Man könnte
ohne Ende widersprechen, Herby. Nach dem Krieg gab es den Begriff Schlüsselkind. Das waren die Kinder, die sich selbst überlassen waren, weil Mutti nicht zuhause die Nägel pflegen konnte, sondern arbeiten musste. Das Geschilderte betraf einen Teil des Mittelstands und die Oberschicht. Da meine Eltern ein erst nachts schließendes Geschäft hatten, das auch sonntags geöffnet war, war es selbstverständlich, dass wir Kinder Schule als Nebensache begriffen und mitarbeiteten. Trotzdem oder gerade deshalb hatten meine Eltern noch Zeit, einen späten Nachkömmling zu zeugen. Die Kinder von damals sind etwas geworden, hatten aber auch das Glück, in das Wirtschaftswunder hineingeboren zu werden, das lange Zeit Vollbeschäftigung garantierte. Und weil es üblich war, nach acht oder später neun Schuljahren abzugehen, manche mit 10 aus der Realschule, aber noch nicht mal 10 % Abitur machten, bekamen wir auch noch gute Handwerker. Aber diese Zeit taugt nicht als Vergleichsmaßstab für heute. Sie war eben so, heute ist es anders, weder schlechter noch besser, anders eben.Wenn man sich für Kinder entscheidet, muss man schon sehr blauäugig sein, anzunehmen, dass sich das nicht auf das Leben als Paar auswirkt. Man muss bereit sein, Verantwortung zu übernehmen und Entbehrungen zu ertragen. Es war auch für mich schwer, aber die Freude und sogar das Leid mit den Kindern wog Vieles auf. Ich bin darüber älter geworden und erst als wir uns 28 Jahre kannten, nach der Silberhochzeit, begann ich darüber nachzudenken, auch wieder Sex haben zu wollen. Ich bin eben nicht fremdgegangen, weil ich mich als Schwein betrachtet hätte, wenn ich ihr die Arbeit und Sorgen mit den Kindern aufgebürdet hätte. Erst als ihr NEIN bestehen blieb, orientierte ich mich anders. Und das Schicksal half mir, denn ich konnte die scheinbar vertanen Jahre mehr als wett machen, ohne Heimlichkeiten, ganz offen! Und trotzdem besteht die Ehe und Familie weiter in Kameradschaft und als Wirtschaftsgemeinschaft- und eben Familie! Auf meine Kinder kann ich stolz sein, sie haben trotz Geldknappheit mitgezogen und ihre Studien hinter sich gebracht.
Quintessenz: Man sollte nicht mit dem Schicksal hadern und schon gar nicht so bitter, denn erstens kommt es noch anders, und zweitens als man denkt. 8 Jugendfreunde und Cousins starben noch bevor sie 30 waren, sie hatten keine Chance!