Die Macht der Berührung
Wir tun es ganz instinktiv, ohne darüber nachzudenken: in Gesprächen legen wir kurz die Hand auf den Arm unseres Gesprächspartners oder wir drücken beim Abschied die Hände drei Sekunden länger als wir müssten, um Zuneigung und Verbindlichkeit auszudrücken.
Wissenschaftler haben festgestellt, dass uns schon flüchtige Berührungen, etwa am Oberarm, kooperativer, offener, geneigter und ...bindungsbereiter machen. Aber warum reagieren wir so stark auf Körperkontakt?
Der Tastsinn ist der feinste und älteste Sinn des Menschen. Schon ein acht Wochen alter Fötus zeigt laut Studien schon Reaktionen wenn er berührt wird. Zu diesem Zeitpunkt sind noch nicht mal Augen und Ohren entwickelt.
Berührung ist so etwas wie unsere Urkommunikation, die unser frühes Selbst formt, uns in der Welt verankert. Für Babys ist Körperkontakt ebenso überlebens-
notwendig wie Nahrung.
Von allen fünf Sinnen ist der Tastsinn auch der einzige, den wir nicht temporär ab-
schalten oder willentlich unterdrücken können. Wir sind ständig auf Empfang und nehmen Berührungsbotschaften besonders intensiv war. Millionen Tastrezeptoren in
unsere Haut ermöglichen diese Gefühlsmischung aus Spannung, Vibration und Druck, die wir bei angenehmen Berührungen empfinden. Denn ein angenehmer Körperkon-
takt, ob ein freundliches Streicheln , eine liebevolle Umarmung oder eine Massage wirkt sich umgehend auf unser körperliches und seelisches Befinden aus. Unser Nervensystem beruhigt sich, der Blutdruck und die Pulsfrequenz sinken, bei Massagen verbessert sich die lokale Durchblutung , Verkrampfungen und Verhärtungen werden gelöst. Und auch unsere Psyche profitiert davon: Wir fühlen uns wohler, weil in unserem Körper in solchen Momenten der "Bindungshormon Oxytozin " ausgeschüttet wird. Berührungen vermitteln der sozialen Wesen Mensch , egal ob als Säugling, Kind oder Erwachsenem, die elementare Botschaft: Du bist nicht allein!
All das macht angenehme Berührungen neben Bewegung zu einem der erfolgreichsten
Stressblocker überhaupt. Zwanzig Minuten am Tag, soviel Körperkontakt und Berührungen brauchen wir laut Studien dass es uns gutgeht. Natürlich ist das Bedürf-
nis nach Körperkontakt bei Menschen individuell und kulturell bedingt unterschiedlich, aber wir wissen alle, dass Berührungen nicht nur angenehm sind, sondern dem Körper
auch helfen können, gesund zu werden haben Menschen schon früher erkannt. Viele
traditionelle Heilmethoden basieren auf diesem Prinzip, etwa Shiatsu oder Akupressur.
Warum berühren wir uns bei Schmerzen selbst? Wenn wir uns am Kopf verletzen oder Zahnschmerzen haben, fassen wir instinktiv an die Stelle, wo es wehtut, als wollten wir den Schmerz wegreiben. Genau das passiert tatsächlich. Nervensignale, die von dem Streichen und dem Druck ausgelöst werden, machen den Schmerzsignalen im Gehirn positive Konkurrenz und blockieren so teilweise den Schmerzreiz. Selbst die Seele spricht auf Berührungen an: Therapieformen wie die Funktionale Analyse oder die Konzentrative Bewegungstherapie arbeiten im Gegensatz zur klassischen Psychoanalyse bewusst körperorientiert. Berührungen können Erinnerungen auslösen, Zugang zu versteckten Bereichen unserer Seele schaffen. Körpererinnerungen reichen viel weiter zurück als unsere bewussten Erinnerungen.
Im Körperkontakt spüren wir nicht nur den anderen, sondern immer auch uns selbst. Empfindungen, Wohlgefühl und Verspannungen werden deutlicher und bewusster wahrgenommen. Eine Berührung ist eben immer auch...eine Begegnung mit uns selbst.