Konflikte bei selbst- bzw. partnerbestimmter Sexualität
Aktuell lese ich gerade das Buch "Guter Sex trotz Liebe" von Ulrich Clement. Darin spricht er auch den Unterschied zwischen selbstbestimmter und partnerbestimmter Sexualität ein. Wer mit den Begriffen nichts anfangen kann: stark vereinfacht gesagt bedeutet selbstbestimmt, dass ich meine sexuellen Bedürfnisse in den Mittelpunkt stelle, und partnerbestimmt entsprechend die des Partners. Clements These lautet, dass man auf Dauer unzufrieden wird, wenn man immer nur die Bedürfnisse des Partners berücksichtigt. Entsprechend plädiert er dafür, dass man, wenn man sich in der Situation wiederfindet, in der man nur noch "Erfüllungsgehilfe" für die Sexualität des anderen ist, selber anfängt Dinge zu verändern. Selbst wenn das beim Partner eine negative Reaktion hervorrufen sollte.
Grundsätzlich bin ich da bei ihm, zumindest wenn man den Punkt erreicht hat, an dem man mit Reden nicht mehr weiterkommt bzw. sich nichts verändert.
Was mich jetzt aber in dem Kontext beschäftigt ist folgendes: Wie geht man denn damit um, wenn die Diskrepanz nicht in völliger Ablehnung einer Praktik liegt, sondern nur in der Art und Weise, wie eine Praktik gelebt wird? Wie löst man dann den entstehenden Konflikt auf?
Das klingt jetzt erstmal sehr theoretisch, deswegen gebe ich hier noch mal ein Beispiel, dann wird es vielleicht klarer:
Angenommen, der eine Partner (Partner A) sagt nicht "ich möchte an dieser Stelle grundsätzlich nicht von dir berührt werden" sondern "ich möchte an dieser Stelle nicht AUF DIESE ART berührt werden", schließt also Berührungen nicht grundsätzlich aus.
Der andere Partner (Partner B) sagt aber "wenn ich dich berühre, möchte ich nicht dran denken müssen, wo ich dich wie berühren soll (oder darf) - es reißt mich aus meinem Flow".
Das Konfliktpotenzial dürfte hier klar sein. Wenn B einfach seinen Stiefel durchzieht hat A wahrscheinlich das Gefühl, dass die eigenen Wünsche ignoriert werden. Wenn B sich aber nach den Wünschen von A richtet, hat B möglicher Weise das Gefühl, die eigene Sexualität nicht selbstbestimmt ausleben zu können.
Was mich jetzt bei diesem (zugegebenermaßen sehr konstruierten Szenario) interessiert: wie würde man das Auflösen können? Oder ist das so ein Beispiel, wo die Theorie der selbstbestimmten Sexualität an ihre Grenzen kommt?