Bedingungslose Liebe
Das hört sich zunächst mal einleuchtend an:
Treue...ist für uns, seinen Partner bedingungslos zu lieben
Jedoch, wenn man mal differenzierter darüber nachdenkt, erkennt man, dass es so nicht sein kann.
Auch auf die Gefahr hin empörten Widerspruch zu ernten, denke ich, dass der Anspruch auf bedingungslose Liebe nur für das Verhältnis von Eltern (insbesondere Müttern) zu ihren Kindern realistisch (und auch entwicklungspsychologisch notwendig) ist, nicht jedoch für das Verhältnis zwischen zwei erwachsenen, eigenständigen Individuen gelten kann. Denn das wäre eine symbiotische Beziehung, in der nicht das Wohlergehen der beteiligten Partner im Vordergrund steht, sondern die gegenseitige Abhängigkeit.
Immer wieder (auch hier gibt es einen entsprechenden Thread
Wenn Männer ihre Frauen grundlos schlagen ) lesen wir fassungslos von Menschen (meistens Frauen, aber nicht nur), die jahrelange Quälereien in einer Beziehung über sich ergehen lassen und ihre Passivität vor sich selbst u.a. damit rechtfertigen, dass sie den Menschen, der sie schlägt, misshandelt, abwertet etc., doch lieben...
"Oha, das ist doch etwas ganz anderes", werden viele gleich antworten, aber bei Licht besehen, trifft das genau den Kern; eine Beziehung, denke ich, kann nur funktionieren, wenn es ein Gleichgewicht zwischen den intrinsischen Freiheits- und Abhängigkeitsbedürfnissen der Partner gibt, wie auch ein Gleichgewicht zwischen den Freiheits- und Abhängigkeitsbedürfnissenden zwischen den Partnern.
Der erste Schritt zu einer partnerschaftlichen und nicht-symbiotischen Beziehung liegt m. E. darin, sich darüber klar zu werden, dass Liebe zwischen Erwachsenen
nicht bedingungslos sein kann... das bedeutet freilich auch den schmerzhaften Ablösungsprozess von einer Illusion, die uns von klein auf als "Wahrheit" eingetrichtert worden ist...