Mich interessiert warum Frauen im Allgemeinen allergisch darauf reagieren wenn wenn der Mann "nur" Sex mit ihnen will.
Weil Frauen von Kindesbeinen an beigebracht bekommen: Sex geht nur mit Liebe, Männer dagegen: Sex ist das Allerallerwichtigste für einen, der als Mann bezeichnet werden will, und Gefühle und 'Weichheit' sind unmännlich, schwul und darauf stehen die Frauen nicht.
Wir werden schon von Grund auf zu geschlechtsideologischen Verhaltens- und Denkmustern erzogen. Eine Frau, die gerne und viel Sex hat und sich durch die Weltgeschichte vögelt, wird - von Frauen UND Männern - abgewertet und als Schlampe tituliert; ein Mann dagegen, der viele Frauen bumst, wird - vor Allem von Männern - als Casanova gefeiert. Man könnte das noch weiter ausführen; aber fakt ist, dass Menschen in dieser Gesellschaft aufgrund sexueller Äußerlichkeiten unterschiedlichen gesellschaftlichen Erwartungen unterliegen und diese auch aufgezwungen bekommen. Und diese sexistischen und patriarchalen Ideologien werden meiner Ansicht nach immer weiter auf die Spitze getrieben und führen zu einer Menge von Missverständnissen zwischen Mann und Frau über Mann und Frau, weil auf beiden Seiten nicht die individuelle Person betrachtet wird mit ihren Eigenheiten, sondern sowohl Männer als auch Frauen haben ein Klischeebild von den Geschlechtern im Kopf, wonach sie ihr Leben, ihr Denken und ihr Verhalten ausrichten und auch das Leben, Verhalten und Denken anderer demgemäß interpretieren.
Dass wir in einer Konkurrenzgesellschaft leben, verschärft dieses Spaltung der Menschen zusätzlich. Durch die Geschlechterideologien werden Missverständnisse produziert, und diese Missverständnisse produzieren wiederum Misstrauen, und daraus erwachsen neue Ideologien.
Dass Männer angeblich alle nur Sex wollen und Frauen nur Liebe, ist ein gängiges Klischee, das in den Medien nicht nur immer wieder reproduziert wird, sondern so werden Menschen beiderlei Geschlechts auch 'programmiert'.
In vielen Regionen und Bevölkerungsgruppen wird diese patriarchale Ideologie mit Gewalt durchgesetzt (z.B. in sog. archaischen, in Wirklichkeit aber modernen Gruppierungen wie muslimische, christliche, religiös-fanatische, "traditionellen" usw.).
In den sog. westlichen und liberalen Gesellschaften geht es zwar nicht ganz so streng zu, aber dennoch sind hier meiner Ansicht nach weiterhin dieselben Rollenerwartungen vorhanden, nur dass diese nicht mit physischer Gewalt, sondern eher psychologisch, soziologisch und medial durchgesetzt werden.
Mann darf zwar offiziell auch mal ein paar Gefühle zeigen, aber dennoch wird von ihm letztendlich erwartet, dass er überwiegend sich wie ein 'richtiger Mann' benimmt, also alles unter Kontrolle hat, cool bleibt, einen Job hat, kräftig aussieht usw.. Legt er diese sozialen und äußerlichen Merkmale und Verhaltensweisen überwiegend nicht an den Tag, wird er - sowohl von vielen Männern als auch von vielen Frauen - als unmännlich und schwul abgestempelt. Das darf er zwar offiziell in unseren ach so liberalen Gesellschaften auch sein. Er ist es aber auch dann, wenn er es nicht sein will und faktisch auch nicht ist.
Die offizielle politisch-korrekte Ansicht ist es zwar, dass 'weiche Männer' bis hin zu Homosexualität eigentlich genauso normal ist wie die harte, männliche Heterosexualität. Abseits von der Staatsräson aber gilt Homosexualität weiterhin als verpönt und irgendwie 'anders'.
Erst heute, als ich im Bus saß, hörte ich Schulkinder, die sich gegenseitig 'Schwuchtel' und 'Ey, du bist ja voll schwul' zuriefen. In den Medien sehe ich solche Sachen auch ständig: Auf - vor allem einsame - Männer wird sehr oft psychisch Druck ausgeübt, weil diese natürlich nicht das "Niveau" eines reihenweise frauenerobernden James Bond haben. Das Problem der emotionalen Einsamkeit von Männern wird sogar noch weiter verschärft, indem ihnen eingebleut wird, sie seien zu "weich" und "pussyhaft" und müssten halt "härter" werden, wahllos Frauen ansprechen und aggressiver auftreten. Konflikte, Frust und sogar Eskalationen sind hier vorprogrammiert.
Ob es nun richtig ist, dass Herr Meier beim Treffen mit Frau Müller nur Sex will, sie aber gerne eine Beziehung, sei mal dahingestellt. Für mich steht jedenfalls fest, dass, wie eine Flirtratgeberin es mal formulierte, heutzutage leichte Mädchen auf schwere Jungs reinfallen und umgekehrt.
Beide Seiten, Männer und Frauen, reproduzieren Ideologien und Klischees, die sie selbst verkörpern, die aber im Widerspruch stehen zu den ganzen Individualitäten, die jeder einzelne Mensch verkörpert - was wiederum für Missverständnisse sorgt.
Herr Meier sagt "Ich will Sex", Frau Müller denkt 'Typisch Mann' und sagt "Vergiss es", weil sie nunmal dazu erzogen wurde, dass es Sex nur mit Liebe geben darf. Ihr wurde zwar beigebracht, dass die notgeilen Kerle da draußen alle nur Sex haben wollen, aber aus ihren Liebesromanen von Rosamunde Pilcher, die auch alle schön mit Geschlechterklischees behaftet sind, hofft sie, dass es auch Männer gibt, die Liebe haben wollen. Herr Meier dagegen hat beigebracht bekommen, dass ein Mann dann ein Mann ist, wenn er vögelt. Er hat auch beigebracht bekommen, dass Gefühle was für Weicheier sind und die Frauen nicht drauf stehen. Also glaubt er, bei Frau Müller nur landen zu können, indem er alpha-mäßig auftritt.
Als er merkt, dass das der Frau Müller überhaupt nicht gefällt, ist er verunsichert. Und weil er keine Lust hat, wieder allein und einsam nach Hause zu gehen und das von Geschlechterideologien verursachte Gefühl zu haben, ein Versager zu sein, klammert er sich nun an jeden Strohhalm und versucht, sich der Frau doch noch irgendwie schmackhaft zu machen.
Frau Müller dagegen merkt, wie Herr Meier ihr hinterherläuft und findet das total unglaubwürdig. Noch schlimmer: Ihr von Geschlechterideologien anerzogenes Bauchgefühl sagt ihr "Datt is kein Mann mehr. Ein Mann hat gefälligst souverän zu wirken." Und so weicht sie noch mehr von ihm zurück.
Herr Meier ist nun vollends verunsichert. Entweder wird er nun ihr guter Kumpel, oder er geht wieder nach Hause. Aber egal, was er wird, er denkt sich nur "Frauen sind doof, die wissen auch nicht, was sie wollen" und sieht seine Geschlechterideologien bestätigt. Frau Müller dagegen denkt "Männer sind Schweine" und sieht sich ebenfalls in ihren Klischees bestätigt.
Und somit scheint die Geschlechterideologie das Einzige zu sein, was Herr Meier und Frau Müller in dem kurzen Augenblick ihres Zusammenseins gemeinsam hatten, und sie wirkte wie eine Prophezeiung, die sich selbst erfüllte.
Dieses Beispiel ist aus der Luft gegriffen und überspitzt, aber es verdeutlicht meiner Ansicht nach, wie Ideologien für Missverständnisse und damit auch Misstrauen und Ablehnung sorgen. Auf Ideologien wird wieder ideologisch reagiert. Ähnlich wie beim Beispiel vom Türken und Deutschen. Deutscher hört "Türken sind hinterlistig", Deutscher wird vielleicht auch von einem Türken bestohlen, Deutscher geht in einen türkischen Laden und schaut extrem vorsichtig und hält die ganze Zeit seinen Rucksack vor sich.
Türke hat gehört "Deutsche sind ausländerfeindlich", sieht Deutschen mit Rucksack vor seinem Bauch in seinem Laden und denkt sich "Ein ausländerfeindlicher Deutscher", Vorurteil bestätigt. Türke mag Deutschen nun von vorneherein nicht und beobachtet ihn ebenfalls misstrauisch und verbreitet nun weiter, dass Deutsche ausländerfeindlich sind. Deutscher mit Rucksack vor Bauch dagegen sieht, dass Türke komisch guckt, und er denkt "Vorsichtig, der ist bestimmt hinterlistig" und schaut, dass er schnellstens wieder aus dem Laden kommt. Und draußen erzählt er dann rum, wie hinterlistig doch die Türken sind.
Ideologien können alles, was es an Zwischenmenschlichkeit gibt, vergiften und zerstören, solange es Menschen gibt, die diese Ideologien unhinterfragt übernehmen und sie weiter verbreiten.
Auch dass Frau Müller entsetzt darüber ist, dass Herr Meier Sex will und sie eigentlich nur Liebe, ist für mich ein Zeichen von selbsterfüllender Ideologie, die nicht zu besserer, sondern zu verschlechterter Zwischenmenschlichkeit, Misstrauen, Furcht und Ablehnung führen, auf beiden Seiten. Das Beispiel mit Frau Müller und Herrn Meier kann auch mit anderen ideologischen Vorstellen behaftet sein, es kommt immer wieder auf dasselbe hinaus.
Um dieses Misstrauen mitsamt ihren Ideologien zu beenden, ist aus meiner Sicht eine Ablehnung sämtlicher Geschlechterklischees vonnöten, eine Selbstreflektion der eigenen Wünsche und Bedürfnisse (statt sie sich von gesellschaftlichen Ideologien vorsagen zu lassen) und ein Umschalten des pauschalen und allgemeinen Konkurrenzdenkens und Misstrauens auf individuelle Offenheit und zumindest Neutralität.
Das dürfte allerdings vielen Leuten schwierig fallen, weil sie nunmal mit diesen ganzen sexistischen Ideologien aufgewachsen sind. Es ist für so manch einen Mann ungewohnt, sich von Frauenklischees zu distanzieren und einer Frau, die er kennen lernt, ohne irgendwelche Rollenbilder zu begegnen, sie als Individuum zu sehen, und nicht als Teil eines weiblichen Einheitsbreis. Aber das würde jetzt nochmal lange dauern, wenn ich hier jetzt schreibe, was Mann und Frau alles tun könnten, um ihre Rollenerwartungen aufzubrechen und sich wieder offener gegenüber zu stehen.
Das ist nur mein Senf dazu. Love it or hate it.