Es ist für mich an der Zeit,
nun ein zweites Mal für mich Bilanz zu ziehen.
Ich tat es schon einmal auf Seite 8. Dort war ich dahinter gekommen, daß es mir, konkretisiert um die Frage ging:
Wie geht Ihr mit Eurer männlichen Aggression um?
Die Frage nach Eurem Umgang damit beinhaltete auch, daß ich auf dem Umgang mit meiner eigenen Aggression noch keine mich befriedigenden Antworten gefunden hatte. Die Frage kann sich natürlich ebenso an Frauen richten. Daß ich es nicht tat, ist wohl auch dem Umstand zu verdanken, daß ich Mann bin.
In meinem Post auf Seite acht habe ich Euch dann dargelegt, daß es mir, auch Dank Eurer Impulse, nun zunehmend gelingt, den Aspekt positiver Aggression für mich zu integrieren.
Nachdem der thread danach nach einem Zwischenzeitlichen Stillstand erneut in Bewegung kam, merkte ich, daß die Sache für mich noch nicht rund war. Mir fehlte die Antwort auf die Frage nach meinem Umgang mit negativer Gewalt. Daher meine Frage und mein Auf-die-Spitze-treiben bei der Frage, wie ihr damit umgeht.
Ich habe die letzten 1 1/2 Tage intensiv über Eure Posts nachgedacht, gestehe, daß mir die Posts von
@**o ob ihres Zuspruchs runtergingen wie Öl, , finde meine Antworten indes vor allem im Gegenwind:
Darum Danke an mutabor, calliou, sabdi und vanBruns!
@****bor:
Macht Dich dieser Thread aggressiv? Wenn ja, warum??
Deine für mein Empfinden erste ausführliche und gehaltvolle Anwort (die Posts davor habe ich schlicht nicht verstanden, fand sie unkonkret provokativ, sorry) hat mich sehr zum Nachdenken gebracht.
Sie hat mir klar gemacht, daß auch Emphatie maßvoll verwendet werden muß, weil sie auch ins Gegenteil der ursprünglichen Absicht umkippen kann.
beantwortest du auch meine gegenfrage
nochmal, falls du sie vergessen haben solltest:
was fällt leichter, einen aggressiven menschen zur vernunft bringen, oder einen vernünftigen menschen aggressiv zu machen
Einmal davon abgesehen, daß der Wortlaut Deiner Gegenfrage ursprünglich ein anderer war, Dein wiederholter gefällt mir besser:
Die Frage impliziert, daß sie von einem vernünftigen Menschen gestellt wurde. Geht man davon aus, daß derjenige, der sie beantwortet (also ich) sich selbst auch für einen vernünftigen Menschen hält, beantwortet sich die Frage selbst. Darum Frage ich wiederum zurück:
Was ist wahrscheinlicher: Daß ein vernünftiger Mensch die Kontrolle über seine Vernunft verliert, oder daß ein Aggressiver Mensch die Kontrolle über seine Aggression behält?
Die Frage erscheint mir weit schwieriger zu beantworten - und kommt dem, was mich umtreibt, entscheidend näher.
Zuvor aber noch ein Dank an Sabdi für den Hinweis der mutmaßlichen Selbstbeweihräucherung:
Ich habe sehr darüber nachgedacht und komme zu dem Schluß: Empathie ist eine meiner hervorstechenden Eigenschaften, so wie es bei anderen z.B. natürliche Autorität oder Zivilcourage oder besondere Kraft ist. Emphatie ist gesellschaftlich positiv besetzt, daher ist die Versuchung groß, anzunehmen, daß es eine Eigenschaft ist, die mich adelt. Ich komme nicht umhin, zu bekennen, daß ich dieser Versuchung mitunter nachgegeben haben könnte.
Durch Deinen Hinweis und durch die obige Antwort Mutabors habe ich erkannt, daß das Quatsch ist. Empathie ist eine Eigenschaft wie andere auch, sie kann positiv ebenso wie negativ ausgelebt werden. Geradeso
wie natürliche Autorität oder Zivilcourage oder besondere Kraft usw..
Dies zu schreiben fällt mir nicht ganz leicht, aber das bin ich Euch schuldig.
Zum Umgang mit meiner eigenen Aggressivität und ihrer negativen Seite.
Calliou hat nicht unrecht:
Vielleicht stimmt es, dass du nur übertrieben hast, aber Tatsache ist halt, dass sich zu Beginn des Threads bis hierher ein gewalttätiges und in kriminelle Richtung geprägtes Mann-Bild entwickelt, im Grunde bei der Darstellung der negativen Eigenschaften deines Vaters angefangen, den du nur negativ beschreibst - schlimm genug. Dieses Bild verallgemeinerst und verdichtest du auf alle Männer, anhand forensischer Beispiele und der Ängste von Frauen in der Dunkelheit.
Ich habe inzwischen begriffen, daß ich mich mit dem Annehmen der eigenen Aggression und ihres negativen Potentials schwertue.
Vanbruns unterzeichnete einen seiner Posts wohl nicht ohne Ironie mit
[Mann - also potenzieller Vergewaltiger,
Ex-Soldat - also potenzieller Mörder,
Deutscher - also potenzieller Nazi]
Zum Phänomen Nazi möchte ich hier nur sagen, daß ich vehement der Meinung bin, daß dies kein ausschließlich Deutsches Problem ist.
Potenziell Mörder und Vergewaltiger zu sein läßt sich ebenso weder explizit mit Soldat-sein bzw. Mann-sein assoziieren.
vanBruns fragte auf Seite 4:
wie sind dann eigentlich Kindsväter wettertechnisch zu bewerten, die keinen wirklichen Gefühlszugang zu ihrem Sohn finden können, weil sie nie eine richtige Beziehung zur Mutter hatten, sprich, die ihnen das Kind einfach knallhart untergejubelt hat?
Nun, ich denke das Verhalten der Frau in diesem Fall darf getrost als Vergewaltigung des Mannes betrachtet werden, im Sinne einer Traumatisierung, die geeignet ist, das weitere Leben eines Menschen entscheidend zu prägen.
Aber woran mich die oben erwähnte Unterzeichnung erinnert hat, ist eine Anekdote jenes Freundes, der auch schon mal die Straßenseite wechselt, die mich beeindruckt hat:
Als er vor der Kommission saß, vor der er sich als Kriegsdienstverweigerer verteidigen sollte, wurde er standardmäßig gefragt, ob er sich für fähig halte, einen Menschen zu töten. Seine Antwort:
„Ja! Wenn jemand meine kleine Schwester vergewältigt und umgebracht hätte, und ich stünde nun vor ihm, mit einem Messer in der Hand - ich wäre fähig, ihn zu töten. Die Kommission fragte daraufhin, warum er sich dann nicht vorstellen könne, den Dienst an der Waffe zu verrichten. Seine Antwort. „Daß ich mich für fähig halte, einen Menschen zu töten, heißt noch nicht, daß ich lernen will, wie das am Besten geht.“
Was mich daran beeindruckt hat? Nun er hat zwei wichtige Dinge erkannt, die einen Menschen ausmachen:
1. Daß das Potential zu gewalttätigem Verhalten in der Natur des Menschen liegt.
2. Daß es Menschen möglich ist, dieses Potential zu kontrollieren.
(
Bitte versteht das jetzt nicht als Kritik an Menschen, die sich
für den Wehrdienst entschieden haben!!!)
Zweiteres habe ich bei mir bisher gesehen: Daß es mir (gottseidank) möglich ist, mich zu kontrollieren. Darum ist mir Selbstreflexion so wichtig.
Mein Problem war eher ersteres. Daß auch ich selbst über ein negativ aggressives Potential verfüge, ist eine für mich noch unbehagliche Erkenntnis, der ich mich nun stellen muß.
Eltern z.B. machen nach 3monatigem Schlafentzug, bedingt durch die Koliken ihrer Säuglinge schon mal Bemerkungen wie: „Ach, ich könnt mein Kind an die Wand klatschen.“ Dabei haben sie sich in der Regel soweit unter Kontrolle, daß sie es nicht tun. Ich hatte mich da, dem Himmel sei Dank, auch unter Kontrolle. Daß ich es mir nach anhaltendem Schlafentzug und zudem Beruflichem Streß in Einzelfällen sehr bildhaft vorgestellt habe, hat mich allerdings erschreckt.
Ich werde von Leuten, die mich kennen, stets als friedfertig betrachtet.
Ich bin es auch, denke ich.
Ich konnte diesen Aspekt negativer Aggression einfach nicht bei mir akzeptieren, obwohl ich ihn kontrollieren konnte, also nicht aggressiv
gehandelt habe. Das klingt in der Tat ambivalent...
Ich werde diesen Aspekt nun also als Teil meines Wesens als Mensch integrieren müssen. Das Wissen darum, auch über negativ aggressives Potential zu verfügen, erscheint mir wichtig, wenn man es unter seiner Kontrolle halten will.
Für die Lektion, die mir Eure Posts erteilt haben, nochmal meinen tiefen Dank.
Abschließend zitiere ich mich selbst von Seite 8
Ich hoffe nun, daß mein wortwörtliches Ausbreiten dem einen oder der anderen etwas geben konnte. Wenn nicht - „So what?“
So schreibe ich mit Martin Luther: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders."
Ich habe es ohnehin auch für mich selbst geschrieben.
Habt Dank
Liebe Grüße
erwil