Ich habe diesen Thread...
jetzt in den letzten Tagen häppchenweise durchgelesen bis hier hin und ich muß sagen: Ich bin schon ein wenig platt, wie vielfältig die Projektionen sind, als deren Leinwand der TE hier genutzt wird. Vermutlich so vielfältig, wie die unterschiedlichen Erfahrungen, die wir JCler in unseren Leben gemacht haben.
Die Verbitterung und der Schmerz, die ich bei vielen Posts hier zwischen den Zeilen herauslese, macht mich ein stück weit traurig und rührt mich an.
Den Vorschlag, sie durch das Spiel mit Ihrer Eifersucht anzustacheln fand ich einfach nur schaurig, ich finde das manipulativ und menschenverachtend.
Nicht nur dem Partner gegenüber, auch gegen sich selbst.
Andere Posts geben mir auch wieder Hoffnung, daß es doch auch Menschen gibt, denen es möglich ist, Dinge aus einer inneren Ruhe und Distanz heraus zu betrachten und so auch wertvolle Denkanstöße zu geben.
Mein Eindruck vom TE ist der eines jungen Mannes, der sich bis vor einem Jahr zunächst einmal sexuell „ausgetobt“ hat. Viel mit verschiedenen Partnerinnen im Bett ausprobiert hat, ohne dabei tiefe Gefühle zu empfinden. Soweit in jungen Jahren wohl ziemlich normal.
Nun hat er aber vor einem Jahr seine derzeitige Freundin kennengelernt, und festgestellt:
Hoppla, da kommen ja (vielleicht erstmals) tiefe Gefühle und Zuneigung auf.
Und von da ist es bis zum Dilemma garnicht mehr so weit. Sobald ein Partner/eine Partnerin beginnt, einem wichtig zu werden, läuft man mit einem Bild im Herzen herum, das der Partner, die Partnerin am Besten erfüllen soll, das er/sie aber garnicht erfüllen kann, ohne sich selbst ein stück weit aufzugeben.
Unterschiedliches Verlangen ist wohl etwas, mit dem alle, aber auch wirklich alle Paare früher oder später zu tun bekommen.
Ich habe mir seine Posts hier im Fred noch einmal hintereinander durchgelesen, und habe nicht den Eindruck, daß er ein eiskalter, berechnend lügender Fremdficker wäre.
Wenn ich so die Posts des TEs lese, denke ich, er hat - wie wohl viele andere Männer auch- einen recht unbeholfenen Umgang mit seinen (vielleicht nun erstmals tiefen) Gefühlen und erst recht damit, seine Gefühle adäquat zum Ausdruck zu bringen.
Die Gedanken, die er sich im Eingangspost machte, und zu denen er unsere Meinung erfragen wollte, kenne ich aus eigenem erleben auch.
P.S. Unser TE hat sich verkrümelt, er ist 25? und die Beziehung dauert 1 Jahr. Was schreibt er uns in 24 Jahren??!
Möglicherweise reihe ich mich nun auch mit meiner eigenen Projektion hier im Fred ein, aber um einfach mal ein Gegengewicht zu all dem abgeklärt, negativ resignierten zu setzen, will ich hier mal aus meinem Leben plaudern:
Das Dilemma unterschiedlichen Verlangens kenne ich aus der inzwischen 21 Jährigen Beziehung zu meiner Liebsten ziemlich gut. Obwohl sie Sex eigentlich ganz gerne hat, fiel es ihr bis vor etwa einem halben Jahr immer wieder schwer, vom Alltag den Übergang in die erotischen Momente zu schaffen. Dahinter standen ihrerseits Projektionen, in denen ich z.T. Elternfunktion übernehmen sollte, sprich sie so lieben sollte, wie sie ist, notfalls auch ohne Sex. Dies wiederum paßte wunderbar in meine Projektionen, nach denen sie mich (auch durchs Mich-begehren) in meiner Person bestätigen sollte.
Jahre um Jahre haben wir uns an unseren gegenseitigen Projektionen abgearbeitet und uns auch gequält.
Ich hatte mich in Geduld geübt, Verständnis gehabt, wir haben miteinander geredet, dann habe ich sie wieder bedrängt und bebettelt, habe die Option einer Trennung erwogen, sie wieder verworfen, meine Bedürfnisse als egoistisch und unethisch gebrandmarkt, dann wieder erkannt, daß auch das nicht wirklich stimmig ist.
Manchmal war es die Hölle, in diesem Dilemma festzustecken.
Drei, vier Mal hatte ich heimliche Begegnungen mit Prostituierten, um jedesmal zu erkennen, daß es das auch nicht sein kann. (Inzwischen weiß meine Liebste auch davon, irgendwann war es einfach an der Zeit, sich gerade zu machen, und sich ALLES voneinander zu erzählen, einfach damit jeder weiß, was in dem anderen vorgeht, was ihn bewegt hat)
Wir haben, geheiratet, zwei Kinder bekommen, sind nun beide über vierzig, und auch ich habe mich zwischendurch gefragt, soll es so bis an unser Ende weitergehen? Muß ich mich und meine Bedürfnisse zumindest z.T. aufgeben, wenn ich mit der Frau, die ich all die Jahre geliebt habe und immer noch liebe, zusammen bleiben will?
Nur eines war mir irgenwie immer klar. In allerletzter Konsequenz war Trennung einfach keine Option für mich, dazu ist zuviel da, was uns verbindet. Zuviel, wofür ich dankbar bin, zuviel was ich an ihr liebe und schätze. Ja - es gibt auch noch anderes als Sex.
Trotzdem ist sich aufzugeben ebensowenig Option gewesen.
Nun, nach inzwischen über 20 Jahren Arbeit, und manchmal harter Arbeit an unserer Beziehung und jeder an seiner eigenen Persönlichkeitsentwicklung, nach vielen offenen Gesprächen und einer Paartherapie haben wir es inzwischen ganz gut geschafft, einen Großteil der gegenseitigen Projektionen zu überwinden.
Fortzukommen von einer durch den anderen - also fremd- bestätigten Identität und Intimtität hin zu einer selbstbestätigten Intimität/Identität.
Je mehr uns das gelungen ist, umso offener, rückhaltloser und im positiven Sinne sogar schonungsloser können wir nun miteinander reden.
Zunehmend erkennen wir, was wir wirklich wollen und können immer besser dazu stehen, weil wir weniger auf die Bestätigung des anderen angewiesen sind.
Dadurch wird auch unser beider Sexualität zunehmend freier, experimentierfreudiger und unser gegenseitigen Verlangen kommt immer mehr ins Gleichgewicht.
Aus heutiger Sicht kann ich nur sagen: Eine freie ehrliche und aufrichtige Sexualität miteinander zu leben, erfordert viel Reife und entsteht aus einem Prozeß der Persänlichkeitsentwicklung heraus, der einfach viel Zeit braucht.
Wenn man also einen Partner gefunden hat, der einem so wichtig wird. daß man sich insgesamt vorstellen kann, mit ihm /mit ihr alt zu werden, bei dem (wie der TE es sagte:) eigentlich alles stimmt, dann kann es sich durchaus lohnen, sich trotz der Widerstände gemeinsam auf den Weg zu machen.
Wenn
@***ny also fragt:
P.S. Unser TE hat sich verkrümelt, er ist 25? und die Beziehung dauert 1 Jahr. Was schreibt er uns in 24 Jahren
wäre also auch DAS ein Möglichkeit.
Warum sollten wir vor unseren Dilemmata immer fliehen. Sie bieten uns die wunderbare Chance, aneinander zu wachsen, zu reifen und frei handelnden und fühlenden Menschen zu werden.
Ich halte es eher für eine Illusion, der sich allzu viele hingeben, daß es irgendwo da draußen den Partner geben muß, bei dem ALLES stimmt, mit dem man nicht in die Situation ungleichen (keineswegs nur sexuellen) Verlangens kommt. Warum das nicht mit dem Menschen zusammen durchstehen, der einem wichtig ist?
Wenn der TE also in einem seiner Posts (wenn auch etwas ungelenk formuliert) schrieb:
ich will auf keinen fall das handtuch werfen, bevor ich nicht alle möglichkeiten ausgereizt habe!
finde ich, wir sollten ihm eine Chance geben!
lg erwil