ich finde daß mariamagdalene es mit dem begriff ....angehäufter
unzulänglichkeiten wunderbar getroffen hat, wobei untreue natür-
lich eine viel zu tiefer vertrauensbruch ist.
verzeihen ist nicht grundsätzlich eine edle, uneigennützige geste, sondern kann, ebenso wie das aus strategischer erwägung erfolgte
nicht-verzeihen, zum subtilen machtvehikel werden. die frau, die ihren mann die massive beleidigung, die bloßstellung vor anderen,
den seitensprung rasch und scheinbar großmütig vergibt, bleibt
letztlich in der rolle der anklägerin und zieht ihn in ihren bannstrahl:
seht her, ich bin die gute und du der bösewicht und wehe du lässt dir
noch mal was zuschulden kommen und erweist dich meiner nicht als würdig bis an unser beider lebensende. ein solcher mann wird sie
dann bei nächster gelegenheit wieder beleidigen, betrügen und wird
fremdgehen, um sich aus ihrer schrecklich friedvollen, grausam gut-
artigen übermutter-umklammerung zu lösen.
gerade in langjährigen beziehungen, wo das "ich" mit dem "du" zu
einer eigenartig homogenen masse verschwimmt, wo teufelskreise
rotieren, wo sich ursache & wirkung, schuld & verschulden, opfer &
täter nur noch schwer auseinanderdividieren lassen, braucht man
klare, in die moderne übertragene archaische gesetze. kleine ver-
letzungen sollte man rasch, mittelschwere möglichst zügig vergeben.
doch macht sie ihn vor freunden nieder - oder umgekehrt - ist eine
längere auszeit angesagt. steht er nicht zu ihr und verteidigt sie auch
nicht gegen attacken seiner mutter oder anderen muß noch ein
ordentlicher wutanfall draufgepackt werden. räumt sie sein konto ab,
bedroht er sie, trifft sie wichtige entscheidungen hinter seinem rück-
en, geht er fremd - müssen mindestens getrennte schlafzimmer her.
hat er eine dauerhafte heimliche affäre, belügt & betrügt er sie wieder
und wieder, muß ger gehen! für lange. oder für immer. sie muß ihn
rausschmeißen. und wenn möglich, der versuchung widerstehen, auf
das hohe roß der selbstgerechtigkeit zu steigen. es hilft ihr, wenn sie
ihre mitverantwortung erkennt.
doch ob und wann sie ihn wiedersieht oder nicht, ob und wie sie ihm
vergibt oder ob sie zu dem schluss kommt, mit der haltung des nicht-
verzeihens besser leben zu können, all das muß sie ganz für sich
alleine entscheiden. wichtig ist nur, daß sie eine klare position ein-
nimmt und sich nicht mit einem "ja, ich hab dir verziehe, aber ich hab
nichts vergessen, und deshalb will ich auch am liebsten nichts mehr
mit dir zu tun haben, eigentlich" durchmogelt. denn wer den
anderen vergeben hat muß auch bereit dazu sein, ihn wieder voll &
ganz in sein herz & sein leben auszunehmen. ein mauscheliges sich-
treiben-lassen und darauf-warten, daß die zeit schon alle wunden
heilen wird, bringt gar nichts. wenn wir uns nicht klar für einen weg
entscheiden brechen die narben bei nächster gelegenheit wieder auf.
nicht nur verzeihen, auch nicht-verzeihen ist ein bewußter prozess, den wir aktiv, offensiv und couragiert in gang setzen müssen. ich weiß wovon ich rede, doch ich weiß mittlerweile auch daß manchen wunden eben nie heilen...nur verkrusten...
"der abgerissene strick kann wieder geknotet werden. er hält wieder,
aber er ist zerissen. vielleicht begegnen wir uns wieder, aber da, wo
du mich verlassen hast, triffst du mich nicht wieder", heißt es in
berthold brechts gedicht "der abgerissene strick". natürlich kann man
mit viel liebe & noch mehr geduld versuchen, vertrauen wiederherzu-
stellen. man kann den strick noch ein paar mal knoten, verstärken,
nachbessern und vielleicht hält er dann sogar ein bisschen was aus.
manchmal ist es aber gesünder und viel spannender, es sein zu
lassen und sich alleine auf den weg zu machen. offen & selbstbe-
wusst zu seiner verletzung zu stehen. und sich weder von freunden,
selbst ernannten selbsthilfe-literaten noch vom zeitgeist diktieren zu
lassen, was man wann zu denken, zu tun und zu fühlen hat!