Meine Liebste und ich
waren 19 bzw. 20, als wir uns gefunden hatten.
Beide sind wir füreinander die ersten (Sex- und Beziehungs-) Partner gewesen. Auch schon sehr bald konnten wir uns vorstellen, ein Leben lang zusammen zu bleiben. Kinder wollten wir nicht so schnell, aber auf Dauer geplant war auch das.
Unsere Sexualität war immer schon sehr schön, aber trotzdem gab und gibt es immer wieder z.T. deutliche Probleme mit ungleichem sexuellen Verlangen. Biographische Altlasten und sich unweigerlich einschleichende Beziehungsmuster trugen immer wieder mal dazu bei, daß es für mich manchmal unerträglich lange Pausen gab.
(Die längste Pause war nach der Geburt unseres 1. Kindes 10 Monate)
Irgendwann während unserer inzwischen 21 Jahre andauernden Liebe kam bei mir auch der Gedanke auf, etwas zu verpassen.
Zum Teil in den Beziehungsmustern gefangen, noch nicht genügend bei mir selbst angekommen und noch nicht in der Lage, wirklich ganz und gar zu mir und meinen Bedürfnissen zu stehen, kam es dazu, daß ich im Laufe der Jahre insgesamt viermal Prostituierte besucht hatte - einfach weil ich wissen wollte, wie sich das anfühlt, ob ich sowas überhaupt kann.
Dabei habe ich mir stets gesagt, daß das Erfahrungen seien, die ich ganz tief in meinem innersten einschließen könnte, die im Grunde auch nur mit mir zu tun hätten.
Nun - Erfahrungen waren es in der Tat für mich. Keine besonders schönen, keine besonders miesen. Am wichtigsten aber war für mich die Erfahrung, daß ich mit keiner anderen Frau erfüllteren Sex werde haben können als mit der Frau, die ich von Herzen liebe mit der ich offen und ehrlich sein kann, die mich so nimmt, wie ich bin.
Ich habe diese Erfahrungen offenbar für mich gebraucht, um zu begreifen, daß es nichts gibt, was ich da draußen verpasse, weil ich erfüllten Sex am Besten mit der Frau haben kann, die ich liebe, der ich vertraue - kurz mit meiner Liebsten.
Trotzdem und obwohl wir in all den Jahren immer wieder und viel miteinander geredet haben - so offen und ehrlich, wie es uns eben möglich war - blieben die Probleme ungleichen Verlangens und spitzten sich soweit bis zur Unerträglichkeit zu, daß wir letztes Jahr endlich eine Paar-Therapie gemacht haben.
Wir sind beide Menschen mit einer sehr hohen Bereitschaft, unser eigenes Verhalten und uns selbst zu hinterfragen, und so wurden bei uns in der Therapie eigentlich bloß noch offene Türen aufgestoßen.
Seitdem haben wir viele unserer eingeschliffenen Muster erkannt, haben gelernt, noch besser jeder für sich zu sich selbst zu stehen, gehen offener und schonungslos ehrlicher miteinander um. (Auch meine „Fehltritte mit den Prostituierten wurden dann für mich zu einer Sache, die zwar eigentlich nur mich betrifft, die ich meiner Liebsten dann aber auch erzählt habe, einfach, damit sie rückhaltlos weiß, wer ich bin und was ich gemacht habe. Dafür, daß sie das genauso auffassen konnte, nämlich als etwas, das nichts mit ihr zu tun hat, das sie nicht als Partnerin infrage stellt - für diese Klugheit bin ich ihr sehr sehr dankbar)
Seitdem hat sich auch in unserer Sexualität sehr viel bewegt.
Ehe ich mich verzettele fasse ich also zusammen:
Ja, das Gefühl, ob man etwas verpassen könnte, kannte ich auch.
Ich bin das „Risiko“ in der Beziehung zu bleiben, eingegangen, habe innerhalb der Beziehung Fehler gemacht, nicht immer das richtige getan, meine Liebste ebenso.
Wir haben miteinander geliebt, wir haben miteinander und aneinander gelitten.
Wir haben einen Riesenhaufen Arbeit an unserer Beziehung hinter uns gebracht, es war schmerzhaft, bewegend, aufwühlend, befreiend, verletzend, manchmal die Hölle und manchmal das Paradies, wir haben die Beziehung hinterfragt und Trennung als Option nicht kategorisch ausgeschlossen -
am Ende waren und sind wir uns bei alledem aber sicher, daß wir zusammenbleiben wollen und das gemeinsam schaffen wollen. Und letztlich komme ich immer wieder dahin zurück, daß eine Trennung für mich letzten Endes eine Flucht vor mir selbst wäre.
Ich stelle mir nicht einmal ernsthaft die Frage, ob es mit einer anderen Frau besser geworden wäre.
Ich und meine Liebste haben uns füreinander entschieden, und das ist für uns, was zählt.
Ich habe nie bereut, geblieben zu sein.
Das ist alles sehr subjektiv, sehr persönlich, und zum Teil sicherlich offtopic.
Aber offenbar mußte es an dieser Stelle in die Welt
lg erwil