Totale Selbstaufgabe?
Ich kann mich nur auf den Film beziehen (den grossen, ersten, von Just Jackin) - möge mir bitte einer erklären, wo gezeigt wird, dass "O" sich völlig selbst aufgibt ....
Wird irgendwann gesagt/gezeigt, dass sie ihre
selbständige, freiberufliche Modefotografin-Existenz aufgibt? Wird gezeigt, dass sie bei Sir Stephen einzieht? Wird gesagt, wie "O" in den Wochen und Monaten zwischen den gezeigen Szenen lebt?
In der Partyszene vor Schluss ist "O" neben Sir Stephen die stolzeste Person der ganzen Festgesellschaft. Kann man sich
Stolz bei totaler Selbstaufgabe vorstellen? Für mich ist das Gegenteil richtig.
Mir scheint es völlig an den Haaren herbeigezogen zu sein, die Figur der "O" mit dem Begriff der "Selbstaufgabe" in Verbindung zu bringen. Der passendere Begriff wäre für mich "Selbsthingabe".
Genau betrachtet geht es bei der Geschichte der "O" um einen Initiationsritus. Die Figur der "O" beginnt mit mädchenhaft-schwärmerischen Vorstellungen von romantischer Liebe und endet in einer grossen Bewusstheit der menschlichen Leidenschaften, Macht (ihrer eigenen) und Lust.
Insofern ist die Geschichte der "O" eine Parabel von
Aufklärung: im Sinne Kants als Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Am Ende der Geschichte ist "O" wesentlich mündiger als zu Beginn.
Den Gipfel ihrer Souveränität (und damit dem krassen Gegenteil von "Selbstaufgabe"), ihres hohen Bewusstseins und ihrer Macht erreicht sie in der letzten Szene des Films, der Schlüsselszene des Ganzen, indem sie Sir Stephen mit ihrem Zeichen, dem Kreis der O, brandmarkt, und damit das ganze Schein-Gefüge von Sub/Dom überwindet.
Auch Sir Stephen ist reifer geworden, denn nun, zum ersten Mal in seinem Leben, liebt er wirklich.
Oder haben wir zwei verschiedene Filme gesehen?
stephensson
art_of_pain