Hautkontakt, Berührung, Zärtlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes stehen im Fühlen und Empfinden auf einer Stufe, die ganz tief unten an der Basis des Menschseins liegt. Psychologisch fängt da Kommunikation an: Berühren, anfassen ist für Babys der erste sichere Kontakt mit der Welt um sich herum - und einen anderen Menschen anfassen macht unmissverständlich klar: Da gibt es ein "Du", ich bin in der Welt nicht alleine.
Alles danach, alles reflektieren und formulieren, alle Gesten und Worte sind weniger direkt als eine Berührung, und ein noch so toller Liebesbrief ist viel distanzierter als ein langer Kuss oder eine erkundende und schmeichelnde Hand. Als Erwachsene gibt uns das Streicheln und Berühren noch genauso viel (und so viel mehr) als einem Baby, nur erschrecken wir manchmal vor so vielen Sinneseindrücken, für die es keine Worte gibt.
Zu romantisch?
Wenn man die Sache mal biologisch betrachtet, kommt man eigentlich zum gleichen Schluss: Unsere Haut ist das größte und komplexeste Sinnesorgan, das wir als Menschen haben - und entgegen der Pläne von Mutter Natur missbrauchen wir sie täglich, sperren sie ein, schnüren sie ab, und betäuben sie damit. Wenn man sie dann aber mal nutzt, ist das Empfindungsspektrum umwerfend.
Eigentlich auch kein Wunder, denn da unsere Körper für berührungsintensiven Sex gebaut sind, dient die Haut da als Hauptstimulator - und das muss dann im Gehirn genauso knallig ankommen wie es bei den Bienen mit Chemie und bei den Buckelwalen mit Schallwellen funktioniert. Ohne kreationistisch klingen zu wollen: Wir sind "by design" emotionale Berührungjunkies Das lässt sich leicht nachvollziehen: Genauso wie Verliebte ständig aneinander hängen, kann man sich im Streit nicht mal die Hand geben.
Ach ja, dann war da noch Friedrich II. und sein Experiment:
Davon erzählt kurioserweise ein Friedrich-Gegner, der Mönch Salimbene von Parma in seiner Schrift "Die zwölf Unheile von Kaiser Friedrich II." (ca. 1284, gut 30 Jahre nach Friedrichs Tod). Und auch da ist es nur ein sehr kurzer Abschnitt, der die ganze Geschichte ausgelöst hat - wobei es dem Kaiser aber eigentlich darum ging, herauszufinden, ob Kinder von sich aus eine Sprache entwickeln, und damit die "Ursprache" finden wollte:
„Sein lebhaftes Interesse veranlasste ihn zu einem seltsamen Experimente: er übergab Wärterinnen und Ammen eine Anzahl verwaister Neugeborener zur Aufzucht mit dem Auftrag, ihnen die Brust zu reichen, sie zu reinigen, zu baden, etc. aber mit dem strengsten Verbote, sie jemals zu liebkosen und mit ihnen oder vor ihnen ein Wort zu sprechen. Es geschah nach des Kaisers Willen; aber dessen brennende Neugierde fand keine Befriedigung, denn alle Kinder starben im frühesten Alter. Sie konnten ja nicht leben ohne den Beifall, die Gebärden, die freundlichen Mienen und Liebkosungen ihrer Wärterinnen und Ammen."
So haben wir also eine sehr politische Schrift eines Mannes, der den Kaiser posthum in Misskredit bringen wollte - der aber vielleicht mit Grund, vielleicht auch als reine Erfindung eine tiefe Aussage über menschliche Bedürfnisse gemacht hat, die uns heute noch grübeln lässt.
EDIT: Troubadour war schneller, aber löschen tu ich das jetzt auch nicht mehr..