konkretes Beispiel zur Veranschaulichung
da ich mich am Anfang dieses Themas nur theoretisch ausgelassen habe, möchte ich nun gerne die Gelegenheit ergreifen, meine Meinung und Darstellung mit einem konkreten Beispiel zu erläutern.
Das Bild entstand ganz spontan in meinem Mietshaus im Fahrstuhl, morgens auf dem Weg zum Einkaufen (ok, ich gehöre zu den Bekloppten, die ihre Kamera auch mal zum Einkaufen mitnehmen, weil sie einen Gelb-Filter auf dem Objektiv ausprobieren wollen).
Das erste Bild ist das Original, das zweite ist nachbearbeitet. Ich habe lediglich zwei Flecken an der Fahrstuhlwand retuschiert.
Hätte ich die Flecken an der Wand gelassen, wäre das Bild wohl mit einem unangenehmen Makel belastet gewesen. Ok, ich hätte nun auch hingehen können, die Idee aufgreifen und in meinem "Wohnzimmer-Studio" noch einmal neu fotografieren können. Aber erstens habe ich nicht tausend verschiedenfarbige Hintergründe und zweitens hätte ich wohl auch große Mühen gehabt, das Licht genau so hinzubekommen.
Abgesehen, daß 1:1 Reproduktionen unheimlich schwer hinzubekommen sind. Für mich jedenfalls.
Also habe ich mit PS ein wenig nachgeholfen und die beiden Flecken einfach "weggezaubert".
Die Frage ist nun, hätte ich das Bild auch ohne PS gut hinbekommen oder habe ich es durch den Computereinsatz einfach nur gerettet?
In diesem Fall denke ich nicht den Charakter des Bildes verändert zu haben. Es wäre eigentlich genau so, nur eben mit den beiden häßlichen Flecken an der Wand.
Puristen können natürlich jetzt sagen: "Hättst die Flecken halt hinter das Modell setzen sollen" (in dem ollen Fahrstuhl sind überall Stellen, wo der Lack absplittert) oder "Hättsts die Flecken halt besser gezielt und dem Bild eine neue Aussage geben können", aber dafür war weder Zeit noch wohl ausreichend Bewegungsfreiheit.
Im Grunde gab es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich schummel ein bißchen, oder das Bild ist versaut.
Ich habe auch schon auf anderen Bilder hier und da einen Pickel entfernt, was den Charakter des Bildes aber nicht beeinträchtigt oder verändert hat. Die Alternative wäre nur gewesen, das Shooting zu verschieben oder auf bestimmte Einstellungen zu verzichten. Wäre beides doof gewesen.
Aber bin ich deswegen ein schlechterer Fotograf? Gut, gegen Puristen hilft meine Argumentation nichts.
Ich habe auf einem Bild aus der Mainzer Fußgängerzone mal ein Stromkabel, daß quer über die Gasse gespannt ist, wegretuschiert. Natürlich kann man mich nun deswegen der Lüge bezichtigen, aber Lüge ich nicht bereits, indem ich die Kamera zur Hand nehme und einen Bildausschnitt auswähle und Dinge, die am Ort vorhanden sind dadurch weg lasse?
Als meine Freundin Bilder von sich im Bekanntenkreis herumgezeigt hat, haben alle gesagt: "Mensch, man erkennt Dich ja darauf gar nicht wieder". Hat sie selber auch nicht. (Das lag allein an der rein fotografieschen Arbeit, und nicht an der Nachbearbeitung, da nur die allerwenigsten Bilder nachbearbeite. Mir macht das Fotografieren mehr Spaß, als das rumfummeln am PC). Habe ich deshalb gelogen?
Nein, ich habe Möglichkeiten aufgezeigt, und das tue ich auch wenn ich mal nen Pickel wegrubbel, oder was am Hintergrund mache. Und wenn man was weichzeichnet ist es auch noch ok-
Natürlich gibt es auch eine Grenze, die sich aber jeder selber definieren muß. Aber wie auch einige meiner Vorredner erwähnt haben, glaube ich nicht, daß man aus einem richtig verpfuschten Bild noch was reißen kann.
Auch sogenannte Cyber-Fotografen, deren Hauptarbeit am PC stattfindet, können es sich nicht leisten, bei der Vorarbeit mit der Kamera zu schludern. Denn was ich am Anfang richtig mache, muß ich nahher nicht mehr korrigieren.
Langer Schwede, kurzer Finn:
Ich glaube nicht, daß mich die ein oder andere Schummelei am PC zu einem schlechteren Fotografen macht.
Aber vielleicht kann es auch hin und wieder nichts schaden, wenn man sich mal wieder den Wurzeln widmet. Wenn ned, is au ned schlimm
LG
JGOBond