@ cruiserman
Demut und Bescheidenheit sind wunderbare Kontrabegriffe zum Stolz.
Mir erschließt sich nicht, welche logische Verknüpfung hier zum bloßen Stolz hergestellt wird. Ein regelmäßig nicht steuerbares Gefühl größter Zufriedenheit mit sich selbst soll mit Bescheidenheit und Demut kastriert werden? Eine normale und nicht krankhafte und neurotisch ausgestaltete Emotion, sollte niemals unterdrückt werden. Historisch gibt es viele Beispiele, dass Freude, Liebe und Ärger diszipliniert wurden. Lust galt als etwas Schmutziges, was nicht gelebt werden durfte. ¿Soll sich etwa ein Hinterbliebener in Bescheidenheit üben und seine Trauer nicht mehr leben, selbst auf die Gefahr hin, dass er deshalb schwer erkrankt?
Ebenso, wie der Hochmut (ein von oben nach unten) nicht wünschenswert ist, verkennt der Demütige (von unten nach oben) seinen gleichberechtigten Status im sozialen Gefüge. Beide Ausschweifungen stellen, soweit in einer Person verfestigt und nicht nur – manchmal durch Zwang - abverlangt, einen regelwidrigen körperlichen Zustand dar und sind demzufolge dann auch krankhaft.
Wenn die Demut wieder in unser Wertesystem implantiert werden soll, ja sogar als Teil dieses Systems anerkannt werden würde, scheint dies offensichtlich von dem Motiv getragen zu werden, aus selbstbewussten Menschen dienstwillige (Demut = diomuoti althochdeutsch = Gesinnung eines Dienenden) Herdenmenschen zu schaffen. Deshalb zeichnet die Demut auch nicht dadurch aus, das Ganze zu akzeptieren. Außerdem wäre eine Akzeptanz völlig ungenügend, da sie Widerwillen in sich tragen könnte. Der Respekt wäre erforderlich.
Diesen Respekt verdient aber auch ein Mensch, der Stolz ist. Nicht etwa, weil er sich mit Lorbeeren Dritter, also des Partners schmückt, sondern weil seine Handlungen und/oder Unterlassungen ihm dieses Gefühl zu Recht vermitteln. Gesunder Stolz, weil man etwas für sich oder Dritte geleistet hat, sollte nicht mit Demut bekämpft oder Bescheidenheit ausgetrieben werden. Aber auch der krankhafte Stolz sollte damit nicht bezwungen werden, denn er benötigt professionelle Hilfe.
So beinhaltet Stolz auch nicht Respekt und Achtung für andere Menschen, für Tiere und Pflanzen, für die Natur, für das Ganze. Stolz ist ein Gefühl. Der Verstand dagegen trägt dafür Sorge, (oder sollte es), dass hieraus kein krankhafter Hochmut wird. Er ist es, der es uns gestattet, Respekt und Achtung zu entwickeln und bei aller Freude über sich selbst „auf dem Teppich zu bleiben“.
Hieraus folgt aber auch, dass der Stolz, soweit gesund, nicht drittbezogen ist. Karen Horney (Neurose und menschliches Wachstum) bezeichnete es als „Neurotischen Stolz“, wenn man stolz auf etwas ist, was man nicht selber geschaffen hat. Freuen über Dritte oder mit Dritten, ist damit aber keineswegs ausgeschlossen, sondern schafft i. d. R. noch mehr Freude.