Scheidungsrecht - geschundene Väter
Ich habe "gut" reden, ist doch meine Situation eine ganz andere.
Nämlich die des Langjährigen Partners, deren Frau familiären Mißbrauch und eine "Fremd"-Vergewaltigung als Jugendliche überleben durfte.
Sicherlich wiegt das Leid heutiger Väter oft schwer, die nach Trennungen verzweifelt ums Sorgerecht kämpfen müssen, finanziell sich z.T. zu Recht gemolken fühlen und dergleichen mehr.
In meinem persönlichen Leben muß ich sagen, habe ich zu viel von dem und über das Leid von Frauen von der tiefsten Vergangenheit bis heute erfahren, um das Leid geschundener Väter nicht auch im historischen Vergleich zum durch Männer verursachten Leid von Frauen zu sehen.
(Klammer auf:
wenn ich so etwas sage oder schreibe, wird mir immer wieder gerne entgegengehalten, mich hätten die Emanzen wohl weichgekocht.
Es stimmt, daß ich viel Kontakt in meiner Jugend zu frauenbewegten Kreisen hatte. Nicht zuletzt deswegen, weil es mit tatsächlich an positiven Männervorbildern fehlte.
Meine Mutter hat sich (auch aus meiner heutigen Sicht, wo ich meinen Vater auf einer ganz anderen Ebene schätzen gelernt habe) völlig zu Recht über mangelnde Empathie, Ignoranz und Egoismus meines Vaters beklagt.
All das stimmte.
Heute weiß ich aber auch, daß sie mit ihrer grenzenlos altruistischen Art nie klar zu sagen, was sie eigentlich selbst will, ihr ordentliches Scherflein dazu beigetragen hat.
Inzwischen habe ich meinen ganz persönlichen Weg zur "Mannwerdung" gefunden und fühle mich zunehmend wohl in meiner Haut.
Wer mag kann mal in einem alten Thread von mir stöbern:
Wie geht ihr mit Eurem "Mann sein" um?
Klammer zu)
Schaue ich mir ganz nüchtern die Menschheitsgeschichte an,
• die Degradierung aller Frauen durch die Darstellung des Sündenfalls (Adam und die sündige Eva)
• Genitalverstümmelung von tiefster Vergangenheit bis heute
(nein, die Beschneidung der Vorhaut beim Mann ist nicht vergleichbar!)
• Hexenverfolgung und Hexenverbrennung über Jahrhunderte
• Mißbrauch und Vergewaltigung durch all die Jahrtausende bis in die Gegenwart (gerade erst kürzlich wieder gelesen: Jede vierte Frau ist Opfer häuslicher Gewalt (jaja ich weiß, daß es auch Männer gibt, die Opfer häuslicher Gewalt werden, aber steht das im Verhältnis?)
• in der Deutschland hatten (ich habe die genauen Jahreszahlen nicht im Kopf) bis Mitte der 1950er Jahre Frauen in der Ehe kein Verfügungsrecht über das Vermögen, welches sie in die Ehe eingebracht hatten.
- und bis in die 1970 Jahre mußten Frauen die Erlaubnis ihres Ehemanns einholen, wenn sie selber arbeiten gehen wollten.
• ich habe gerade nicht parat, seit wann Frauen in deutschland wählen dürfen, in der Schweiz gab es vor wenigen Jahren noch Kantone, wo Frauen nicht wählen durften.
Ich achte durchaus das Leid geschundener Väter, und es ist für mich (inzwischen schon etwas länger mehr) keine Frage, daß auch frauen Männern Leid zufügen, aber ich Frage mich doch schon manchmal, ob das im nüchternen historischen Vergleich mit dem, was Frauen durch Männer angetan wurde, nicht eher Peanuts sind.
Wie gesagt, das individuelle Leid aussen vor gelassen und im historischen Überblick betrachtet.
Individuell betrachtet muß ich sagen:
Ich kenne einfach zu viele Frauen, die in ihrem Leben Mißbrauch erfahren mussten.
Dagegen stehen die mir persönlich bekannten Fälle geschundener Väter in keinem Verhältnis.
Eine femimistische Freundin noch aus Schulzeiten sieht das Leid, das Frauen heute Männern zufügen, immer noch als Gegenwehr gegen jahrhundertelange Unterdrückung.
Das sehe ich nun wirklcih nicht so.
Ich denke, daß uns, Männern wie Frauen, aus unserer Geschichte eine Verantwortung erwächst.
Ich denke, daß wir uns schon fragen sollten, wie wir unsere Gegenwart und Zukunft gestalten wollen.
Ich finde, es wird Zeit, sich auf Augenhöhe und in gegenseitigem Respekt zu begegnen. Von beiden Seiten.
Wenn mir in einem Clubmail Austausch eine Frau, die im Profil klar sagt, daß sie im Moment keine Dates will, weil sie noch an ihrem Ex hängt, wenn mir diese Frau erzählt, daß sich Horden von Männern bei ihr melden, die sich für geeignet halten "ihr den Ex aus dem Hirn zu vögeln", dann bin ich als Mann von so etwas eher peinlich berührt.
Ich denke in dem Zusammenhang oft an Willi Brandt und seinen Kniefall in Warschau:
"Wenn dieser ... für das Verbrechen nicht mitverantwortliche, damals nicht dabeigewesene Mann nun dennoch auf eigenes Betreiben seinen Weg durchs ehemalige Warschauer Getto nimmt und dort niederkniet -- dann kniet er da also nicht um seinetwillen. Dann kniet er, der das nicht nötig hat, da für alle, die es nötig haben, aber nicht da knien -- weil sie es nicht wagen oder nicht können oder nicht wagen können. Dann bekennt er sich zu einer Schuld, an der er selber nicht zu tragen hat, und bittet um eine Vergebung, derer er selber nicht bedarf. Dann kniet er da für Deutschland."
Das schrieb Hermann Schreiber, der zugegen gewesen war, eine Woche später im SPIEGEL.[1]
quelle wikipedia.
Ich denke, wenn eine Männerbewegung sich bilden will, so wird es Zeit, daß wir Männer beginnen, unsere Verantwortung zu übernehmen.
Ich ganz persönlich mußte für mich diesen inneren Kniefall vollziehen, mußte für mich sagen:
Ich fühle mich nicht schuldig. Aber auch, wenn ich selbst keine Frau geschlagen oder mißbraucht oder erniedrigt habe - ich weiß um die Gewalt, die Frauen durch Männer angetan wurde und wird, und bin bereit, meine daraus resultierende Verantwortung zu tragen.
Ich werde Frauen mit dem Respekt entgegen treten, den ich mir auch für mich wünsche.
Ich denke, daß auch Frauen sich der Verantwortung stellen müssen, die uns die Geschichte lehrt.
Heute im Sinne einer historischen Gegenwehr zu denken, halte ich da auch eher für kontraproduktiv - das bringt uns nicht weiter.
Männerbewegung? Frauenbewegung?
Von mir aus beides gerne - aber bitte mit der Bereitschaft, die Verantwortung für unsere Geschlechter-Geschichte zu übernehmen.
Denn Geschichte wirkt für viele Generationen in den Köpfen, in den Herzen der Menschen nach.
Dessen sollten wir uns bewußt sein.
Liebe Grüße vom verquasten
erwil