Konsens - das unbekannte Wesen
Die fundamentale Prämisse von BDSM lautet:Alles, was wir tun, ist konsensual.
Die zentrale Rolle des Konsens ist unübersehbar.
• Das Wörtchen "Konsens" steckt in SSC (safe, sane and consensual) ebenso, wie in RACK (risk aware consensual kink).
• Das Safewort ist erfunden worden, damit bottom das Ende des Konsens signalisieren kann.
• Konsens ist der einzige Grund, warum Körperverletzungen im SM-Kontext straflos bleiben.
• Sklavenverträge (auch wenn sie nicht rechtswirksam sind) sollen den Konsens dokumentieren.
Im Prinzip ist das alles Wunderbar.
In der Praxis hat dieses Prinzip aber empfindliche Schwächen, etwa:
Welche Dinge "gehen gar nicht"? In welche Dinge kann bottom nicht wirksam einwilligen?
In schwere Körperverletzung? Schwere seelische Demütigung? Leichte seelische Demütigung? Oder geht das alles, wenn bottom es ernsthaft will?
Wann fehlt der Freie Wille, der für eine Ein"willigung" Voraussetzung ist?
Wenn bottom unter Drogen steht? Wenn bottom seelisch abhängig ist von Top? Finanziell abhängig? Wenn bottom unter seelischen Zwängen steht? Wenn bottom einfach nur so notgeil und ausgehungert ist, dass ihm/ihr alles recht ist?
In welchem Zeitpunkt muss der Freie Wille vorliegen? Wann liegt Metakonsens vor?
Wie lange gilt eine Zustimmung zu einem 24/7-Spiel? Wo liegt die Grenze zwischen Verletzung eines vereinbaren Tabus und behutsamer "Erweiterung von Grenzen" durch den Top?
Und vor allem: Wer entscheidet all diese Fragen?
Während der Beziehung die Beteiligten oder der/die Dom(mse), nach der schiefgegangenen Beziehung die Staatsanwaltschaft?
Wenn unklar ist, ob Konsens vorlag, wer trägt die Folgen dieser Unklarheit?
Auf viele diese Fragen gibt es keine klaren, allgemeingültigen Antworten. Solange die Beziehung hält, spielen sie auch keine oder eine untergeordnete Rolle.
Aber wenn die Beziehung zerbricht und vielleicht sogar noch Dritte ins Spiel kommen, dann zeigt sich, wie brüchig das Eis namens Konses ist. Wie dünn die Linie ist zwischen Ausbeutung und Liebe, zwischen Dominanz und Gewalt.
Daher meine Fragen:
1. Wie verständigt ihr Euch mit Eurem (Spiel-, Lebens-, Kurzzeit-) Partner über den Konsens?
2. Welche Erfahrungen habt ihr als Top oder bottom mit Überschreitungen von Konsens, mit Unklarheiten, ob Konsens wirklich bestand, mit Anschuldigungen, Konsens habe gar nicht bestanden, mit Missverständnissen zwischen den Beteiligten über den Umfang des Konsens?