Interessanter Thread, hab 2 Tage lang überlegt, was ich dazu schreiben soll, da meine Meinung zu dem Thema sehr gespalten ist...
Meiner Meinung nach kann man das Thema aus 3 Richtungen betrachten, bzw 3 Anwederprofilen:
1. Künstler
2. Hobbyist/Studiofotograf
3. Profi
Aus der Sicht des Künstlers:
Pro:
• Günstige Objektive, geringe Anschaffungskosten und daher viel raum für Experimente.
• Die optischen Unzulänglichkeiten erzeugen interessante, künstlerische Effekte
Contra:
• nichts, kunst kann man mit allem machen.
Aus der sicht von Hobbyisten und Studiofotografen:
Pro:
• Günstige Objektive, geringe Anschaffungskosten und daher viel raum für Experimente.
• AF für Studioarbeit eher irrelevant, abgeblendet wird eh, also auch hervorragende optische Leistungen.
Contra:
• Teilweise kein Metering, Kamera muss in M betrieben werden
• APSC kameras haben zu kleine Sucher für vernüftige MF arbeit. Nur teurere Modelle haben Fokusindikatoren
Profi:
Pro:
-gebaut wie ein Panzer! die alten Nikkor und FD Objektive stecken wesentlich mehr ein als der heutige Plastik kram.
Contra:
-Kein AF macht professionelles arbeiten brennweiten ab 50mm sinnlos, da zu geringe Fokus-Trefferquote.
-Keine Metadaten, erschwert den PP workflow
-Keine Korrekturprofile für z.b. Lightroom, auch hier erschwert es den Workflow
-Trotz guter Auflösung ist die Beschichtung kein vergleich zu heutigen Objektiven, darum: flares und kontrastschwäche
-meist schlechte Auflösung bei offenblende
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Zusammenfassung:
Ich möchte den "künstler" und sein Anwendungsprofil gerne außen vor lassen, weil es dem Künstler um Kunst geht, nicht um das "Handwerk" Fotografieren. Grundsätzlich ist der Künstler ein allesfresser und arbeitet vielleiht auch mit einer 100 Jahre alten Balgenkamera, die er im Sperrmüll entdeckt hat. Diese Kategorie is eigentlich nur wichtig, wenn man "effekt"objektive bedenkt, wie Lomos oder Lensbabys, oder im höheren Preissegment das Petzvalobjektiv (welches per Kikstarter neu produziert wird).
Der Hobbyist zeichnet sich in diesem Szenario dadurch aus, dass er meist ohne Zeitdruck fotografiert und mit Anfäger bis Enthusiast Kameras (primär APSC größe). Er ist kompromissbereit, weil fotografie ein teures Hobby ist und er weiß, dass er nicht alles haben kann. Darum muss er immer für sich entscheiden, was zu seiner Art der Fotografie passt.
Der Studiofotograf fällt in die selbe Kategorie. Sein Zeitdruck ist immer noch gering und seine Kontrolle ist hoch. Ein Foto lässt sich so oft wiederholen, bis es passt und das Licht unterliegt seiner vollen Kontrolle. Produktfotografie wird sowieso zu 100% manuell Fokussiert, daher spielt das dort schon mal keine rolle, und auch ein Model kann lange genug still halten. Das Licht kann optimal auf die Ansrpüche des Objektivs angepasst werden.
Der Profi:
Der Profi hat den größten Druck. Er verdient sein Geld mit Fotografie und muss konstant gute Arbeit leisten, hat aber daher auch das Budget für moderne Ausrüstung. Er fotografiert sich ständig bewegende Ziele, hat so gut wie keinen Einfluss auf das Licht und muss dennoch immer gestochen scharfe Bilder abliefern. Der Profi nutzt als einziger die Fähigkeiten seiner kamera bis zum Maximum aus. Hier gelten die höchsten Ansprüche an Geschwindigkeit, Optische Leistung und Workflow. Alte MF objektive sind in diesen 3 Aspekten den neuen jedoch so weit unterlegen, dass ich sage: vergiss es.
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Meine Erfahrungen:
Dem Künstler in mir is egal, welche Kamera oder welches Objektiv ich nehme, darum umfasst meine Sammlung auch einige kuriositäten.
Ich habe mir damals zu meiner D7000 nicht das 35mm 1.8 DX Nikkor gekauft, sondern ein MF Zeiss Distagon 35mm f2. Schon doof, eine Top moderne kamera (zu ihrer zeit
) zu haben, aber noch von Hand scharfstellen zu müssen.
Aber Grad dieser ZWANG langsam zu sein, von Hand scharfstellen zu müssen, das was dafür gesorgt hat, dass jedes foto 5 sekunden braucht, hat dafür gesogt, dass ich über jedes Foto mehr nachgedacht habe. Sorgfältiger komponiert habe. Und das hat aus mir überhaupt erst einen Fotografen gemacht. Mit AF wäre ich heute noch nur so ein Knipser...
Meinem knappen Geldbeutel kam dann auch sehr zu gute, dass an meiner Kamera alle Nikkor Objektive ever funktionieren, inklusive metering. Meine nächste Anschaffung war dann ein altes 80-200 f4 Nikkor. Perfekter Zustand, 150€. Optisch fast genau so gut wie das aktuelle 70-200 f4. dann ein Voigtländer 58mm Noct. und mehrere 24mm von Nikkor und anderen.
Ebenso eine Catzeye Mattscheibe mit Schnittbildindikator.
Das Zeiss verwende ich noch heute. 35mm ist weit genug, als das man es auch noch Manuell bei Action fokussieren kann. Optisch gesehen ist es aber ein modernes Objektiv und dafür über jeden zweifel erhaben.
Voigtländer 58mm, auch ein modernes Objektiv, aber bei 58mm und 1.4 offenblende noch den Fokus zu treffen.. an der D7000 selbst mit schnittbildindikator bei action so gut wie unmöglich. darüber hinaus höllische probleme mit flares. darum wieder verkauft.
Div 24.mm Objektive: alle optisch gesehen Murks bei 2.8 offenblende. unda dafür wollte ich sie haben. bei f4 kann ich auch jeden kit-zoom nehmen, der dort bessere leistung bringt (an apsc). an FF is die leistung zum rand hin natürlich noch viel viel schlechter.
80-200 f4 Nikkor: Mein schätzchen. gebe ich nicht wieder her! ein Pump-Zoom, aber ein echtes Profi-Gerät (nikons profi reportage-zoom der 80er!). das Feeling ist toll. und die Optik... Schärfer gehts nicht. Nein wirklich, das neue 1200€ 70-200 f4 ist NICHT schärfer. bei f4 hat das neue etwas weniger vignettierung. insgesamt einen bessere mikrokontrast und wesentlich bessere beschichtung, aber das lässt sich relativ einfach in PP ausgleichen. dieses alte Nikkor schätzchen ist ajf wesentlich schärfer als jeder 70-300 zoom, sei es Nikon, Sigma oder Canon (tamron hatte ich noch nicht, aber denke das wird auch kein ausreißer).
Um zu zeigen, wie gut dieses Objektiv ist, hab ich gestern ein Foto gemacht.
80mm f8 auf unendlich fokussiert. der Ausschnitt sind 100% vergrößerung (aus einem 36mp d800 Bild) und als kleines bild das gesamte motiv, damit man sehr gut erkennt, wie weit im Randbereich der Ausschnitt liegt. impressiv, right?
Aber wieder zum Thema zurück. Mitlerweile bin ich von alten pre AF objektiven komplett weg. Der Schnittbildsucher in der D7000 war auch seine 150€ nicht wirklich wert, der Sucher ist einfach zu klein und zu dunkel, als das man damit die präzision erreicht, die man bei 16 megapixeln haben will. Wenn es drauf ankommt habe ich immer live-view oder den fokusindikator der kamera verwendet.
Als Konzert und Eventfotograf (also Anwenderprofil Profi) bin ich auf Autofokus angewiesen. Ebenso bin ich der festen Meinung, dass es kein "altes" objektiv gibt, dass den objektiven die ich verwende auch optisch überlegen ist.
Zeiss35mm und Nikkor 80-200 werden auch kaum noch genutzt.
Das Zeiss wird in 90% der Fälle von meinem Tamron 24-70 f2.8 ersetzt. Der Bildstabilisator ermöglicht mir da für relle anwendungen sogar noch mehr licht als die doppelt so große offenblende. Aber hey, das war mein erstes einzeln gekauftes objektiv und ich verdanke dem so viel, dass ich es noch immer behalten werde.
Puh.. viel text ^^ ich hoffe ihr habt spass beim lesen