in beiden Fällen haben beide erstmal mit offenen Karten gespielt und darüber gesprochen, was passiert ist, wie man sich gefühlt hat und was man nicht mehr möchte. Das hat sehr lange Zeit gut funktioniert und zu erfüllten Partnerschaften geführt.
Trotzdem treten im Leben immer wieder Ereignisse ein, die man nicht bemerkt, abwenden oder damit leben kann. Meine erste Frau entwickelte eine Kaufsucht (verheimlicht und schliesslich hinterrücks Schuldenberg aufgebaut) und kompensierte ihr Unvermögen, mir mir darüber zu reden, mit heimlichen Affären.
Nach dem Zusammenbruch dieses Kartenhauses irgendwann, sah ich mich ausser Stande, diese Beziehung in irgend einer Weise weiterzuführen.
Die hielt mich aber nicht davon ab, später eine neue, langjährige Partnerschaft zu beginnen. Auch hier war mir wichtig, dass beide wissen, was die jeweilige Biografie beinhaltet. Dies ist wichtig, um zu verstehen, warum der andere in Situationen unerwartet reagiert und man dann gezielt nachfragen kann, anstatt die zu schlucken, zu eskalieren oder reaktionslos zu ignorieren. Ich wusste also auch bei meiner zweiten Frau, auf was ich mich einlasse (einige therapierte Störungen). Auch dies funktionierte ziemlich lange sehr gut und wir lebten eine erfüllte Partnerschaft auf Augenhöhe ... bis unser gemeinsames Kind geboren wurde.
Dies führte zu einem erneuten Aufbrechen aller Dinge aus ihrer Historie, ich fing an, Sachen zu puffern und wollte nicht sehen, dass es so nicht geht. Erst als es sich auch gegen das Kind richtete, war meine Kraft erschöpft und ich musste schweren Herzen einen Schlussstrich ziehen, um meine Psyche und die meines Kindes nicht mit runterreissen zu lassen. Heute kann mein Kind im 50:50 Wechselmodell erleben, dass die Welt und die Verhaltensweisen von Menschen unterschiedlich sein können und ist sehr resilient geworden mittlerweile.
Ich habe aus beiden Partnerschaften gelernt. Ich bin sensibler für Sachen, die ich bereits erlebt hab und erkenne diese eher. Nichts hat mich aber davon abgebracht, weiteren potentiellen Partnerinnen mein Vertrauen erneut entgegen zu bringen. Ich handhabe es allerdings auch so, dass ich ganz offen über erlebtes spreche. Das Gegenüber hat immer die Möglichkeit, dann zu entscheiden, sich darauf einzulassen oder eben nicht. Eine Frau, die damit von Anfang an Probleme hat, würde auch in Folge (ob nun gleich oder erst später eröffnet) nicht damit umgehen können und wäre auch nicht die Richtige.
Ja, es kann sein, dass man sich damit ggf. verbaut, den Herzensmensch zu finden. Aber nach meiner Meinung erkennt mein Herzensmensch mich als Person mit allen Facetten und sieht nicht nur meine Hülle und Probleme. Die Richtige sieht die Seele und nicht (nur) die Verpackung.