(himmel hilf, schon wieder ein romanbeitrag)
Süße, sag ihm einfach, dass eure Beziehung noch so frisch und neu ist, dass Du sie erstmal genießen willst und ihn genießen und euch die Chance geben, euch kennen zu lernen, bevor ihr dann GEMEINSAM über Familie und Kinder anfangen könnt nachzudenken (so in nem Jahr oder vielleicht auch in zweien)
Aber nu solltest Du uns doch die Liebe tun und zumindest mal ein Paar Eckdaten über euch beide schreiben. Wie alt ist denn der Herr Andro und war er schonmal verheiratet (etc.)
heut morgen hat sich dann ja entschuldigt und gemeint, er hätte sich in einen strudel geredet und hätte dinge dramatischer gesehen, als sie sind.
aber damit meint er vorrangig meine lebenssituation - ich bin dreissig, hab zig dinge angefangen, aber nix beendet. in sehr vielen völlig unterschiedlichen branchen gearbeitet, - und arbeit momentan gar nichts, oder hab halt irgendwelche skurilen nebenjobs. eine situation, aus der ich nun so leicht nicht mehr rauskomme, obwohl`s jetzt wieder ginge. noch vor nem jahr oder zwei hatte ich nicht mal mehr ein konto. privatinsolvenz, wohnung verloren, baby verloren, krankheit und depressionen. drama und tragödien an allen ecken und enden. null perspektive, die kommt erst langsam wieder, was ihm ein wenig zu zäh vonstatten geht. bis zu einem gewissen grad ist ihm das womöglich sogar peinlich vor seinem umfeld.
er ist 38, beruflich gefestigt, wenngleich er davon träumt, sich in seinem beruf auch künstlerisch einen namen zu machen, nicht nur von kommerziellen aufträgen zu leben. (das ist ja so ein bissl die crux. er muss business-mässig auftreten, um sich beruflich über wasser zu halten, würd er mehr im künstlerischen bereich tätig sein, würden`s ihm wahrscheinlich zu seiner skurilen freundin gratulieren. irgendwelche firmenchefs dagegen finden mich, wenn ich als assistentin dabei bin, doch eher reichlich seltsam, das ist nun gar nicht meine welt. ich frage mich, ob er also an meinem "repräsentationscharakter" zweifelt.)
seine letzte ernsthafte beziehung muss, so zumindest meine schätzung, das ist so ziemlich das einzige, wo er das gespräch tatsächlich verweigert, 6 jahre zurückliegen, da hat sie ihn für einen anderen verlassen. danach kamen wohl etliche affären, worüber er auch nicht spricht, das kommt immer nur so nebenbei raus, wenn wir in eine ex-affäre laufen und er etwas peinlich berührt versucht zu umschreiben, wieso er die betreffende dame kennt, oder weil jemand aus seinem bekanntenkreis einen unbekannten namen ins spiel bringt. aber wie gesagt, über dieses kapitel schweigt er sich ansich aus.
das thema beziehung beschäftigt ihn seit einer weile massiv. scheint vorher nicht so gewesen zu sein.
"nichts geschaffen zu haben, nichts hinterlassen zu haben und im alter allein zu sein" - darüber grübelt er momentan nach.
wir kommen beide aus "glücklichen familien" - unsere eltern etwa jeweils seit x-jahren zufrieden zusammen, ich denk, wir haben beide gemeinsam, dass wir innerhalb unserer familien diejenigen sind, die beziehungen zwar sehr ernst nehmen, aber selber keine haben, die wirklich lange halten.
er ist in seinem umfeld so ziemlich der einzige, der nicht in einer jahrelang bestehenden beziehung lebt und/oder kinder hat. ich bin umgekehrt die einzige frau in meinem bekanntenkreis, die nie "richtige" beziehungen hatte, sondern den großteil der adoleszenz single war und es auf einen männerverschleiss gebracht hat, der ähm... doch recht beachtlich ist... auch wenn`s mir anders lieber gewesen wäre.
in dem punkt dürften wir uns nicht ganz unähnlich sein. ich bin mir allerdings nicht sicher, ob er umgekehrt mit meiner männervergangenheit, so weit er sie kennt, wirklich klar kommt, da will er ebenfalls nicht drüber sprechen (er knabbert z.b. wohl noch immer dran, dass ich mal mit einem jugendfreund von ihm was hatte. was im grunde ein ziemlich witziger zufall ist. schließlich war das eine affäre auf die distanz von 600 km...wer hätte jemals gedacht, dass ich jahre später jemanden treff, der den betreffenden kennt.) - ich hab da umgekehrt ja keine schwierigkeiten damit. und ich bin mir nicht sicher, ob ihm meine vergangenheit insgesamt nicht doch etwas angst macht. "so eine wie mich" hatte er noch nie, ich trag da einige dinge in sein leben, die ihm völlig unbekannt sind.
ich denke, er ist es auch absolut nicht gewöhnt, dass jemand über die dunklen punkte in der eigenen biografie ganz offen spricht (und umgekehrt mit den "dunklen seiten" des anderen kaum ein problem hätte, so er sie thematisieren würde).
das war für mich von anfang an so ne sache
"wird er mit meiner lebensgeschichte klar kommen?" den "normalen" jungs macht die erfahrungsgemäß nämlich angst. die angst, sie könnten ja eine völlig "irre freundin" abgekriegt haben. ich hab von schwersten essstörungen bis suizidversuchen bis psychiatrie und depressionen bis ziemliche psychobeziehungen so ziemlich alles durch - und weitestgehend hinter mich gebracht - und find mich in anbetracht dessen echt ungewöhnlich normal.
aber der repräsentative wert solcher erfahrungen ist halt sehr gering... das ist alles nix, worüber man im trauten freundeskreis oder beim businesslunch mal eben so spricht. für den herrn andro ist das alles neuland und ihm manchmal zu freakig. auch wenn ihn vermutlich anzieht, dass so ein "freak" so unverbittert und fröhlich sein kann.
da ich selber immer wieder im kreativen bereich gearbeitet hab, kann ich ein bissl mitreden, wenn er mich wo mitnimmt, was er momentan ziemlich exzessiv macht (deshalb hatten wir auch nie gelegenheit wirklich zu reden, wir waren viel zu viel unterwegs) - aber so wie ich mittlerweile ständig die fragen seines umfeldes
"und, was machst du so?" fürchte, fürchtet er, meine reaktion könnt ihn blamieren.
das war vermutlich auch gestern der auslöser für sein down. er will mich auf seiner firmenparty vorstellen und hat gleichzeitig angst davor, das könnt ihn irgendwie blöd dastehen lassen, mit "so einer" aufzutauchen.
tjo, darüber muss ich allerdings auch mit ihm sprechen. ist kein schönes gefühl, jemandem womöglich peinlich zu sein (vorallem ist dann mir peinlich, ihm womöglich peinlich zu sein, was mich so verunsichert, dass ich noch viel eher auch wirklich peinlich werd - im sinne von unsouverän) und auch wenn ich sonstige krisen gerne mitmach und versuche, daran was zu ändern, der punkt scheint mir doch gewichtiger, als ich dachte - für ihn - und natürlich auch für mich. wenn er in manchen momenten nicht hinter mir stehen kann oder will... dann wird`s doch insgesamt brenzlig.