Hatten wir das alles nicht schonmal ?
Neulich gabs hier einen thread, der den Nöten einer Frau gewidmet war, die den PC ihrer Beziehung auspioniert hat, und tatsächlich Beweise dafür gefunden hat, daß er camsex macht - natürlich mit anderen Frauen. Jetzt haben wir es mit einem Mann zu tun, dem das Verhalten seiner Frau merkwürdig vorkommt, und daraufhin den Vibrator sorgfältig daraufhin untersucht, ob er vor kurzem benutzt worden ist; und siehe da: nachweislich ist er von seiner Beziehung benutzt worden, ohne daß er dabei war ! Was nun ?
Irgendwie erinnern mich diese Miniaturen aus dem Beziehungsleben an Filme wie "total recall" oder "Die Trueman-Show": "Beziehung" - das ist so eine Art Privat-MfS in so einer Art Privat-DDR. Drum herum ist zunächst einmal eine Berliner Mauer gezogen, um ungesetzliche Grenzübertritte - "Beziehungsflucht" - zuverlässig unterbinden zu können. An die Stelle von Schießbefehl, Selbstschußanlagen und Stacheldraht treten im 21. Jahrhundert Kinder, Unterhaltsverpflichtungen und Bausparverträge. Nach innen wie aussen wird eine permanente Propaganda veranstaltet, die ein verschärftes Bewußtsein für die höheren Werte fördern soll: totale Offenheit, totales Vertrauen, totale Treue ! Ethik ist schließlich wieder in nach den langen Jahrzehnten des Nihilismus. Und als Schwert und Schild dieser heiligen Kühe der Beziehungsideologie agiert der Stasi-IM. Permanente Überwachung der Zielperson gewährleistet die Beobachtung jedweder Verhaltensauffälligkeit. Argwöhnisch werden Indizien verfolgt, die eine mangelnde Beziehungstreue oder gar Beziehungsfluchtvorsätze erkennen lassen könnten.
Ist der Vibrator heimlich benutzt worden, ist das doch fast schon fremdgehen ! Ist er nicht benutzt worden, ist doch klar warum: Sie hat einen lover - weil, sonst würde sie ja den Vibrator benutzen, ist doch logisch !
Professionelle Beziehungsparanoiker könnten sogar die Theorie entwickeln, daß der Vibrator von ihr nur benutzt worden ist, um zu verbergen, daß sie es mit ihrem lover getrieben hat - so abwegig ist die Idee vielleicht garnicht ? Möglicherweise wurde die Benutzung des Vibrators sogar nur vorgetäuscht ?! Eine kriminaltechnische Untersuchung könnte da vielleicht weiterhelfen ... ? Die Anschaffung eines Mikroskops ist für jeden Beziehungs-Spitzel unumgänglich, wie man sieht !
Wie in "Das Leben der anderen" tippt man über den Operativ-Vorgang seine Beobachtungsberichte - und an die Stelle des Führungsoffiziers beim MfS tritt im 21. Jahrhundert: das Internet-Beziehungs-Forum, wo man über die nächsten operativen Schritte diskutiert. Obschon diese Diskussionen etwas einförmig sind: sie laufen immer wieder auf dieselbe Maßnahme hinaus: das Verhör. Die Zielperson wird gestellt und gnadenlos mit den Massen an Beweisen für ihr mangelndes Beziehungsbewußtsein konfrontiert. Die Debatten drehen sich eigentlich nur um die Verhörstaktik: frontal oder "hintenrum" ? Das ist hier die einzig interessierende Frage. Dutzende, hunderte, ja tausende und zehntausende von privaten Stasi-Informanten tauschen sich tagtäglich über diese Fragen aus - und schreiten sodann zur Tat.
Und wie es sich für einen Geheimdienst gehört, wird das Verhör nie als ein solches bezeichnet. Es gibt eine Art von Code, den ich noch nicht ganz durchblickt habe. Da wird von "miteinander reden" und "ausdiskutieren" gesprochen - aber darüber, was damit gemeint ist, kann kein Zweifel bestehen:
Die Zielperson wird verhaftet - ganz fies ist es im eigenen Wohnzimmer, im Normalfall dient jedoch der sogen. "Italiener" (im westdeutschen Raum gelegentlich auch: "der Grieche") als Verhörszelle. Genüsslich redet der Ermittler um den heissen Brei herum, während die inhaftierte Zielperson zusehens nervöser wird - ein klares Zeichen der Schuld !
Sorgfältig und strategisch gilt es sodann, den mit den Kollegen ausdiskutierten Verhörsplan umzusetzen. Die einzelnen Eröffnungen und Spielzüge werden bis ins Einzelne geplant: Vorhut, Sturmtruppe, Flankenangriffe, Reserveeinheiten - wie auf einem Schlachtfeld oder Schachbrett geht es zu, während scallopina romana oder bifteki allmählich eiskalt, Frascati oder Samos allmählich handwarm, die Handflächen der Zielperson klitschnass werden: sie spürt, sie soll spüren, daß sie keine Chance mehr hat, das Geständnis zu umgehen, Selbstkritik zu üben !
Ist das einmal geschafft, der Fluchtwille der Zielperson gebrochen, dann braucht es meist gar keiner harten Mittel mehr: der Drohung mit Ausbürgerung oder Vermögenskonfiskation. Meist fügt sich die Zielperson - sie sieht ein:
"Die Partei, die Partei, die hat immer Recht !
Die Partei - die Partei - die Partei !
Denn wer kämpft für das Recht, der hat immer Recht !
Die Partei - die Partei - die Partei !"
(Louis Fülberth)
Und man sage nicht, daß soetwas nicht funktionieren würde - die DDR hat immerhin 40 Jahre vollgekriegt damit. Und das muß eine "Beziehung" schließlich erst mal hinkriegen !
Ob das aber mit diesen Beziehungs-Stasi-Methoden wirklich etwas wird, und nicht schon vor dem 40. Jahrestag Schicht im Schacht ist, das wage ich sehr zu bezweifeln.