Das Projektionsproblem
Das Projektionsproblem ist eigentlich etwas sehr Natürliches. Wenn man nicht esoterisch veranlagt ist und glaubt, dass von dem einen Menschen etwas (Übernatürliches) in den anderen gelangt (Aura, Welle, ...), dann bleibt simpel, dass alles, was wir da empfinden nicht mehr und nicht weniger eine Projektion ist.
So gut wie jeder Mensch kennt das Gefühl, einen anderen (seelisch/ohne Berührungen) fühlen zu können. Gerade im Verliebtsein ist das manchmal sehr extrem. Dabei ist es wohl eher so, dass wir aufgrund von Beobachtungen (aber auch aus der Stimme heraus, durch Gerüche etc.) Stimmungen von anderen Menschen einsammeln und ahnen. Dies passiert allerdings u.U. auch bei Fernsehfilmen, wenn wir glauben zu fühlen, wie sich gerade der Schauspieler fühlen müsste, allerdings dabei vergessend, dass der das ja nur schauspielert.
Natürlich kommen hier auch die Faktoren "rosarote Brille" des "blinden Verliebtseins" dazu. Und, man darf nie vergessen, dass der Mensch ähnlich den Tieren ein massives Werbeverhalten an den Tag legt, was sicher auch mit mehr oder wenger bewusster oder unbewusster schauspielerischer Begabung verbunden ist. Auch das berühmtberüchtigte "Sonntagsgesicht" spielt hier eine Rolle.
Wenn man jemanden kennenlernt, der einem optisch gefällt, so passiert es schnell, dass wir unsere Wünsche in diesen Menschen hineindenken. Solange wir ihn wenig kennen, sind viele Wünsche dort plazierbar. Manches bestätigt sich, meistens viele Dinge nicht. Der Frust ist dann entsprechend da.
Dazu kommt, dass das "frische Verliebtsein" uns mit einem biochemischen Cocktail beglückt, in dem wir eher etwas debil sind. Erst wenn der abklingt (was bis zu 7 Monate dauern kann! meist aber viel früher weg ist), kann man realer sein Gegenüber erkennen. Vielleicht auch deswegen, weil der längst sein Werbeverhalten und sein Sonntagsgesicht abgelegt hat...
Das, was wir in einem anderen Menschen sehen, ist immer (wenn man esoterisch nicht anderes glaubt und Beweise dafür gibt es nicht) das eigene... das eigene Gefühl, das eigene Vertrauen, die eigene Harmonie... oder im Negativen: die eigene Angst, das eigene Misstrauen, ...
Es ist auch die eigene Projektion, die man von dem anderen hat, die in keinster Weise mit dem realen anderen übereinstimmen muss. Ich möchte hier auch an die Geschichten von "Heiratsschwindlern" erinnern, wo die (i.d.R) Frauen die tollsten Gefühle für den Mann hatten und glaubten, er hätte auch diese Gefühle.
Und. In Streiterein kommt es nicht selten vor, dass Menschen irrational werden und Dinge sagen, die sie nicht wirklich meinen. Dadurch kann gerade auch in solchen Situationen ein starkes Befremden eintreten. Den eben noch gekannten Menschen erkennt man aufgrund von solchen Äußerungen gar nicht mehr.
Lieber "wenigverrueckt"
Das "Entdecken" der Projektion stört natürlich gewaltig unsere reguläre und vor allem romantische Vorstellung von Liebe etc.
U.U. ist es wirklich so krass, dass Liebe nur eine Selbstreflexion ist, vielleicht eher ein Wechselspiel ... ich sehe etwas schönes (einen schönen Menschen) und verliebe mich in das Gefühl, was das in mir auslöst (etc.)
U.U. verliebt man sich so gesehen "nur" in seine eigenen Gefühle, weil man nie wirklich in der Lage sein wird, die Gefühle des anderen wirklich spüren oder erleben zu können. Wir können sie nur ahnen und hoffen, dass das so richtig ist. Das gefühlte "wir", was entsteht, ist nur eine Illusion.
Und, die Biochemie des Verliebens macht es noch komplizierter, weil sie uns manchmal ein anfängliches Hinterfragen unmöglich oder zu mindest schwer macht.
Dennoch. So unromantisch das ist: es funktioniert ja trotzdem.
Man weiß halt, dass Liebe kompliziert ist. Man weiß halt, dass man sein eigenes Ich zu Mindest Schritt für Schritt öffnen muss. Man weiß halt, dass man verlieren kann und dass es dann auch weh tun wird.
Wenn man weiß, dass es die eigenen Gefühle sind, die nicht "echt", nicht "berechtigt", nicht "wahr" sein müssen, weil sie einem eine Illusion vorgaukeln, dann hat man manchmal vielleicht auch mehr Respekt und Wertschätzung für den anderen, denn der andere ist unabhängig von den eigenen Gefühlen vielleicht ein Mensch, der der Illiusion sehr nahe kommt, aber eben doch anders ist. Und das muss man respektvoll, wertschätzend hinnehmen, wenn man den anderen nicht verbiegen will.
Und wenn die Liebe nur eine Illusion ist, die durch einen selber erzeugt wird: sie wird aber i.d.R. durch einen anderen ausgelöst. Das heißt, ich brauche den anderen. Ich muss ihn und die Beziehung hegen und pflegen, mich bemühen (vielleicht wirklich nur um meine Illusion aufrecht zu erhalten und zu hoffen, dass mein Gegenüber das Gleiche tut), aber es lohnt sich einfach... weil die Gefühle so wunderschön sein können.
Ich kann Dir nur raten:
Geh von der mathematischen Wahrscheinlichkeit davon aus, dass Deine nächste Beziehung nicht die Letzte sein wird, weil es doch nicht der richtige Partner ist (irgendwas wird wohl schiefgehen oder falsch sein, je mehr Du ihn kennenlernst). Aber verhalte Dich (erst einmal) so, als wäre es die Letzte, denn der neue Partner könnte es ja doch sein ...
Und vergiss nie, dass der andere "auch nur" ein Mensch ist, dem es vermutlich ähnlich gehen wird, wie Dir.
Und: No risc, no fun.
Die Schritte, Dich zu öffnen, bestimmst aber Du...