Ich denke, wenn eine Mutter sich nach der Geburt gehen lässt, dann hat das in den allermeisten Fällen andere Gründe als Faulheit oder Gleichgültigkeit.
Sehr viele Mütter haben nach der Geburt psychische Probleme. Sie sind verzweifelt, überfordert und ängstlich. Auch bei einem Kind. Gerade wenn es das erste Kind ist.
Der Punkt ist aber, dass es in der Gesellschaft immer noch ein fettes Tabu ist, über diese Dinge zu sprechen. Zu schnell sind eben die Übermamis mit dem Urteil "faul, schlampig, unfähig" bei der Hand. Da flüchtet man lieber, mauert sich mit dem Kind ein, lässt sich heimlich weiter gehen.
Ich glaube, die allermeisten Frauen, die nach dem Kind zum Neutrum mutieren, die würden gern wieder mehr sie selbst sein, wären gern entspannter, würden gern alles leichter und besser hinkriegen. Nur wissen sie nicht wie und sie scheuen sich auch oft, sich Rat und Hilfe zu holen. Aus Angst, als Versagerin belächelt oder beschimpft zu werden.
Eine Mutter, die es nicht oder nur schwer auf die Reihe kriegt, das ist in unserer Gesellschaft nach wie vor inakzeptabel.
Ich bin eine große Verfechterin der Meinung, dass jede Frau ihre eigene Zeit braucht, um sich in der neuen Mutterrolle wohl und sicher und zu Hause zu fühlen. Den einen fliegt das bereits im Kreissaal zu und die können es. Die anderen brauchen länger, sind unsicherer, haben Ängste vor Fehlern, haben vielleicht auch unter der Hormonrückentwicklung mehr zu leiden. Manche Frauen kratzt das kaum, andere stehen völlig neben sich.
Eine Frau, die dann mal eben ein halbes Jahr oder länger nicht ausschaut wie aus dem Ei gepellt, die hat nicht nur mein Verständnis und mein Mitgefühl, sondern ich bin überzeugt, dass sie auch den Wunsch hat, sich wieder mehr um sich zu kümmern. Einfach, weil das Pütschern an sich selbst eine typische Eigenschaft jeder Frau ist. Jede fühlt sich besser, wenn sie sich Zeit für sich selbst nehmen kann.
Die Schwägerin mit der Migräne und dem Schlabberlook, die hier belächelt wird: wer hat die denn mal gefragt, wie es in der wirklich aussieht? Vielleicht hat sie postnatale Depressionen, vielleicht kommt sie mit der Überforderung nicht klar, vielleicht hat sie andere Gründe dafür, mehr Pausen zu brauchen von ihrem Kind. So ist das nun mal: die einen wuppen auch drei Blagen, ohne mit der Wimper zu zucken, für andere ist eines schon anstrengend. Ich wäre da vorsichtig mit Wertungen.
Nebenbei: ich habe auch nur eines, käme nicht im Traum auf die Idee, mir ein weiteres anzuschaffen, eben WEIL ich eines schon verflucht anstrengend finde. Aber wer stark ist, körperlich und im Kopf, der soll machen.
Jeder hat doch für sich ein anderes Maß dessen, was er verkraftet. Jeder hat andere Wünsche, andere Grenzen.
Und wenn man das mal im Hinterkopf behält, erübrigen sich eigentlich solche Diskussionen wie diese hier.