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Ich erinnerte mich an meine Mutter, als ich das erste Mal weinen sah.
Damals war ich 14, in wenigen Wochen sollte ich 15 werden. Mein Brust wusste nicht, ob sie danken soll, ob sie die Tränen ernst nehmen sollte oder warum sie gerade jetzt weint.
Ich trage ein hellblaues einfaches Kleid. Meine Haare sind hochgesteckt. Ein Buch „Der Sinn des Lebens“ liegt wie Blei in meiner Hand. Um mich herum stehen viele Verwandte, jeder gratuliert. Ich kann ihre Worte nicht hören, denn die Tränen meiner Mutter gehen ins Herz.
In diesem Jahr stand mein Sohn auf der gleichen Bühne. Mein Verstand sagte mir: Nein, du weinst heute nicht. Du hast einen Sohn und eine weiche Mutter, die an so einer großen wichtigen Feierlichkeit Tränen um ihren Jungen vergießt, wer weiß, was er denken wird. Die erste Rednerin tritt an den Pult und faselt etwas „vom Sinn des Lebens“. Ein Lächeln rutscht über mein Gesicht und die Erinnerungen an die eigene Jugendweihe wird wieder wach. Der zweite Redner spricht über die Jugend und den Schritt zum Erwachsen werden über Aufgaben, Sichtweisen der Zukunft. Ein dritter Redner gelingt etwas, was sich kaum beschreiben lässt. Er redet über Generationen, wie sie wachsen, wie sie entstehen und warum jede Generation ihr so ganz eigenes Leben besitzt, kaum vergleichbar, wenn man in einer anderen Generation lebt. Er spricht über Hürden, die jeder zu gehen hat. Es wird mir peinlich. Mein Herz wird warm, ich zittere ganz leicht, es berührt mich und es bewegt mich. Ich merke wie man in den Reihen vor mir und hinter mir in Taschen kramt. In denn unteren Rängen räuspern sich bevorzugt männliche Wesen und es herrscht eine Totenstille als der Rede sein letztes Wort sprach. Es war, als brauchte die Liebe diesen Moment einen weiteren Atemzug um sie mit Erhabenheit und Stolz, mit Anerkennung und Ehre einen Ausdruck zu verleihen und erst dann begann der würdigende Beifall.
Jeder Jugendliche wird namentlich aufgerufen und jeder wird zu diesem denkwürdigen Tag beglückwünscht. Ja ich muss mich zusammenreißen, denn da vorne steht mein Sohn, wie ein Gentleman gekleidet, er darf sich ab heute erwachsen nennen und ganz obligatorisch wird man ihn ab heute ein „Sie“ entgegenbringen müssen. Ich schaffe es, es fließt keine Träne.
Die Veranstaltung endet. Wir warten im Foyer des Theaters. Ich sehe wie Mütter ihre Söhne in den Arm nehmen, Väter vor lauter Rührung ihren Töchter das wie Blei in den Händen liegende Buch abnehmen und schweigsam ihre Schönheit bewundern. Als mein Sohn um die Ecke kam und das erste was er tat, er strahlte voll Glück, er lächelte mich frech an und da war es um mich geschehen: Mir flossen die Tränen wie Niagarafälle, mein Brust füllte sich mit Liebe wie noch nie zu vor geahnt. Es ist so als hätte man noch einmal einen Sohn geboren. Und ich begriff warum meine Mutter auf meiner Jugendweihe weinte: Sie war genauso stolz Mutter zu sein, wie ich es in diesem Jahr für meinen Sohn war.
PS: dieser Thread fordert heraus, den eigenen Stolz zu seinem Partner zu beschreiben. Ich habe keine Ahnung, wie man den Stolz zu einem Partner mit solch einer großen Kraft beschreiben kann, aber ich glaube, dass er mit den Jahren, die man gemeinsam erlebt, nur wachsen und reifen kann. Es sei denn, dass man das Verständnis füreinander, das Vertrauen und die Ehre zueinander bricht.
2. PS Stolz hat nichts mit einem sozialen Status zu tun, sondern mit einer Wertigkeit, die man sich selbst oder gemeinsam geschaffen hat.