@newsun:
...leider machst Du es Dir ein wenig zu leicht. Aus einer funktionierenden Beziehung heraus ist es sehr einfach, gute Ratschläge zu geben...
...denn die zwischenmenschlichen "Mechanismen", die ich hier meine, laufen in einer von vorneherein nicht so richtig funktionierenden Beziehung sofort ab und führen zu einem baldigen Scheitern...
...oder in einer Beziehung, die sich im Gleichgewicht befindet und deshalb eben funktioniert, erst dann, wenn irgendetwas dieses Gleichgewicht stört. Solange Du Deine aktuelle Beziehung als "funktionierend" oder gar glücklich empfindest, kannst Du bestenfalls theoretisch wissen, worüber ich hier schreibe. Du hast es definitiv noch nicht erlebt - zumindest nicht in dieser Beziehung.
Ich habe eine 20-jährige Beziehung hinter mir, 18 Jahre davon kann ich guten Gewissens als glücklich bezeichnen...
...ich saß also fast die Hälfte meines Lebens und zum damaligen Zeitpunkt fast mein gesamtes bisheriges "geschlechtsreifes"
Leben auf einem sehr hohen Roß und habe eifrig schlaue Ratschläge gegeben...
...bla, bla ,bla, BEIDE müssen sich eben Mühe um die Beziehung geben, dann kann NICHTS eine solche Partnerschaft erschüttern, bla, bla, bla...
...und dann kam die - gar nicht mal so große - Veränderung, die alles aus dem Gleichgewicht gebracht hat.
Wer mehr darüber wissen will, wie Beziehungen funktionieren und warum und wie sie scheitern (es ist IMMER das gleiche Muster!), dem empfehle ich dieses Buch:
Dean Delis - "Ich liebe Dich nicht, weil Du mich liebst"
Leider ist der deutsche Titel eher abschreckend, im Original heißt das Buch "The Passion Paradox" - und genau darum geht es, um Leidenschaft.
Dieser Mann hat begriffen, wie zwischenmenschliche Beziehungen funktionieren...
...eine Beziehung ist dann stabil und im Gleichgewicht, wenn beide in etwa die gleiche Leidenschaft füreinander empfinden. Sie ist dann im Ungleichgewicht, wenn einer "mehr liebt" als der andere...
...und das kann in JEDER Beziehung JEDERZEIT urplötzlich passieren - über einige wenige mögliche Auslöser hatte ich schon geschrieben.
Nur ein Beispiel: In einer langjährigen, sehr gut funktionierenden Beziehung hat Sport für beide nie eine große Rolle gespielt. EIner von beiden will nun ein paar Kilo loswerden und "zwingt" sich zu sportlicher Betätigung...
...der positive Effekt des zunehmenden Trainingserfolgs setzt ähnliche Glücksgefühle frei wie z.B. die Nähe zum Partner - der neue Sportler wird emotional "autark", holt sich diese Glücksgefühle zunehmend beim Sport und nicht mehr beim Partner...
...und der verhungert zunehmend emotional, weil er nicht mehr "geliebt" wird, zumindest nicht mehr so, wie es vorher der Fall war, als die Beziehung sich diesbezüglich im Gleichgewicht befand.
Ein ähnliches emotionales Verlassen des Partners kann passieren, wenn gemeinsame Kinder geboren werden - ich habe mal vor Jahren irgendwo gelesen, dass 2/3 aller Ehen, die überhaupt geschieden werden, in den ersten drei Jahren nach Geburt des ersten Kindes geschieden werden...
...und da reden wir in sehr vielen Fällen von Beziehungen, die so gut funktioniert haben, dass man sogar gemeinsam eine Familie gründen wollte.
Sorry, ich bin beileibe kein Sexist - aber in diesem speziellen Fall sind es meist die Frauen, die urplötzlich ihre ganzen Emotionen auf ihre Kinder lenken und darüber den bisher geliebten Partner emotional auch oft völlig vernachlässigen...
...ein guter Freund hat die Situation mal so beschrieben, dass er sich urplötzlich wie ein "Vogelpapa" vorkam, der gefälligst Futter ins gemeinsame Nest zu bringen hatte - nur um sofort nach dem Abliefern des Futters mit lautem Gezeter wieder aus dem Nest vertrieben zu werden...
...und dadurch entstehen eben Situationen, in denen die Männer nur zwei "Auswege" sehen: Entweder die Faru verlassen - und damit eben meist auch die "Familiensituation" mit den eigenen Kindern...
...oder bei der "Familie", also eher bei den eigenen Kindern, zu bleiben und die fehlende emotionale Nähe zu einer Partnerin, die sie von ihrer Frau nicht mehr bekommen, in einem Seitensprung, bzw. einer außerehelichen Affaire zu suchen...
...wer wirft hier den ersten Stein auf den oder die "Schuldige"? Nach außen sieht der Mann in einer solchen Situation wie ein "Schuft" aus - aber ist er nicht eher "Opfer"?
Ich erlaube mir da keine vorschnellen Urteile mehr - das ist wohl von Fall zu Fall unterschiedlich zu gewichten.
Nichts für ungut - aber die Situation ist wesentlich komplexer - so komplex, dass man sie aus einer funktionierenden Beziehung überhaupt nicht bewerten kann...
Ich will hier sicher niemanden "an's Bein pinkeln" - eher etwas die Augen öffnen für völlig andere Blickrichtungen auf vermeintlich einfache Situationen...