Zurück zum Thema, bitte ...
Ich antworte mal hauptsächlich MO_ZI, erwil und VanBruns, und beziehe mich dabei auf Aussagen, die ihr als Antworten zu meinem Posting gemacht habt. Zum Punkt "Frau-Sein" (im Gegensatz zum Mann-Sein jetzt):Ich habe mit meinem Frau-Sein schon immer extreme Probleme gehabt und wäre lieber als Junge auf die Welt gekommen. Das soll jetzt nicht heißen, dass ich transsexuelle Bedürfnisse habe, nein, ich habe die Jungs einfach nur darum beneidet, was sie dürfen und können und ich als Mädchen eben nicht.
Das geht vom banalen "Im-Stehen-Pinkeln" bis zum weitreichenderen "Jungs wird mehr zugetraut, als Mädchen wird man immer geschont".
Es hat mich geärgert, dass ich per se mehr Angst haben sollte und mehr Schutz bedurfen sollte, als wie wenn ich ein Junge geworden wäre.
Auf der anderen Seite hat sich im Laufe der Zeit zu meinem "Neid" durchaus auch ein Männerhass entwickelt - eben wegen so Situationen, wie erwil sie als Jugendlicher erlebt hat und ich begann, die Unsensibilität und das Unverständnis solcher Männer zu hassen.
(Mein abweisender Text hier im Joy resultiert exakt aus solchen, eben auch virtuellen Erfahrungen und siehe da - es ist der erste Text, der die Anzahl der Anschreiben erfolgreich reduziert hat.)
Aber auch da wäre ich in der Konsequenz lieber ein Mann geworden, um in solche Situationen gar nicht mehr zu kommen.
Ich empfand also die Tatsache, eine Frau zu sein als grundsätzlich negativ und sah keine bis sehr wenige Vorteile darin. Die Vorteile, die ich sah (du wirst auf Parties immer gern eingeladen, musst nur hübsch ausschauen und dir wird alles geschenkt, kannst heiraten und wirst versorgt) empfand ich nicht als Vorteile, sondern als Reduzierung meiner Persönlichkeit auf den Umstand, wie angenehm ich für mein Gegenüber bin.
So etwas, schien mir, wird von Männern niemals verlangt! Sondern Männer dürfen und sollen eben "stark, aggressiv, nach vorne drängend, leitend, fordernd" sein - ich wollte das auch!
Zumindest wollte ich nicht das Gegenteil davon sein müssen, weil mir diese männlichen Eigenschaften als Frau nicht gut zu Gesicht stehen würden (und weil auch keiner sie von mir verlangte).
Besonders schlimm fand ich an dieser Stelle - ebenso wie erwil - das Fehlen von positiv und autark geprägten Frauenbildern in meiner Jugend. Ich fand es sehr schwer, den weiblichen Bezugspersonen in meiner Familie den ihnen zustehenden Respekt zuzugestehen. Ich fand, sie hatten ihn schlicht und einfach nicht verdient. Und auch oder gerade bei ihnen stieß ich auf größtes Unverständnis, wenn ich mich gegen dieses typische Frauenrollen-Verhalten gewehrt habe (auch, wenn ich die Vorteile davon nicht haben wollte). Ich gebe allerdings zu, ich habe damals auch viel von den Umständen nicht gesehen und natürlich liefen diese Gespräche nicht auf einem so reflektierten Niveau ab, wie wir jetzt hier darüber diskutieren. Aber meine Großmutter schüttelt heute noch den Kopf über meine (freiwillig gewählten und seit Jahren mit größter Heftigkeit vertretenen) kurzen Haare.
Inzwischen bin ich an dem Punkt angelangt, dass ich trotz dieser Startschwierigkeiten Waffenstillstand mit meinem Frau-Sein geschlossen habe.
Warum? Weil ich Männer kennen gelernt habe, die ebenso einen Frauenhass entwickelt haben, die sich ebenso von Frauen unterdrückt oder ausgenutzt gefühlt haben (weniger dann auf sexueller Ebene, aber eben auf anderen Ebenen), die sich ebenso von den Erwartungshaltungen, die man an sie als Mann stellte (sei stark, führend und verantwortlich) unter Druck gesetzt gefühlt haben (Will ich das denn sein müssen?), die einen Neid auf Mädels entwickelt haben (weil denen eben viel "geschenkt" oder leichter verziehen wird und weil man als Junge grundsätzlich immer schon mal der Böse ist) und die eben, wie erwil auch erzählt hat, sehr stark unter dem Bewusstsein gelitten haben: DU bist ÍMMER der potentielle Täter, Du bist der SCHULDIGE.
Ich habe gesehen, dass es da keinen Unterschied gab.
Ich habe als Frau unter diesen Erwartungshaltungen gelitten, die ich nicht haben wollte, die sich nicht richtig für mich angefühlt haben, gegen die ich mich gewehrt habe – wäre ich als Junge geboren worden, hätte ich eben unter anderen Erwartungshaltungen gelitten.
Ich habe Männer kennen gelernt, die sehr vermeintlich "weibliche" Verhaltensweisen an den Tag gelegt haben (Verständnis und Rücksicht zeigen, viel "schlucken" und aushalten) und habe Geschichten von Frauen gehört, die sich sehr egoistisch, fordernd und ausnutzend verhalten haben ... und habe erkannt, es ist keine Frage des Geschlechts, sondern eine reine Charakterfrage.
Ich nehme mir die Freiheit heraus, auch mal derb zu sein oder einfach nur sehr direkt, was durchaus auch ins Unfreundliche gehen kann, wenn mir jemand blöd kommt. Das hätte ich früher nicht, da hätte ich mehr darauf geachtet "die Gefühle des Anderen nicht zu verletzen" - was ich als eher typische weibliche Sorge betrachte.
Ich habe den Eindruck, dass ich manchmal mit meinen sehr unweiblichen Ansichten auf Verwunderung stoße, aber auch da zeige ich inzwischen eine sehr männliche Verhaltensweise: Mut. Ich mache keinen Rückzieher mehr.
Die Frage nach meinem Frau-Sein stellt sich mir nicht, denn ich habe dabei das Gefühl, es geht dabei rein um Klischees.
Wenn ich Stärke und Selbstbewusstsein zeige, kommt von manchen die Aussage, ich würde keine Gefühle zulassen, keine Schwäche - das "dürfe ich als Frau doch".
Ich habe den Eindruck, dass Weiblichkeit grundsätzlich mit Weichheit, Einfühlungsvermögen und Emotionalität gleichgesetzt wird – nur, damit findet eine Reduzierung statt und wo soll ich dann eine sinnvolle Auseinandersetzung über das Frau-Sein beginnen?
Genauso mit dem Mann-Sein: Wenn das nur mit Verantwortung, Mut und Stärke gleichgesetzt wird ... auch da ist dieselbe Reduzierung da und schließt damit eine sinnvolle Diskussion für mich per definitionem einfach aus.
Von daher schließe ich mich erwil an und behaupte, das Selbstverständnis, das jeder Mensch von sich hat, erschließt sich in erster Linie aus der Beschäftigung mit sich selbst, eben in der Selbstreflektion und nicht in der Abgrenzung oder Befürwortung des anderen Geschlechts, aber ich denke, ich gehe da noch einen Schritt weiter und behaupte, es geht dabei weder um Frau-Sein oder um Mann-Sein, sondern um Ich-Selbst-Sein.
Und in Ich-bin-ich liegt per se noch keine Geschlechtsdefinition enthalten.