Ich war in meinen damaligen Partner nicht verliebt, von Anfang an nicht, aber ich hatte ihn sehr gern.
Als ich mich während der Beziehung in einen anderen, verheirateten, Mann verliebte, habe ich meinem Partner erklärt, was in mir vorgeht; und ihn im Laufe unserer Gespräche um die Erlaubnis gebeten, eine Affäre zu haben, bzw. die Beziehung zu öffnen. Die Antwort war nach langer Überlegung ein NEIN. Er wollte, dass ich mich entscheide.
Das finde ich eine ganz bemerkenswerte Aussage. Weil ich dieses "Problem" als Poly auch gut kenne. Es ist nach meiner Erfahrung in den seltensten Fälle eine gleichermaßen intensive Art von Gefühl bei beiden an einer Beziehung Beteiligten.
Als monogam lebender Mensch wird aber (behaupte ich mal) so viel Empfindung und eben auch möglicher Empfindungsvergleich unterdrückt oder nicht erlebt, daß das nicht zur Sprache kommt. Das kommt erst mit Affären hoch und wenn dann die "für wenn von beiden entscheide ich mich" Frage im Raum steht.
Mein Mann und ich sind z.B. seit mehr als 10 Jahren zusammen, haben gut 7 Jahre davon monogam gelebt, wenn auch nicht immer gefühlt. Und wir waren nie auf diese animalisch heftige Art ineinander verliebt, die es manchmal gibt. Trotzdem ist eine tiefe und umfassende Liebe daraus geworden.
Und wir haben uns beide schon verliebt, manchmal mehr, manchmal weniger, mal leicht, mal animalisch - und es ist geradezu beunruhigend, sich dann zu fragen "Ohoh, heißt das jetzt, daß ich jetzt mit dem/der anderen gehen würde, sogar in Monogamie, wenn er/sie es verlangen würde - weil da diese animalische, durchgeknallt hormonelle Komponente drin ist?". Das ist ja die Vorstellung in der monogam geprägten Gesellschaft, daß es ein generell "besser" gibt und "(Ver)Liebe auf den ersten Blick" da dazu gehört oder ein wichtiges Anzeichen ist - im Gegensatz zu "langsam zusammenwachsen" und das "nur" in Liebe aber ohne Schmetterlinge.
Wir hatten die Situation, das diese Person (bei jedem von uns) ein entweder-oder verlangte. Und in beiden Fällen stand nicht zur Debatte, sich für diese Person zu entscheiden. WARUM ist glaube ich unterschiedlich und niemand kann sagen, ob das immer so sein wird.
Aber ... die Offenheit über diese Art von Empfindung ist sowohl beunruhigend als auch mit Zweifeln verbunden (Ist es "barmherziger", zu verschweigen, daß sich das intensiver anfühlt als bei uns damals?). Nur war es niemals zu verleugnen, weil der andere das sehr wohl mitbekam. Wir sind zu offen und eng verbunden, selbst wenn einer das verschweigen wollen würde, würde es nicht gehn. Es wäre aber möglich, daß BEIDE es stillschweigend AUSZUKLAMMERN versuchen. Einfach nicht drüber reden, als ob es nicht vorliegt, damit man sich damit und den unangenehmen Empfindungen nicht konfrontieren muß. Was, wie ich denke, in vielen Beziehungen lieber gemacht wird, legitim ist - aber wie ich denke, nicht hilfreich.
Das denke ich deswegen, weil unsere Erfahrungen mit der gegenteiligen Verhaltensweise ziemlich gut sind. Wir sprechen auch das behutsam aber ehrlich aus. Und ja klar, es gibt immer einen Stich der Verlustangst dann beim Gegenüber. Das "Angstmonster" des "der/die ist besser" ans Tageslicht gezerrt. Ich muß aber sagen, es ins Licht zu holen und zu sagen "Ja, das ist emotional intensiver." hat sich für uns als vertrauensbildend erwiesen. Weil wir eben wissen: es gibt keine böse Überraschung, wir werden immer mitgenommen - und "emotional intensiver" ist nur eine winzige Komponente aus vielen, die Beziehungsbejahung ausmachen.
Und deswegen, um auf diesen zitierten Beitrag oben zurückzukommen, würde ich gerne wissen: Hast Du ihm gesagt, daß es für Dich mit ihm intensiver ist, daß er Dir gibt, was Dein Partner einfach nicht konnte? Oder hast Du ihm "nur" gesagt, daß Du Dich anderweitig "auch" verliebt hast?
Ich denke nämlich mittlerweile, daß die "Fähigkeit", meine Unsicherheit und Verlustangst auszuhalten (daß ich höre, daß jemand einem geliebten Menschen in einer Hinsicht MEHR gibt, als ich es kann), einen ganz entscheidenden Einfluß darauf hat, ob ich meinen Gegenüber dazu ermuntere, ehrlich mit mir zu sein.
Ob er es dann IST, steht auf einem anderen Blatt. Denn als derjenige, der offen ist, begleitet mich AUCH Unsicherheit und Verlustangst (dem anderen wissentlich zu sagen, was er wohl nicht MAG, so daß mein Gegenüber Konsequenzen ziehen kann).
Zwar finde ich es (persönlich) untragbar und rückratlos, wenn MEINE Partner ihre eigene Unsicherheit nicht ertragen können und aus Angst vor MEINER Unsicherheit lieber schweigen. Das "ich tue das ja nur, weil DU ..." ist für mich schlichtweg eine Ausrede vor der eigenen Angst. Aber zu behaupten, daß es einseitige "Schuld" gibt dafür, daß jemand den Mund nicht aufmacht und die Situation in ALLEN Facetten auf den Tisch packt, stimmt genauso wenig. Offen sein und ermuntern dazu sind beide wichtig. Ich kann aber ermuntern, ohne daß der andere offen ist (und das zum Kotzen finden). Und ich kann offen sein, ohne daß der andere es hören will (weil mir wichtig ist, daß mein Gegenüber sieht, wer ICH bin, mit MIR zusammen sein möchte und sich nicht ein Traumbild von mir macht).
Ich denke, teilweise (nicht immer!) entwickeln sich Affären aus dem Harmonie-bestrebten Schweigen in einer Beziehung aus Sorge vor Konsequenzen inklusive Trennung. Oder wie ein Freund (der Beziehungsdynamiken erforscht) gerade erwähnte: je mehr man "romantische Komödien" mag (und ernst nimmt), desto größer die Gefahr, in der Realität an überzogenen Erwartungen zu scheiten. Die Folge dieses Schweigens ist eine erstickte Dynamik in der Beziehung, die zur "Befreiung" in der Affäre führen kann. Was heißt, beide Partner versagen vorher in ihrer Rede-Souveränität und Beziehungsentwicklung.
Aber manches Mal entwickelt sich die Affäre wohl als Empfindung unabhängig von der "Rede-Qualität" des Paares. Das Gefühl ist schlichtweg "einfach so" da. Nicht als Kompensation für irgendwas. Und die Frage "Warum wird DARÜBER nicht geredet?" ist vom Problem "Treuebruch mindestens auf emotionaler Ebene" dann schlichtweg unabhängig.