Das selbstgewählte Los
Da ist dieses Katzenbaby. Klein, plüschig, neugierige blaue Augen, weltoffen, kuschelig. Nun gut, es hat auch Krallen und spitze Zähne, aber die benötigt es nunmal um sich durchs Leben zu schlagen.
Das Kätzchen steht also morgens auf, geht auf sein Katzenklo, putzt sich ausgiebig das Fell, streift ein bisschen durch die Welt. Wie Katzen das halt so machen. Ganz unverbindlich eben. Wenn das Kätzchen Hunger hat, fängt es sich eine Maus, es dürfen auch mal zwei sein, aber bitte nur die zarten mit kurzen Schwänzchen. Die anderen sind so schwer verdaulich. Dann legt das Kätzchen sich an ein gemütliches Plätzchen, pflegt nochmal sein Fell und schlummert seelig ein. Träumt von zarten Mäuschen und wiegenden Feldern.
Und dann kommt da dieser Zweibeiner daher. Das niedliche Katzenbaby weckt sein Interesse, er spürt so eine Wärme in sich, wenn er es betrachtet. Er möchte es nicht nur streicheln, er möchte sich um das Kätzchen kümmern, es immer um sich haben. Er würde ihm das Futter hinstellen und das Katzenklo saubermachen. Er würde die Tür aufmachen, wenn es rauswill und seine Zecken absammeln, wenn es wieder reinkommt. Abends würden sie an einem schönen Plätzchen gemeinsam auf den Tag zurückschauen.
Voller Zuversicht geht der Zweibeiner auf das Katzenbaby zu, das mal wieder an einem gemütlichen Plätzchen schlummert. Aber Katzen schlafen nie wirklich, sie sind immer auf der Hut. Es hebt den Kopf, entdeckt den Zweibeiner, auch sein Interesse ist geweckt. Vielleicht ist das jemand, der ihm die zwickenden Dinger aus dem Fell holen könnte. Da kommt auch schon die große Klaue auf es zu. Es weicht aus. Ausgerechnet an seinem Köpfchen, seiner empfindlichsten Stelle will die Klaue niedersausen. Das Kätzchen schmeichelt dem Zweibeiner ein wenig um die Beine. Der Zweibeiner freut sich, dass das Kätzchen ihn scheinbar mag. Er streckt nochmal seine Hand aus und probiert das Kätzchen zu streicheln. Wieder am Köpfchen. Das Kätzchen ist jetzt schon ein wenig aufgebracht und langt mit der Tatze nach der riesigen Zweibeinerklaue. Dieser zuckt zurück, doch der Zweibeiner hat gelernt, dass Hartnäckigkeit oftmals zum Ziel führt. Ein drittes Mal nähert sich seine Hand dem Kätzchen, wenn auch schon etwas unsicherer. Wo könnte es dem Kätzchen gefallen? Vielleicht am Rücken, da kann es nicht so schnell hinlangen. Das Kätzchen dreht sich und schlägt nach der Zweibeinerklaue. Hinten rum probiert es der Schlingel also. Nicht mit mir, denkt sich das Kätzchen, faucht noch einmal und wendet sich ab. Der Zweibeiner zieht enttäuscht von dannen. Er hatte es doch nur gut gemeint.
Das Kätzchen leckt sich das aufgewühlte Fell und legt sich wieder zum Schlafen an sein gemütliches Plätzchen, das sich plötzlich irgendwie einsam anfühlt. Morgen früh wird es sich wieder eine Maus fangen. Vielleicht hätte der Zweibeiner eines von diesen kleinen Schälchen mit Leckereien dabei gehabt. Und dieses Ding im Fell, das zwickt auch immer noch ganz schrecklich.