Durchschnittlich 1,5-mal lieben sich Menschen pro Woche. Die einen öfter, die anderen seltener. Was beeinflusst unsere Libido? Forscher suchen nach Antworten
Die glücklichste Nacht des australischen Pinselschwanzbeutlers ist auch seine letzte. Ein Dutzend Weibchen dürfen die eichhörnchengroßen Tiere in einer lauen Sommernacht lieben, dann sterben die Männchen entkräftet. 135-mal paart sich eine Schimpansin, 500 Höhepunkte erlebt ein Löwenmännchen in der afrikanischen Savanne – allerdings nur während der kurzen Paarungszeit.
Homo sapiens betreibt den Beischlaf im Durchschnitt nur 1,5-mal pro Woche, dafür aber zu jeder Jahres- und Tageszeit. Der Sextrieb des Menschen ist flexibler und dauerhafter als der von Tieren. „Jedes gesunde menschliche Wesen, das jemals auf dieser Erde herumgelaufen ist, kennt diesen Drang“, glaubt die New Yorker Anthropologin Helen Fisher, „doch die Bandbreite, wie er ausgelebt wird, ist groß.“
Zwischen Josephsehe, der klassischen No-Sex-Übereinkunft, und Sexsucht mit bis zu zehn Masturbationsanfällen pro Tag suchen die Menschen ihr sexuelles Glück.
97-mal vereinigen sich die Deutschen im Jahr – so die neue Studie des Kondom-Herstellers Durex -, während die Amerikaner sich unter 27 Ländern an die Spitze liebten: 132-mal pro Jahr Sex für etwa 28 Minuten – knapp acht Arbeitstage. Weltweiter Rekord!
Dass die Rheinland-Pfälzer sich am häufigsten lieben, die Sachsen dagegen das bundesdeutsche Schlusslicht der Koitus-Rankingskala bilden, ist die aktuellste Enthüllung.
Wie viel Sex ist für Sie normal? Diese Frage beantworteten Auskunftswillige in einer aktuell von FOCUS in Auftrag gegebenen Untersuchung: Zwölf Prozent plädierten für ein- bis dreimal im Monat, fast jeder Zweite für ein- bis zweimal in der Woche, und 26 Prozent glaubten, dass Geschlechtsverkehr öfter als zweimal pro Woche normal sei.
25 Prozent der Befragten denken, Kollegen, Nachbarn und Freunde hätten mehr Sex als sie selbst. Und 30 Prozent der Männer und 14 Prozent der Frauen wünschten sich häufiger intimen Verkehr.
Was in Sexstatistiken zu Buche schlägt, ist bestenfalls eine phantasievolle Mischkalkulation. Untrennbar vermengen sich Realität und Illusion. Müssen wir wollen, weil angeblich alle immerzu ihrer Lust frönen? Oder wollen wir, weil wir müssen? Zählt auch die einsame Befriedigung mit flinken Fingern beim erotischen Internet-Chat, nur der lustvolle Vollzug oder auch der abgebrochene Beischlafversuch?
„Wir brauchen viel weniger Sex, als man gemeinhin glaubt“, ist die Hamburger Sexkolumnistin Birgit Ehrenberg sicher und findet „zwei- bis viermal im Monat realistisch“. Niemand solle sich das Leben schwer machen, nur weil er die „Zweimal die Woche“-Formel im Kopf habe und dieses „sexuelle Soll“ nicht erfülle. Einem besorgten Ehemann empfiehlt der US-Psychiater Martin Kafka, Experte für Sexsucht, in seinem Forum (
www.headdocs.com/Sex): „Kümmern Sie sich nicht um Durchschnittswerte!“
„Wir brauchen nicht mehr Sex, sondern mehr guten Sex“, fordert allerdings die New Yorker Psychologin Leonore Tiefer, die sich selbst als feministische Sexologin bezeichnet. Dass Frauen angeblich öfter keine Lust auf Sex verspüren, liegt für sie eindeutig an den geringen Fähigkeiten ihrer Liebhaber. Sex ist für Tiefer „nicht die natürlichste Sache der Welt“, sondern Übungs-und Lernsache. „Es ist wie beim Piano spielen. Um gut zu werden, braucht man das richtige Training!“
„Anstatt die Häufigkeit der sexuellen Akte zu messen, sollten Forscher besser nach der sozialen und psychischen Bedeutung für die Menschen fragen“, fordert Tiefer. Wie könnten denn durch die Dreifachbelastung von Kinder, Karriere und Küche überarbeitete und übermüdete Frauen lustvollen Sex genießen? Manche, so erzählt Tiefer praxisnah, „würden ihrem Ehemann nur deshalb einen Blow-Job zukommen lassen, damit er hinterher wenigstens einmal die dreckigen Windeln in den Müll bringt“.